Jürgen Hingsen - Der König ohne Thron wird 50
Ohne ein großes Fest, wegen eines Umzugs nach München, begeht der frühere Zehnkämpfer Jürgen Hingsen an diesem Freitag seinen 50. Geburtstag. Der gebürtige Duisburger stellte in den Achtziger Jahren dreimal einen Weltrekord auf und gewann 1984 Silber bei den Olympischen Spielen. Bis heute hält er mit 8.832 Punkten den deutschen Rekord.

Mit Daley Thompson, von dem Jürgen Hingsen immer leicht spöttisch "Hollywood-Hingsen" gerufen wurde, hat der Deutsche erst vor kurzem eine Woche Urlaub auf Mauritius verbracht. Die Sticheleien von einst sind vergessen und Jürgen Hingsen hat dem zweimaligen Olympiasieger schon früher seinen Respekt gezollt: "Gut, Daley war für seine Sprüche immer bekannt. Er war immer jemand, der einen natürlich durch seine Provokationen aus dem Rhythmus bringen wollte. Das hat er vielleicht auch teilweise geschafft, also zumindest am Anfang. Darüber hinaus war er ein exzellenter Wettkämpfer. Also von daher war das schon `ne harte Nuss, den überhaupt zu schlagen, zumal er eben sehr sprintstark war."
Erster Weltrekord in Ulm
An einem heißen Sommertag 1982 im Ulmer Donaustadion entriss Jürgen Hingsen Daley Thompson erstmals den Weltrekord. Nach vier Bestleistungen in den ersten fünf Disziplinen brachte ein verrenkter Wirbel die Rekordjagd in Gefahr, doch im abschließenden 1.500 Meter-Lauf war er drei Sekunden schneller als nötig, um die neue Weltbestmarke auf 8.714 Punkte zu verbessern. Nicht einmal einen Monat später bei den Europameisterschaften im griechischen Athen übernahm Daley Thompson mit 8.774 Punkten wieder die Pole Position der „Könige der Leichtathleten“.
Ein Jahr später im schwäbischen Mehrkampf-Mekka Bernhausen gelang Jürgen Hingsen die Steigerung des Weltrekords auf 8.825 Punkte. Die WM in Helsinki (Finnland) beendete er jedoch wie alle sieben direkten Duelle hinter Daley Thompson. Im Vorfeld der Olympischen Spiele 1984 erzielte der Zwei-Meter-Hüne aus Duisburg die bereits erwähnten 8.832 Punkte. Doch in den USA, der Heimat von seiner damaligen Frau Jeanne Purcell, von der er sich 2004 trennte, standen Jürgen Hingsen die Nerven, ein Sonnenstich und der kaltschnäuzige Daley Thompson im Weg, um den Thron der Zehnkämpfer zu besteigen.
Unmöglich Fehlstart
Vier Jahre später in Seoul (Südkorea) mit 30 Jahren sollte das Unternehmen Gold endlich einen Abschluss finden. Doch der "deutsche Herkules" war nicht ganz fit nach Asien gereist. Das lädierte rechte Knie machte Jürgen Hingsen Sorgen vor allem im Hinblick auf seine Paradedisziplin, den Hochsprung. Mit einer 100 Meter-Zeit deutlich unter elf Sekunden, wollte er diesen möglichen Nachteil ausgleichen und sich in einen „Rausch“ hineinlaufen, der ihn durch die nächsten Disziplinen tragen sollte. Doch am Vormittag des 28. September 1988 war für Jürgen Hingsen der Wettkampf beendet, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte. Dreimal war der Deutsche zu früh gestartet und wurde dadurch „zum Depp der Nation“.
Fast 16 Jahre später erinnerte er sich in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im sprachlichen Idiom seiner Heimatstadt Duisburg an Fehlstart Nummer drei, der nur eine Tausendstelsekunde zu früh war: "Ich bleib' beim letzten aber doch extra sitzen, um bloß nicht wieder zurückgeknallt zu werden. Und ich bin sicher, dat der letzte so spät war, dat ich unmöglich Fehlstart gemacht haben kann." Alpträume, bekannte er einmal, in denen er glaubt, 100 Meter laufen zu müssen, hatte er später öfters. Nach den Spielen in Asien war Schluss mit der Karriere in den Stadien der Welt und das ganz ohne Reue: „Letztendlich, trotz aller Höhen und Tiefen, die man eben in seinem sportlichen Dasein erlebt, würde ich das sicherlich noch mal so machen.“
Vom erfolgreichen Sportler hat der „Sunnyboy der deutschen Leichtathletik“ den Sprung in ein erfolgreiches Berufsleben geschafft, das ihn jetzt mit 50 Jahren nach München zu einem der weltgrößten Versicherungs- und Finanzdienstleistungskonzerne führt. In der Liebe hat er mit der gebürtigen Sizilianerin Francesca neues Glück gefunden. Und der runde 50. Geburtstag soll natürlich auch noch gefeiert werden, spätestens im Sommer in Duisburg. Vielleicht dann auch mit Daley Thompson, der wird nämlich am 30. Juli 50 Jahre.