Julia Fischer - „London ist mein Schicksal“
U23-Europameisterin Julia Fischer sorgte am Samstag beim Werfer-Cup in Wiesbaden für eine Überraschung. Die Berliner Diskuswerferin steigerte sich von vorher 59,60 gleich auf 64,22 Meter. Mit dieser Bestleistung konnte sie sich nicht nur für die EM in Helsinki (Finnland), sondern auch für die Olympischen Spiele in London (Großbritannien) empfehlen. Peter Bock hat mit der 22-Jährigen gesprochen.
Julia Fischer, stand Ihr Handy seit dem Samstag überhaupt noch still?Julia Fischer:
Ich habe tatsächlich viele verpasste Anrufe und SMS von Freunden und Bekannten auf meinem Handy gehabt, die sich mit mir gefreut haben. Das war sehr schön.
Wie haben Sie ihren Erfolg gefeiert?
Julia Fischer:
Ich bin nach dem Wettkampf nach Berlin zurückgefahren und da war ich schon erledigt. Ich habe dann trotzdem noch einmal mit einem Cuba Libre angestoßen und war am Tag danach mit meiner Familie essen.
Sie haben vor dem Werfer-Cup in Wiesbaden noch nie über 60 Meter geworfen, und dann gleich zum Saisonauftakt 64,22 Meter. Wie erklären Sie sich das?
Julia Fischer:
Ich hatte im vorigen Jahr mehr drauf, als ich gezeigt habe. Das hat aus verschiedenen Gründen nicht geklappt und deshalb habe ich jetzt die 60 Meter ausgelassen und direkt mit 64 Metern angefangen. Wir haben in der Vorbereitung natürlich viel an der Technik gefeilt und ich habe im Training alles gegeben.
Wie haben Sie den schwarzen Tag von Nadine Müller in Wiesbaden erlebt?
Julia Fischer:
Ich habe das schon im Wettkampf mitbekommen und das hat mir sehr leid getan. Ich mag Mülli sehr und es ist vermessen, sich mit ihr zu vergleichen. Sie hat schon 68 Meter geworfen. Das in Wiesbaden war einmalig und in Halle [Anm. d. Red.: nächster Wettkampf für Nadine Müller] wird sie den Chinesinnen zeigen, wo der Hammer hängt.
Nach so einem Saisoneinstand könnte es doch direkt mit den Europameisterschaften und den Olympischen Spielen losgehen, oder?
Julia Fischer:
Nein, das noch nicht. Ich will noch weiterarbeiten und schauen, was nach oben noch geht. Ich bin guter Dinge, dass noch mehr drin ist.
Zu Ihrer Trainingsgruppe gehören Robert und Christoph Harting, Robert Sammler, Markus Bandekow und Silvano Klee. Sie sind die einzige Frau. Macht das was aus?
Julia Fischer:
Ich bin das gewohnt, weil fast immer schon mehr Jungs als Mädchen in meiner Gruppe waren und ich bin sowieso nicht der zickige Typ, sondern eher umgänglich.
In jedem Fall gehören Sie zu einer der stärksten Wurfgruppen Deutschlands. Was ist das Geheimnis Ihres Trainers Werner Goldmann?
Julia Fischer:
Er hat ein extremes Know-How. Er weiß, wie er seine Athleten auf den Saisonhöhepunkt so vorbereitet, dass sie am Finaltag alles bringen können. Ich war dann immer in einer Top-Form und das muss man erst einmal hinbekommen.
Mit Ihrer Leistung sind Sie aktuell Zehnte in der Welt und die Nummer vier in Europa. Welche Ziele haben Sie vor diesem Hintergrund in diesem Jahr?
Julia Fischer:
Es ist noch sehr früh in der Saison und einige werden noch weit werfen, aber ich will da vorne mitmachen und mich noch steigern. Am entscheidenden Tag möchte ich Bestleistung werfen, denn darauf kommt es an. Ich bin ein Wettkampftyp und darauf vertraue ich. Allein in Europa haben wir zahlreiche starke Werferinnen und da nehme ich die EM als Generalprobe.
Wo Sie jetzt gute Chancen auf einen Olympiastart haben, finden Sie es schade, dass die Spiele in London quasi um die Ecke sind?
Julia Fischer:
Nein, ich hatte alle meine Jugendwettkämpfe in Europa und meine Schwester hat mal in London gewohnt. Seitdem habe ich einen Anhänger der Stadt an meinem Schlüsselbund und deswegen ist London wohl mein Schicksal.
Ihre Homepage ist noch auf dem Stand von 2007, als sie U18-Weltmeisterin wurden. Wo Sie jetzt in die Weltspitze vorgedrungen sind, bekommt die Seite von Ihnen demnächst einen neuen Anstrich?
Julia Fischer:
Die Idee kam damals von meiner Mutter, die technikbegeistert ist. Sie meinte, wir sollten die Domain blocken, weil es auch eine bekannte Geigerin mit meinem Namen gibt. Ich überlege mir in Zukunft, ob ich da vielleicht mehr tun sollte. Wenn ich dann mehr Klicks als die andere Julia Fischer bekomme, habe ich es wohl geschafft. (lacht)