Johanna Kedzierski düst locker in die Spitze
Bei den Deutschen Hallenmeisterschaften gehörte Johanna Kedzierski sicher zu den großen Überraschungen. Im 200-Meter-Vorlauf pulverisierte sie ihre Bestleistung und lief nach 23,41 Sekunden ins Ziel. Birgit Rockmeier (LG Olympia Dortmund) musste im Endlauf alles geben und konnte einen hauchdünnen Vorsprung von fünf Hundertstel Sekunden vor der jungen Mannheimerin, die Silber gewann, ins Ziel retten.
Johanna Kedzierski startet durch (Foto: Chai)
Die Wachablösung über 200 Meter steht kurz bevor. Während die 32-jährige Birgit Rockmeier nach dieser Saison ihre sportliche Karriere beenden will, steht Johanna Kedzierski erst am Anfang ihrer Karriere. Und diese geht die 21-Jährige ganz entspannt an."Ich will in der Freiluftsaison wie in der Halle wieder vorne mitmischen, meine Hallenzeit bestätigen und vielleicht etwas schneller laufen", sind ihre bescheidenen Ziele. Dass sie Birgit Rockmeier besiegen kann, daran glaubt sie noch nicht so richtig. "Ich finde es schade, dass Birgit aufhört, ich wäre gerne nächstes Jahr gegen sie gelaufen. Dieses Jahr ist sie glaube ich noch zu stark für mich", sagt Johanna Kedzierski. Ihr Ziel ist eine Medaille bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm.
Und auch die restlichen Ziele für die Saison sind sehr bescheiden. "Die EM-Norm über 200 Meter ist noch etwas zu hoch für mich. 23,10 Sekunden traue ich mir noch nicht zu", schätzt die Deutsche Juniorenmeisterin des vorletzten Jahres die Situation ein. "Die 4x100-Meter-Staffel bei der EM ist vielleicht ein kleines Ziel. Ich versuche, mein Bestes zu geben. Wenn sie mich mitnehmen ist das super, wenn nicht ist es auch nicht schlimm."
Blackout nach Leistungssprung
Dabei hat sie schon internationale Staffelerfahrung. Die Silbermedaille bei der U23-EM im vergangenen Jahr zählt sicherlich zu ihren größten Erfolgen. Die Erfolge aus dieser Hallensaison hat sie noch immer nicht so ganz verdaut. "Ich hatte mit 23,60 Sekunden gerechnet", erzählt sie. Diese Zeit hatte sich nach den Trainingseindrücken angedeutet. "Aber mit so einem Sprung auf 23,41 Sekunden habe ich auf keinen Fall gerechnet. Ich war total außer mir danach und an den Lauf kann ich mich gar nicht mehr erinnern."
Eine Erklärung für die Steigerung hat die Mannheimerin auch gleich parat. Seit letztem Winter trainiert sie bei Rüdiger Harksen in einer Gruppe mit Kirsten Bolm, Nadine Hentschke und Anne Möllinger. "Das macht total Spaß und ist Motivation pur", erzählt sie begeistert. "Bei Kirsten kann man sich einiges abschauen. Sie ist unser aller Vorbild", sagt sie lachend.
Und dabei war ihr noch im letzten Jahr alles andere als zu lachen zu Mute. Eine Wurzelreizentzündung im Rücken verursachte starke Schmerzen. Das hat sie heute mit viel Stabilisationsübungen und physiotherapeutischer Behandlung im Griff, das Training läuft super.
Mit Anlaufschwierigkeiten zur Leichtathletik
Zuletzt war sie zwei Wochen mit ihrer Mannheimer Trainingsgruppe im südafrikanischen Stellenbosch und danach eine Woche mit der DLV-Staffel in Monte Gordo (Portugal) im Trainingslager. Dass sie keinem DLV-Kader angehört, nimmt sie locker: "Man kann auch ohne Kader schnell laufen." Johanna Kedzierski ist entspannt.
Angefangen hat sie mit Leichtathletik im Alter von sieben Jahren. Ihr Vater Andrej, der selbst ein sehr guter Weitspringer und Sprinter war, hat sie mit auf den Platz genommen. "Am Anfang hat mir das gar nicht gefallen", erzählt sie rückblickend. Ein halbes Jahr ging sie nicht mehr hin. Erst mit einer sehr guten Freundin fand sie Gefallen am Training. Schon früh kristallisierte sich ihr Talent auf den Sprintstrecken heraus.
Mit dem Cabrio zum Shopping
"Am Anfang bin ich auch noch Hürden gelaufen, aber das ging schnell mit meinem Rücken nicht mehr." Die 200 Meter sind ihre absolute Lieblingsdisziplin. "Ich liebe einfach das Gefühl, wenn man aus der Kurve auf die Zielgerade läuft" erzählt sie begeistert und man muss es ihr einfach glauben. Leichtathletik war und ist der einzige Sport, den sie je gemacht hat. "Meine Mutter hat früher Ballett gemacht, aber das war mir zu elegant", meint sie lachend.
Unterstützung für den Sport bekommt sie von ihren Eltern und auch den beiden Schwestern, die ältere hat selbst einmal Leichtathletik gemacht. Neben sechs bis sieben Trainingseinheiten pro Woche besucht Johanna Kedzierski ein Berufskolleg für Grafik und Design. Morgens um acht fängt das an und dauert meist bis 15 Uhr. "Danach bleibt manchmal Zeit für ein kleines Mittagsschläfchen", schmunzelt sie. Ab 17 Uhr steht sie dann auf dem Sportplatz und schuftet für ihr Fernziel: Die Teilnahme bei Olympischen Spielen.
Doch vorerst genießt die Mannheimerin das schöne Wetter. Neben Shopping gehört Autofahren zu ihren großen Leidenschaften. Und mit ihrem Cabrio düst sie im Sommer noch lieber durch die Gegend als im Winter. Da gibt es nur eine Sache, die noch schöner ist: Wenn sie aus der Kurve auf die Zielgerade düst.