Khalid Khannouchi überlässt nichts dem Zufall
Der Bursche hat's nicht nur in den Beinen. Clever ist er auch. Khalid Khannouchi, der Welt schnellster Marathonläufer (2:05:38 h in London 2002), hat sich, wie das amerikanische Laufmagazin "Runner's World" berichtete, für teures Geld ein spezielles Gerät zugelegt, mit dem sich aus einem normalen Zimmer eine Unterdruckkammer herstellen lässt. Immerhin 16.000 Dollar kostet der Spaß! Khannouchi, der Favorit Nr. 1 für den Chicago-Marathon am 13. Oktober, kann damit ein Höhentraining simulieren und so auf erlaubte Weise die Anzahl der roten Blutkörperchen steigern, die beim Sauerstoff-Transport eine enorm wichtige Rolle spielen.
Khalid Khannouchi bereitet sich auf den Chicago-Marathon vor (Foto: Chai)
Khalid Khannouchi hat sich vorher über Sinn und Nutzen seiner Anschaffung schlau gefragt. "Von anderen Athleten", erklärte er, "habe ich ein positives Feedback bekommen." Paula Radcliffe, die auch in Chicago starten wird, und Elana Meyer, 1992 Olympia-Zweite über 10.000 Meter, haben ihm ihre positiven Erfahrungen ausführlich dargelegt. Das Gerät kann verschiedene Höhenlagen (Maximum: 3.500 Meter) simulieren. "Wenn ich von New York nach Albuquerque fliege, muss ich mich nicht mehr groß akklimatisieren", betonte Khannouchi, "nach zwei Tagen kann ich schon mit harten Trainingseinheiten beginnen." Im Camp des Mexikaners German Silva, dem zweimaligen Sieger des New York-Marathon, hatte er sich in 3.000 Meter Höhe auch auf sein phänomenales Rennen in London vorbereitet.Gleiche Wirkung wie durch Höhentraining
Frank Vatterott, Marketing-Direktor der Firma "Colorado Altitude Training", teilte mit, dass man pro Tag mindestens zehn Stunden (am besten vorwiegend nachts) in diesem speziellen Zimmer verbringen sollte, um den optimalen Effekt zu erzielen. Detaillierte Tests haben ergeben, dass vier Wochen bedeutend wirkungsvoller seien als drei. "Auch ohne EPO oder andere Dopingmittel", so Vatterott, "lässt sich nunmehr die gleiche Wirkung erzielen wie durch Höhentraining."
Voller Zuversicht schaut Khalid Khannouchi nach vorn. "Natürlich ist es sehr schwer, zwei Mal hintereinander eine schnelle Zeit zu laufen." Nur sechs Monate liegen zwischen den beiden Großveranstaltungen in Europa und den Vereinigten Staaten. "Ich bin bisher noch nie in einen Marathon gegangen mit dem festen Vorsatz, eine Weltbestleistung aufzustellen", drückte er die Erwartungen, die bereits wie eine Bleiweste auf seinen schmalen Schultern lasten, "bei den richtigen Voraussetzungen ist aber alles möglich."
Unter 2:05 Stunden möglich
Mit Carey Pinkowski, dem Race-Director in der "windy city" am Michigan-See, stimmt er überein, dass der Kurs von Chicago schneller ist als jener in London. Von 45 Sekunden Zeitunterschied ist die Rede. "Hier kann man unter 2:05 oder 2:04 bleiben", bemerkte Khannouchi. "Es ist eine flache Strecke! Du musst dein Tempo halten, und du kannst hier selbst in der Schlussphase noch flott laufen."
Die beiden besten 10.000-Meter-Spezialisten der jüngeren Vergangenheit, Haile Gebrselassie und Paul Tergat, hat er in der britischen Metropole eindrucksvoll geschlagen. "Du musst geduldig abwarten können", nannte der 31-jährige Khalid Khannouchi seine taktische Ausrichtung, "denn ein Marathon lässt sich nicht mit einem Bahnrennen vergleichen." Da könne unterwegs viel passieren.
Neuer "Running Hero" der Staaten
Khalid Khannouchi, der neue "running hero" in den USA, ist in Marokko geboren, hat unter anderem mit Said Aouita, dem Ex-Olympiasieger über 5000 Meter, zusammen gearbeitet. Nach der Goldmedaille bei der Studenten-WM 1993 über 5000 Meter in Buffalo kehrte er nicht mehr in seine Heimat zurück. Khannouchi blieb stattdessen in den USA und wird mittlerweile von Ehefrau Sandra trainiert, die 1995 beim Frankfurt-Marathon mit 2:45:46 Stunden ebenfalls ihre gute Ausdauer unter Beweis stellte.
Das erfolgreiche Duo hat zuletzt kräftig die Millionen gescheffelt. 255.000 Dollar bekam Khalid Khannouchi in London allein an Prämien ausgezahlt. Ohne Antrittsgage, wohlgemerkt! Den Hochgeschwindigkeitskurs in Chicago kennt er mittlerweile wie seine Westentasche. Sieben Marathonläufe hat Khannouchi in den Beinen, vier davon in der US-Metropole im Staate Illinois. Drei Mal lag er vorn. 1999 sogar mit neuer Weltbestzeit (2:05:42 h). Damals startete er noch für Marokko. Doch im Mai 2000 bekam er die US-Bürgerschaft, verpasste die Olympischen Spielen in Sydney wegen einer hartnäckigen Fußverletzung, lief dann bei der WM in Edmonton für sein neues Land und stieg wegen einer weiteren Blessur frühzeitig aus.
Paul Tergat der Gegner in Chicago
In Chicago trifft er auf hochkarätige Konkurrenz. Allen voran Paul Tergat aus Kenia, der in London Zweiter war und sich mit 2:05:48 Stunden auf die zweite Position der ewigen Weltbestenliste vorgeschoben hat. Tergat, der fünfmalige Cross-Weltmeister, präpariert sich im Kajiado-Distrikt, in der Nähe von Nairobi, für den dritten Marathon seiner Karriere. Mit dabei ist auch sein Landsmann Ben Kimondiu, der 2001 als Hase eingeplant war und dann völlig überraschend die Nase vorn hatte. John Kagwe, noch ein Kenianer, zwei Mal Erster in New York, hat seine Teilnahme ebenfalls bestätigt. Haile Gebrselassie, der in London in 2:06:35 Stunden debütierte, hat seine Marathon-Ambitionen vorerst ad acta gelegt.
An Preisgeldern werden in Chicago 500.000 Dollar ausgeschüttet. So viel wie noch nie bei einem Marathon! Den Siegern winken jeweils 100.000 Dollar. Als Zusatzprämie für eine Weltbestzeit gibt es stolze 150.000 Dollar. "Das wird ein Krimi, ein Drama", meinte Khannouchi, "ich muss verdammt stark sein, um diesen Lauf erneut zu gewinnen. Leicht wird es mit Sicherheit nicht." Ihn zu schlagen, wird allerdings auch sehr, sehr schwer werden.