Julia Hartmann – Perspektive Peking
"Jetzt brauch ich erst einmal meine Ruhe!" Am Ende einer langen und erfolgreichen Saison ging Julia Hartmann (TSV Bayer 04 Leverkusen) auf einen Wellness-Urlaub. Die 20 Jahre alte Hochspringerin hat ein ereignisreiches und anstrengendes Jahr hinter sich. Vereinswechsel, Abitur, Deutsche Meisterin, Europameisterschaft und zum Abschluss noch ein Start beim traditionsreichen DKB-ISTAF in Berlin, das waren wichtige Stationen.

Julia Hartmann schaffte es zur EM (Foto: Kiefner)
Mitte Juli musste Jürgen Mallow seinen Kader für die Europameisterschaften in Schweden zusammenstellen. "Feuchte Augen" bekam nicht nur Trainer Jörn Elberding, als er vom Leitenden Bundestrainer angerufen wurde. Dieser teilte ihm mit, dass Julia Hartmann zum Kader für die Europameisterschaften gehört. "Für Aufbautraining blieb kaum noch Zeit", trotzdem hofften die Hochspringerin und ihr Trainer auf das Finale. Die 1,87 Meter in der Qualifikation reichten aber nicht ganz. "Höher springen wollte ich schon, aber zumindest habe ich einige wertvolle Erfahrungen sammeln dürfen", war ihr Fazit der Tage von Göteborg (Schweden).Angefangen hat die Rheinländerin bei den Mehrkämpferinnen. Zum Sport kam sie durch eine Freundin, die sie "einfach mal mitgenommen hat". Mit 14 Jahren sprang sie im Rahmen eines Mehrkampfes 1,72 Meter hoch. Ab da begann sie sich auf die Überquerung der Latte mittels Flop zu konzentrieren. 2003 überflog sie zum ersten Mal 1,80 Meter und wurde bei den B-Jugend-Meisterschaften in Fulda Dritte.
Zu diesem Zeitpunkt startete sie für den LAV Bayer Uerdingen/Dormagen und wurde schon von Jörn Elberding betreut. Dieser musste seine Athletin überzeugen, beim Hochsprung zu bleiben, diese wollte nämlich "viel lieber Stabhochsprung und Hürdensprint machen". "Ob Training oder Wettkampf, Julia ist ein Sonnenschein, der immer gut gelaunt und mit viel Freude beim Training dabei ist", freut sich Jörn Elberding, der gleichzeitig DLV-Disziplintrainer im Stabhochsprung ist, über seine Athletin.
Sportlerin des Jahres
Nachdem Julia Hartmann 2004 in ihren Leistungen ein wenig stagnierte, purzelten im folgenden Jahr wieder die Bestleistungen. Die Grundlage dafür legte die Dormagenerin mit hartem Training im Winter, in dessen Verlauf sie "endlich mal ohne Verletzungen durchtrainieren konnte".
Bei den U20-Europameisterschaften im letzten Jahr in Kaunas (Litauen) ging es hoch hinaus. Eine überraschende Silbermedaille (1,87 m) stand am Ende für sie zu Buche. Im Anschluss sicherte sie sich in Braunschweig bei den A-Jugend-Meisterschaften ihren ersten nationalen Meistertitel. Eine besondere Auszeichnung wurde ihr durch ihre Heimatstadt Dormagen zuteil, dort wählte man sie zur "Sportlerin des Jahres 2005".
Im Januar des vergangenen Winters folgte dann der Wechsel nach Leverkusen zur Hochsprung-Gruppe von Hans-Jörg Thomaskamp. Für Jörn Elberding, der weiterhin ihr Heimtrainer blieb, der "nächste logische Schritt in der Entwicklung." Zur gleichen Zeit kam auch die Stabhochspringerin Silke Spiegelburg in den Verein, mit der sich Julia Hartmann schnell anfreundete.
