Heimvorteil München - Bayerns Asse heißer EM-Flirt
„Hallo München“, schrie Gabi Rockmeier in das Stadionmikro, das ihr Innenraummoderator Markus Othmer unter die Nase hielt. Ein Echo der Begeisterung schallte aus dem Olympiastadion zurück. Gemeinsam mit ihrer Schwester Birgit und 800-Meter-Läuferin Claudia Gesell gehörte sie in der vergangenen Woche zu dem erlesenen Kreis der bayerischen Lokalmatadoren, die beim Heimvorteil München das begeisterte Publikum der Leichtathletik-Europameisterschaft auf ihre Seite zogen und in so manch überschwänglichem Augenblick mit den Leichtathletik-Fans um die Wette klatschten oder mehr als nur ein klein wenig flirteten.
München klatscht - Claudia Gesell auch! (Foto: Kiefner)
Vor der EM hatte niemand Claudia Gesell wirklich auf der Rechnung. Im Juli kämpfte sie mit einer hartnäckigen Plantarsehnenentzündung und noch im Vorbereitungstrainingslager in Erding war gesundheitlich bei weitem nicht alles eitel Sonnenschein. Doch wenige Tage später sah ihre bayerische Leichtathletik-Welt anders aus. Nach einem Sieg im Vorlauf und einem überzeugenden Halbfinale wurde sie plötzlich als eine Medaillenkandidatin gehandelt. Um 20.46 Uhr entledigte sie sich am 8. August vor dem Finale ihres Trainingsanzugs und da stand sie auf Bahn eins. Hochkonzentriert, mit entschlossenem Blick, Handküsse in das Publikum schickend und bereit für weitere 800 Meter. Claudia Gesell erobert die bayerischen Leichtathletik-Herzen
Bereits in den ersten beiden Runden hatte Claudia Gesell die Herzen der Fans im prall gefüllten Rund des Münchner Olympiastadions erobert, keck mit ihnen geflirtet und sich ehrfurchtsvoll bedankt. Schließlich brüllten die 48.500 mitfiebernden Zuschauer Claudia Gesell, die in Regensburg lebt, mit ihrem ganz besonderen „Dankeschön“ auf den fünften Platz. „Damit hatte ich nie gerechnet“, gestand die Studentin, die bis vor nicht allzu langer Zeit noch dort, wo das Athletendorf für die EM eingerichtet wurde, gewohnt hatte und ihr Heimspiel bei der EM wie die Stimmung im Olympiastadion für sich auf den Punkt brachte: „Ich genieße das sehr!“
Weitaus weniger Zeit zum Genießen blieb den Moosburger Zwillingen Birgit und Gabi Rockmeier, denn für sie galt es, bis zu den abschließenden Staffeln am Sonntag die Konzentration zu behalten. Dafür konnten sie zwei Medaillen ernten. Mehrere Transparente auf den Rängen, die an die „Rockis“ gerichtet waren, sorgten beim Heimvorteil München für zusätzliche Motivation.
Das Publikum trieb Birgit Rockmeier überraschend in das 400-Meter-Finale und Gabi Rockmeier auf den fünften Platz über 200 Meter. Ergebnisse, die zufrieden stellten. Am letzten Tag der EM hätte dann Gabi gerne das gehabt, was Birgit in der Hand hielt. Nämlich einen Titel mit der Staffel. „Das ist sicherlich meine letzte EM, deshalb wollte ich noch einmal Gold, aber es hat leider nicht geklappt“, haderte sie ein klein bisschen mit der verpassten Chance, wie in Edmonton die Französinnen in die Sprintschranken zu weisen. Silber war’s trotzdem. Ist doch auch was...
Goldene Birgit nimmt Johannes mit auf’s Foto
Keinen Grund zum Klagen hatte dagegen ihre Schwester, die nur positive Worte für die Zuschauer fand: „Das Publikum war super fair. So etwas gibt es ganz selten.“ Trotz eines Schnupfens bestätigte Birgit Rockmeier ihre Aufstellung in der 4x400-Meter-Staffel und stürmte gemeinsam mit Florence Ekpo-Umoh, Claudia Marx und Schlussläuferin Grit Breuer zum Endlaufsieg. Zu den Fotos nach der Siegerehrung eilte dann plötzlich der kleine Johannes, Enkel von Trainer Heinz Löser, in den Innenraum und sorgte bei den Fotografen für die spannende Frage, wer er denn sei, als er sich an der Seite von Birgit Rockmeier und den anderen ablichten ließ. Ein Privileg für den Kleinen und Heimvorteil München eben...
Insgesamt fünf bayerische Athleten, über die so manches vor und während der EM geschrieben wurde, zählte man im DLV-Kader für die gerade wenige Tage vergangene Europameisterschaft. Nur kurze Auftritte hatten im Gegensatz zu Claudia Gesell, Birgit und Gabi Rockmeier die Hammerwerferin Manuela Priemer und Hürdensprinter Jan Schindzielorz. Die Qualifikation bzw. der Vorlauf bedeuteten bereits das EM-Aus. Der Frust über den „Heimnachteil“ München war aber bald verraucht. Zumindest wurden beide auf der abschließenden „Farewellparty“ am späten Sonntagabend noch gesichtet.
Ein Ruck aus Bayern
Kurze Zeit nach der Europameisterschaft in München ist weiter eine positive Stimmung zu bemerken. Ein Ruck ging durch Bayern und von der Landeshauptstadt München aus. Ein Ruck, den die Olympiapark München GmbH, der Bayerische und der Deutsche Leichtathletik-Verband nutzen wollen, damit bald mehr leistungsstarke bayerische Leichtathletik-Asse den Weg an die Spitze finden und die Chance haben, auf heimischem Terrain mit einem begeisterten Publikum auf Tuchfühlung zu gehen! Lust auf mehr davon hat die EM in jedem Fall gemacht...