Jennifer Oeser - Aufmerksamkeit beflügelt
Siebenkämpferin Jennifer Oeser lässt gerne Taten sprechen und macht lieber wenig Worte. "Der Weg zur WM nach Osaka wird lang und schwer", ahnte die Leverkusenerin schon vor dieser Saison. Doch nach Platz drei am Pfingstwochenende im österreichischen Mehrkampf-Mekka Götzis kann sie schon fast sicher für die Titelkämpfe in Japan (25. August bis 2. September) planen.

Jennifer Oeser kann in Ratingen voller Selbstvertrauen antreten (Foto: Krebs)
Denn von den insgesamt vier deutschen Siebenkämpferinnen, die in Götzis die WM-Norm von 6.000 Punkten überbieten konnten, hat Jennifer Oeser vor dem anstehenden Mehrkampf-Meeting in Ratingen am Wochenende (16./17. Juni) nun die klar beste Ausgangsposition im Kampf um die drei Weltmeisterschafts-Tickets.Mit 6.366 Punkten bestätigte die 23-Jährige in Götzis ihre 2006 bei der EM in Göteborg (Schweden) erkämpfte Position in der Weltspitze. 6.376 Zähler hatte Jennifer Oeser im vergangenen Sommer überraschend im Ullevi-Stadion der schwedischen Leichtathletik-Hochburg erzielt und war damit hinter der drittplatzierten Paderbornerin Lilli Schwarzkopf Vierte geworden.
Keine Zeit zum Genießen
So richtig genießen konnte sie diesen Erfolg allerdings nicht, wie sie selbst meint. Gleich nach der EM startete sie noch bei den Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften in Wesel und beim Mehrkampf-Meeting in Talence (Frankreich), dann rief die Bundespolizei zum Lehrgang nach Cottbus, der im Februar mit dem Abschluss als Polizeimeisterin endete. "Die Glückwünsche haben die Eltern eingesackt", merkt Jennifer Oeser deshalb an.
Doch jetzt ist Gelegenheit, etwas von dem Versäumten nachzuholen. Schon in Götzis hatte sie es ausgesprochen genossen, als eine von den Top-Siebenkämpferinnen der Welt vorgestellt zu werden: "Plötzlich ist man mittendrin." In Ratingen wird es nun nicht anders sein. Für Jennifer Oeser zählt dieser vierte Platz bei einer EM richtig viel: "Wenn man wie ich vom Dorf kommt, dann ist das schon noch einmal etwas anderes."
Zwar glaubt sie, dass sie ihren tollen Auftritt von Göteborg, der ihr viel öffentliche Aufmerksamkeit einbrachte, vielleicht besser hätte vermarkten können. Die Blondine stellt aber unmissverständlich klar: "Ich habe den Sport nie gemacht, um Geld zu verdienen."
Kein Erfolgsrezept
Die Freude am Wettkampf steht für sie im Vordergrund, wenn dann die Leistung stimmt, umso besser. "Ich würde jetzt gern ein Rezept für den Erfolg geben, damit es andere nachmachen können, aber es gibt keins. Ich habe es genossen, vor 32.000 Zuschauern im Stadion Sport treiben zu dürfen und mich von deren Euphorie tragen lassen", sagt die von Karl-Heinz Düe betreute Leverkusenerin rückblickend auf ihre Erfahrungen aus dem letzten Jahr.
Heute, ein dreiviertel Jahr und viele Autogrammanfragen später, ist Jennifer Oeser, die in diesem Jahr mit insgesamt drei oder vier Siebenkampf-Starts und damit weniger als im letzten Jahr plant, überzeugt: "Weder in Göteborg, noch in Götzis habe ich meinen Zenit erreicht. Es ist in Ratingen in allen Disziplinen noch etwas drin." Vier Einzelbestleistungen schaffte sie im Rund des Ullevi-Stadions, vier waren es auch in Götzis wieder. "Das hat sich schon im Training herauskristallisiert."
Die guten Leistungen lassen allerdings auch den Erwartungsdruck auf ihren Schultern steigen. Doch die ehemalige U23-Europameisterin gibt sich gelassen. "Ich finde die Aufmerksamkeit toll, dann denke ich immer ,jetzt nur nicht blamieren' und das beflügelt mich."
WM-Medaille noch utopisch
Beflügelt konnte man sie auch vor drei Wochen in Götzis erleben. "Ich sehe jetzt, dass ich in der Weltspitze mithalten kann", stellt sie fest. Trotzdem will sie sich mit Blickrichtung zur WM nicht unter Druck setzen: "Eine Medaille als Ziel wäre utopisch, auch wenn sich ein dritter Platz in Götzis gut anfühlt."
Jennifer Oeser lässt dabei auch ihre rasante Entwicklung in den letzten zwölf Monaten nicht außer Acht. Sie meint noch ein klein wenig staunend: "Letztes Jahr um die Zeit habe ich mich noch über meinen ersten Mehrkampf über 6.000 Punkte gefreut, jetzt will ich als nächstes die 6.400 Punkte knacken."
Diese Steigerung ist das Resultat langjähriger Arbeit. Seit ihrem fünften Lebensjahr betreibt Jennifer Oeser Leichtathletik. "Manchmal frage ich mich selbst, wieso ich solange dabei geblieben bin", sagt die Polizeimeisterin, die in Brunsbüttel direkt am Rand des Nord-Ostseekanals aufgewachsen ist. Doch eine Antwort hat sie noch nicht gefunden. Vielleicht liegt es ja daran, dass Jennifer Oeser erst 1999 mit dem Leistungssport begann. Damals wechselte sie in die Trainingsgruppe von Peter Gennun, der Jennifer Oeser in die Erfolgsspur führte und zur U23-Europameisterin formte.
Stimmungskanone in Leverkusen
Schon zwei Jahre später erfolgte der Wechsel zum TSV Bayer 04 Leverkusen. Als ihr Vater im Bayer-Werk Brunsbüttel anfragte, wie es denn mit einer Förderung für die talentierte Tochter aussehe, verwies man ihn an den Klub in Westdeutschland. Seit 2006 lebt die Blondine auch in Leverkusen: "Ich musste weg von zu Hause, das ständige Training alleine ging nicht mehr. Ich hätte gern bei Peter Gennun weitertrainiert, aber so funktionierte es nicht."
Jetzt ist Jennifer Oeser Teil einer Trainingsgruppe und inmitten von jungen Sprinterinnen und Mehrkämpferinnen nicht nur die leistungsmäßige Nummer eins, sondern auch die unumstrittene Stimmungskanone.