Joan Benoit Samuelson läuft für ihr Leben gern
Die Menschen in Maine, im rauen Norden der Vereinigten Staaten, sind es gewohnt, mit den Tücken der Natur umzugehen. Sie lassen sich nicht unterkriegen. So wie Joan Benoit Samuelson, die 1984 Pioniergeist bewiesen hat. Damals widersetzte sie sich erfolgreich der unsäglichen Hitze beim Marathon in Los Angeles und holte als erste Frau in der olympischen Geschichte Gold auf der klassischen Distanz über 42,195 Kilometer.

Joan Benoit ist heute noch immer wie 1984 in Los Angeles auf den Straßen unterwegs
2:24:51 Stunden war sie unterwegs bei ihrem Triumphzug von Santa Monica ins Coliseum. Lang, lang ist's her. "Das war ein historisches Ereignis", erinnerte sich die nur 1,60 Meter große "Power-Frau", die sich mit einer Schirmmütze auf ihrem Bubikopf gegen die tief stehende Sonne schützte, "ich bin noch immer glücklich, diesen Lauf gewonnen zu haben."In jenem Sommer war sie 27 Jahre alt, eine Sportlerin in den besten Jahren, die sich 15 Monate später in Chicago auf 2:21:21 Stunden steigerte. Mittlerweile ist sie verheiratet mit Scott Samuelson, dessen Familiennamen sie trägt, hat zwei Kinder, Abby (17) und Anders (15) – und läuft noch immer.
Flammen schlagen hoch
In Minneapolis, wo am Wochenende die US-Meisterschaften im Rahmen des traditionellen "Twin Cities Marathon" ausgetragen wurden, mischte sie sich erneut in die Läuferschar. Im Vorfeld sorgte ihr Start wieder für ein großes Interesse der Medien, mehrere Journalisten baten um ein Interview und wollten wissen, warum um alles in der Welt sie sich diesen Stress antue. Zumal sie die Beine getrost hoch legen könnte nach allem, was sie erreicht hat in ihrer glanzvollen Karriere. Ist das nicht verrückt, sich im Training so zu quälen?
"Die Lauferei macht mir tierischen Spaß", sagte die Dauerbrennerin und verkündete mit pathetischen Worten, "wo Leidenschaft ist, da ist auch Feuer. Mal schauen, wie hoch die Flammen schlagen." Sie schlagen noch immer verdammt hoch: Joan Benoit Samuelson bewältigte den Kurs scheinbar mühelos und belegte den 100. Platz in einem Riesenfeld von 7.785 Finishern.
Aufhören? Nein Danke!
Ihre Endzeit lautete 2:46:26 Stunden. Weit entfernt zwar von ihrem einstigen Landesrekord (2:21:21 h), der erst 18 Jahre später beim London-Marathon 2003 von Deena Kastor unterboten wurde, die in der britischen Metropole, als Paula Radcliffe die Weltbestleistung auf 2:15:25 Stunden drückte, ganz fünf Sekunden schneller war als Joan Benoit Samuelson anno 1985.
Joan Benoit Samuelson wird auch mit 48 weiter laufen. Aufhören? Ach was! Davon will sie nichts wissen. Im Gegenteil: Sie wird noch so manchen Marathon unter ihre ausdauernden Füße nehmen. Denn in Maine, in einem der ärmsten Staaten Nordamerikas, hat dieses zierliche Persönchen schon früh das Kämpfen gelernt.