Jubel, Trubel, Enttäuschung beim Grand-Prix-Finale
Am Samstag fand die 18. und zugleich letzte Auflage des Grand-Prix-Finales in seiner bisherigen Form in Paris statt. Die internationalen Leichtathletik-Stars untermauerten eine Woche vor dem endgültigen Schlusspunkt des Sommers, dem Weltcup in Madrid, noch einmal ihre Präsenz mit ordentlichen Leistungen, die vom überraschenden 100-Meter-Weltrekord des US-Amerikaners Tim Montgomery überstrahlt wurden. Jubel, Trubel und Enttäuschung waren die vorherrschenden Phänomene im Stade Charlety.
Tim Montgomery krönte eine perfekte Saison mit dem Rekord
Am Anfang der Saison hatten sich der Vize-Weltmeister Tim Montgomery und der bisherige Weltrekordler Maurice Greene vor den ersten Aufeinandertreffen in den heimischen Vereinigten Staaten so manchen Spruch um die Ohren gehauen und das Wort "Weltrekord" nur allzu gerne in den Mund genommen. Darauf, dass den Sprüchen Taten folgen, warteten die Sprint-Fans vergeblich. Zum Ende des Sommers knallte nun ausgerechnet der Herausforderer Tim Montgomery im Pariser Stade Charlety in einem perfekten Rennen, das Maurice Greene als Zuschauer verfolgte, 9,78 Sekunden auf die Bahn. "Das ist das Ende einer perfekten Saison für mich", stellte der US-Sprinter fest, "ich wusste dass ich in guter Form bin und es hat einfach alles gepasst." Als sein Coach Trevor Graham auf ihn zustürmte, wusste er, dass er etwas Besonderes geschafft hatte. Jetzt, wo er selbst erlebt hat, wie es ist, einen Weltrekord zu brechen, erkannte Tim Montgomery, dessen Liebesbeziehung zu Marion Jones nun endgültig offenkundig wurde: "Weltrekorde sind dazu da, um gebrochen zu werden und ich bin sicher, sie werden es alle irgendwann. Alle, außer die 19,32 Sekunden von Michael Johnson vielleicht."
Hicham El Guerrouj nimmt's gelassen
Der tragische Held in Paris war Hicham El Guerrouj. Es war im Vorfeld viel gerechnet worden. Welche Zeit ist für ihn nötig, damit er sich im Duell mit dem Dominikaner Felix Sanchez den Grand-Prix-Gesamtsieg sichert? Als beide Rennen gelaufen waren, schien der Marokkaner seine zusätzlichen 100.000 US-Dollar in der Tasche zu haben. Aber dann kam Tim Montgomery und setzte sich mit seinem Weltrekord an die Spitze der Wertung. "Ich habe den größten Respekt vor ihm", sagt der US-Sprinter, auf den 1.500-Meter-Star angesprochen.
Währenddessen nahm es Hicham El Guerrouj selbst recht gelassen: "Solche Dinge gehören eben mal zum Sport. Ich bin Athlet und ich mag den Sport auch deshalb, weil gerade Überraschungen passieren können. Hätte ich eine WM oder einen Olympiasieg verloren, wäre ich enttäuscht, aber so freue ich mich für Tim!"
Küsschen gaben die Antwort auf das offene Geheimnis
Gefreut hat sich auch Marion Jones, die Frau an der Seite von Tim Montgomery: "Es war das erste Mal, dass ich live erlebt habe, wie ein 100-Meter-Weltrekord gefallen ist. Ich freue mich wahnsinnig für Tim, weil ich ihn Tag für Tag in Raleigh im Training sehe und weiß, wie hart er arbeitet."
Sicherlich hat auch die Olympiasiegerin ihr Scherflein zum Husarenstück des Vize-Weltmeisters beigetragen. Lange wurde über ihre Beziehung spekuliert, in Paris gaben sie mit dem ein oder anderen unübersehbaren Küsschen die Antwort. Deshalb meinte Tim Montgomery auch auf das Thema befragt nur kurz und knapp: "Da gibt es kein Geheimnis."
Enttäuschter Europameister Dwain Chambers
Obwohl er den Europarekord über 100 Meter in 9,87 Sekunden eingestellt hatte, fühlte sich der britische Europameister Dwain Chambers nach dem historischen Rennen als Verlierer: "Ich bin enttäuscht, weil ich nicht gewonnen habe. Zeiten interessieren mich nicht. Was ich will, ist zu gewinnen. Und ehrlich gesagt wollte ich heute einfach diese 50.000 Dollar für den Sieg mit nach Hause nehmen."
Enttäuscht war auch Felix Sanchez. Der Weltverband IAAF hatte ihm den Weg zu einem Doppelstart über 400 Meter Hürden und die flache Stadionrunde geebnet. In seiner Paradedisziplin lief noch alles perfekt. Er gewann in tollen 47,62 Sekunden. Danach wurde er mit einer Zeit von 45,25 Sekunden nur Fünfter. "Ich bin schon ein bisschen enttäuscht, wie ich hier das zweite Rennen gelaufen bin, dafür war die Zeit über die Hürden einfach super und ich bin dort weiter unbesiegt. Ich kann sagen, dass das Jahr 2002 eine Traumsaison für mich war."