Johan Wissman - Der den Schmerz liebt…
Die 400 Meter-Distanz zählt bei Leichtathleten sicherlich nicht zu den beliebtesten Disziplinen. Nicht selten spielen sich bei der schnellstmöglichen, kompletten Umlaufung der Rasenfläche im Stadion kleine Dramen ab. Der Schwede Johan Wissman ist dem unabsprechlichen Reiz dieser Strecke dennoch längst erlegen.

Johan Wissman kann im Ziel noch lächeln (Foto: Chai)
Diese lässt sich wohl am besten mit den Attributen Erschöpfung, Überwindung der Schmerzgrenze und Taktik beschreiben, darüber hinaus gilt es rund 45 Sekunden lang am "Anschlag" zu laufen, also vom Startschuss bis zum Erreichen der Ziellinie so schnell wie möglich zu sprinten. Johan Wissman, Vize-Europameister über die 200 Meter, scheint daran Spaß gefunden zu haben. So hat der Schwede in der zurückliegenden Saison bei den Wettkämpfen einen Schwerpunkt auf die Stadionrunde gelegt. Für ihn ist diese Entscheidung völlig logisch: "Ich bin über die 200 Meter einfach zu langsam, um ganz vorne in der Weltspitze mitlaufen zu können."
Mit Schmerzen in die Weltklasse
Die quälenden Schmerzen in den Beinen während des Laufes interessieren ihn dabei nicht. Im Gegenteil, die längeren Tempoläufe machen ihm im Training wie auch im Wettkampf sogar mehr Spaß. "Natürlich sind die 400 Meter anstrengender und tun viel mehr weh, aber so ist eben der Sport", ist für den Blondschopf der Aspekt des "Wehtuns" auf seiner Lieblingsstrecke unerheblich. Es geht um Erfolg und dieser spricht für ihn.
Der Weltspitze hat er sich in den letzten Monaten auf der Viertelmeile immer mehr genähert. Gleich fünf Landesrekorde konnte er dort in diesem Sommer erzielen, eine tolle Bilanz.
Bei den Weltmeisterschaften im japanischen Osaka zeigte der 24-Jährige seine besten Rennen. Im Vorlauf knackte er das erste Mal in seiner Karriere die 45 Sekunden-Marke (44,94 sec), mit einer erneuten Steigerung auf 44,56 Sekunden lief er mit neuem Landesrekord ins WM-Finale und wurde dort Siebter (44,72 sec).
Zweischnellster Europäer
Nur der Franzose Leslie Djhone, Fünfter der WM, rannte als Europäer in diesem Jahr schneller (44,46 sec) als er. Zum Erreichen des WM-Finales über die 200 Meter hätte er 20,33 Sekunden laufen müssen. Der Umstieg scheint dem Hallen-WM-Zweiten von 2004 über 200 Meter also Recht zu geben.
Überraschung war es dabei in dieser Freiluftsaison keine mehr. Die Kennerszene wurde bereits im Winter auf Johann Wissmans Talent über die längere Distanz aufmerksam, als er beim Hallen-Meeting in Lievin (Frankreich) in 32,61 Sekunden eine europäische Bestleistung über die 300 Meter aufstellte. Bei der Hallen-EM in Birmingham (Großbritannien) schnupperte er dann bereits als Vierter am Treppchen.
Kein Doppelstart in Peking
Auch im kommenden Olympiajahr will sich Johan Wissman nun weiter auf die längere Strecke fokussieren. Ein Doppelstart ist in Peking (China) nicht anvisiert. Da hört der Spaß dann doch auf, auch wenn er zum Saisonabschluss beim Weltfinale in Stuttgart die 200 Meter noch in einem weiteren neuen Landesrekord von 20,30 Sekunden, der vierschnellsten zeit eines Europäers in diesem Jahr, zurücklegte.
Und so wird Johann Wissman wohl noch öfter und immer mehr über die doppelte Distanz sprinten, alles geben und erschöpft, aber mit einem Lächeln im Gesicht ins Ziel kommen. Erfolgreich obendrein. Dem Schmerz zum Trotz.