Jessica Urbanski - Flott in der lautlosen Welt
Das Jahr 2010 ging für Jessica Urbanski mit einem bewegenden Moment zu Ende. Bei der Ehrung „NRW-Sportler des Jahres 2010“ in Duisburg stand sie zusammen mit Tischtennis-Europameister Timo Boll, Fußballkeeper Manuel Neuer und der Leverkusener Speerwurf-Europameisterin Linda Stahl in der ersten Reihe und erhielt als erfolgreichste Behinderten-Sportlerin den Felix-Award 2010.
Die 17 Jahre alte Nachwuchs-Sprinterin der LG Olympia Dortmund wurde zudem bundesweit zur „Gehörlosen-Sportlerin des Jahres“ gekürt. Jessica Urbanski zeigte sich tief beeindruckt: „Mit beiden Auszeichnungen habe ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet.“Jeder hat sicherlich im Fernsehen schon einmal eine Sportsendung ohne Ton mitverfolgt. Für Jessica Urbanski, die ihre ersten sportlichen Erfahrungen beim Reiten sammelte, läuft bei jeder Sport-Veranstaltung solch ein „Stummfilm“ ab. Sie hört weder die Lautsprecherdurchsagen, noch dringt der verdiente Applaus in ihre Ohren. Lediglich, wenn sie ihr Hörgerät trägt, nimmt sie akustisch etwas von der Außenwelt wahr. Oft allerdings nur als indifferente Geräusche, so auch den Startschuss.
Fast ganz normal
Jessica Urbanski betrachtet im Sport ihre Gehörlosigkeit nicht als allzu großen Nachteil. „Ich verstehe lediglich das `Fertig` des Starters nicht. Alles andere läuft bei mir ganz normal ab“, erläutert die sympathische LGOlerin, die auf ihrer sportlichen Visitenkarte bereits einen Gehörlosen-Europameister-Titel und 30 Deutsche Gehörlosen-Meisterschaften stehen hat.
Unvergessliche Momente erlebte sie 2009 bei den „Deaflympics“ in Taipeh, bei denen sie als Jugendliche bereits in der Frauenklasse starten musste, und sich dort als Siebte über 100 Meter in 12,70 Sekunden und als Zehnte über 200 Meter in 26,87 Sekunden mehr als achtbar schlug.
Seit ihrem dritten Lebensjahr leidet Jessica Urbanski an ihrer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Dennoch kann man sich ganz „normal“ mit ihr unterhalten, denn ihre Eltern, die ebenfalls gehörlos sind, haben ihr neben der Gebärdensprache auch das Lippenlesen beigebracht. Zudem beherrscht sie die Lautsprache zur Verständigung mit der hörenden Außenwelt.
Viermal pro Woche im Training
Jessica Urbanski, die die zehnte Klasse der Realschule für Hörgeschädigte in Dortmund besucht, möchte nach ihrem Schulabschluss gerne Zahntechnikerin werden. Viermal in der Woche trainiert sie in der Helmut-Körnig-Halle bzw. im Stadion Rote Erde mit den anderen Nachwuchs-Sprinterinnen der LG Olympia, die sie vor zwei Jahren liebevoll in ihren Reihen aufgenommen haben.
LGO-Trainer Uli Kunst bewundert die große Belastungsfähigkeit von Jessica Urbanski. „Normalerweise müsste sie zwischen Schule und Sport eine längere Pause einlegen, denn der Unterricht wird in der Gebärdensprache erteilt, und da ist für sie immer höchste Konzentration angesagt.“
Medaille in der Türkei als Ziel
Die „NRW-Behindertensportlerin des Jahres“ hat jedoch ein konkretes Ziel vor Augen, so dass sie die vielen Anstrengungen locker wegsteckt. Auf ihrer Wunschliste 2011 steht ganz oben eine Medaille bei den Gehörlosen-Europameisterschaften im türkischen Kayseri.
Nicht aufgeben und kämpfen, das sind herausragende Eigenschaften, die Jessica Urbanski auch benötigt, um täglich den Wechsel zwischen der lautlosen Welt und der akustisch geprägten Welt der Hörenden meistern zu können.