Zusammen mit ihrem Trainer wollte sie im Winter Höhen um 1,87 Meter festigen. Sechsmal in der Woche trainierte sie dafür. Der Erfolg stellte sich schon bald ein, im Januar stellte sie beim Springer-Meeting in Dessau unter dem Hallendach mit 1,88 Metern eine neue Bestleistung auf.
Abitur und Deutsche Meisterschaft
Die zurückliegende Freiluftsaison begann gut für die Neu-Leverkusenerin. Im Juni übersprang sie 1,90 Meter in Cottbus und erreichte eine neue persönliche Bestleistung von 1,91 Metern bei der Domspitzmilch-Gala in Regensburg.
Mit diesen Leistungen empfahl sie sich für den Europacup in Malaga (Spanien). Dort, wo viele gestandenen Athleten enttäuschten, erreichte Julia Hartmann einen ordentlichen fünften Platz und bestätigte einmal mehr das Urteil ihres Trainers, dass sie eine "Wettkampfspringerin" ist.
Nach erfolgreich bestandenem Abitur sicherte sie sich bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm, bei denen sie von ihrem Freund im Stadion angefeuert wurde, den Titel. Als einzige meisterte sie die 1,90 Meter. Letztes Highlight war dann ein Start Anfang September beim DKB-ISTAF in Berlin. "Mit Gänsehaut am ganzen Körper" konnte sich die Deutsche Meisterin noch einmal mit der Konkurrenz aus aller Welt messen.
Erholung an der Nordsee
"Nach fast fünf Monaten, in denen ich fast nur aus dem Koffer gelebt habe, brauche ich jetzt meine Ruhe", gibt Julia Hartmann am Ende einer langen Saison zu. Suchen wird sie die gemeinsam mit ihrer Freundin Silke Spiegelburg an der Nordsee, wo die beiden bei einem Wellness-Urlaub abschalten wollen. Die 20-Jährigen sind auch abseits des Trainings oftmals gemeinsam unterwegs. "Beim Shoppen, Kaffeetrinken und Quatschen" schalten die beiden vom Trainings- und Wettkampfstress ab.
Auch ihr Trainer freut sich über die freundschaftliche Beziehung, denn "von Silke Spiegelburg kann Julia Hartmann nur profitieren, diese ist in ihren Trainingsplänen und Ernährungsplänen schon sehr professionell." Jörg Elberding richtet den Blick nach vorne, er will den Trainingsumfang von sechs auf acht Einheiten ausbauen. "Mit viel Fingerspitzengefühl" will er die angehende Bürokauffrau an die 1,95 Meter heranführen. Das wäre die WM-Norm für Osaka (Japan). Die beiden feilen daran, dass Julia Hartmann "ihre enorme Schnelligkeit technisch noch besser umsetzt" und den Weg zur Latte in Zukunft in nur neun Schritten zurücklegt.
Solange es Spaß macht
Schnell ist sie nicht nur auf dem Weg zur Hochsprung-Latte, sondern auch über die Hürden. Einmal in der Woche trainiert die Hochspringerin die Überquerung der 84 Zentimeter hohen Hindernisse. Eigentlich war für die vergangene Freiluftsaison ein Start über die 100 Meter Hürden beschlossene Sache. Aber die vielen Hochsprung-Wettkämpfe haben dafür keinen Platz gelassen. Doch die Pläne, mal über eine Hürdensprint-Distanz an den Start zu gehen, haben Trainer und Sportlerin noch nicht ad acta gelegt. In der Halle will die 1,81 Meter große Athletin diesen Winter über die 60 Meter Hürden ihr Glück versuchen und im nächsten Sommer wahrscheinlich auch über die Freiluftdistanz.
Leichtathletik will die sympathische Sportlerin "solange betreiben, wie es Spaß macht". Wenn alles glatt läuft und sie unverletzt bleibt, würde sie gerne einmal die magischen zwei Meter überspringen. Ein großes Ziel hat die 20-Jährige, die im Perspektivkader des Deutschen Leichtathletik-Verbandes für die Olympischen Spiele 2008 ist. In Peking (China) will Julia Hartmann dabei sein, am besten natürlich zusammen mit ihrer Freundin Silke Spiegelburg.