Julian Reus: "Nächstes Jahr zählt nur Zürich"
Julian Reus hat für Schlagzeilen gesorgt. Der Wattenscheider Sprinter will mit dem Mythos aufräumen, dass Fußballer schneller sind als Leichtathleten und hat den Dortmunder Kicker Pierre-Emerick Aubameyang zum Duell herausgefordert. Im Interview mit leichtathletik.de spricht er aber nicht nur darüber, sondern auch über die vergangene Saison und die Ziele für 2014.

Julian Reus:
Es war schon turbulent. Jeden Tag kam irgendwie etwas Neues. Inzwischen hat es sich aber schon wieder etwas beruhigt. Jetzt muss man sehen, wie sich diese Geschichte weiter entwickelt und wann und wie das Ganze stattfindet.
Waren Sie überrascht, dass aus einem Tweet von Ihnen an Pierre-Emerick Aubameyang eine so große Sache wird?
Julian Reus:
Natürlich hatte ich auf eine Reaktion gehofft. Diese ist ein bisschen stärker ausgefallen als man gedacht hat. Dass es solche Züge annimmt und auch im Ausland auf eine so große Resonanz trifft, hat mich schon überrascht. Ich habe auch Artikel in Großbritannien, Frankreich und sogar in Sprachen, die ich gar nicht zuordnen konnte, gefunden.
Wie ist der aktuelle Stand?
Julian Reus:
Der BVB hat erst einmal für den Verlauf der Saison Nein gesagt. Das ist das gute Recht des Vereins. Nach der Saison kann Aubameyang aber machen, was er möchte. Ich hoffe, dass es sich nicht im Sande verläuft und man nach der Fußball-Saison eine schöne Aktion daraus machen kann. Es wird sich natürlich um 30 Meter handeln. Ob es rein klassisch oder fußballspezifisch wird, ob es aus einem Tiefstart passiert, das sind Fragen, die noch nicht geklärt sind. Ich hoffe, dass man zeigen kann, dass die Sportarten auch miteinander etwas machen können - und vielleicht auch für Kinder und Jugendliche. Am Ende sollte man dann auch darauf hinweisen, dass man keine Vergleiche ziehen kann, die total hinken.
War das im ZDF Sportstudio bei der Aussage des Moderators, Pierre-Emerick Aubameyang sei schneller als Usain Bolt, der entscheidende Punkt?
Julian Reus:
Es geht nicht, dass ein Sportmoderator Vergleiche zieht, die er nicht hinterfragt. Ein seriöses Sportstudio sollte das nicht so machen. So ist die ganze Aktion auch ins Rollen gekommen. In den letzten Tagen wurde dann viel geschrieben. Es war aber jetzt nicht so, dass ich nachts nicht schlafen konnte oder weinen musste, weil jemand erzählt, er sei schneller als Usain Bolt. Ich finde einfach, man soll nicht leichtfertig irgendwelche Vergleiche ziehen. Deshalb ist es jetzt gut, wenn ein Fußballer gegen einen Leichtathleten sprintet und man am Ende guckt, was dabei rauskommt. Ich glaube auch, dass es mehr sein wird als dieses Duell Mann gegen Mann und man auch drumherum etwas Schönes machen kann.
Es gibt mit Christian Blum einen Sprintkollegen, der vor ein paar Jahren mit einem solchen Duell gegen einen Fußballer auf dem grünen Rasen eher schlechte Erfahrungen gemacht hat...
Julian Reus:
Ich kenne die Geschichte. Damals soll nicht alles astrein abgelaufen sein. Ich hatte auch von einem Fehlstart gehört. Ich war aber nicht dabei und kann deshalb nichts dazu sagen.
Schwirrt Ihnen im Kopf herum, dass Sie vielleicht auch verlieren könnten?
Julian Reus:
Nein. Ich habe ein gesundes Selbstvertrauen, dass das, was ich jeden Tage mache, dann doch gut genug sein wird, um den Fußballer zu schlagen. Ansonsten müsste ich mich schon hinterfragen. Andererseits kann natürlich über 30 Meter auch viel passieren. Wenn ich aber nicht davon überzeugt wäre, dass ich gewinne, würde ich es nicht machen.
Sind Sie selbst ein Fußball-Fan?
Julian Reus:
Ja, von Eintracht Frankfurt. Ich bin in Hanau, also zwanzig Kilometer von Frankfurt entfernt geboren. Deshalb schlägt das Herz für die Eintracht. Das habe ich beibehalten.
Weg vom Fußball. Wenn man Ihre Statistik und Ihre Bestzeiten von diesem Jahr betrachtet, kann man dann sagen: ein ziemlich perfektes Jahr?
Julian Reus:
Bis auf die WM, die nicht so zufriedenstellend war, ja. Mit meinen Einzelleistungen in Moskau war ich nicht zufrieden und auch mit der Staffel wäre ein bisschen mehr [Anm. Platz vier] möglich gewesen. Wenn man im Sprint die Möglichkeit hat, nach einer Medaille zu greifen, dann ärgert einen das auch im Nachhinein noch. Davon abgesehen war der Rest natürlich bombastisch mit drei Bestzeiten und allen Sprinttiteln, die man in Deutschland im Einzel gewinnen kann.
Was konnten Sie aus diesem Jahr für die nächsten Jahre lernen?
Julian Reus:
Wir müssen uns auch im Sprint umorientieren und auch im Einzel wieder die internationalen Höhepunkte ins Visier nehmen. In den letzten Jahren war es so, dass die Qualifikation für den Höhepunkt schon das Highlight war. Ich will es für mich schaffen, dass ich nicht die Qualifikation als Höhepunkt nehme, sondern dass ich dann beim Höhepunkt die beste Leistung abrufe. Dieses Jahr war es so, dass man in Weinheim schnell läuft und dann bei der WM zwei Zehntel langsamer. Es hat faktisch eine Verschiebung der Orientierung, wo man schnell läuft, stattgefunden. Mir ist es im nächsten Jahr egal, was ich vorher bringe. Ich will mich für die EM qualifizieren und dann in Zürich meine beste Saisonleistung abliefern.
Es sorgt natürlich auch bei dem ein oder anderen für Verwunderung, wenn plötzlich wie zwischen Weinheim und Moskau zwei Zehntel fehlen...
Julian Reus:
Der Sprint lebt von Emotionen. Bei uns gibt es mehrere emotionale Höhepunkte, auf die man sich konzentrieren muss. Es geht darum, die Norm zu laufen. Es geht darum, sich in die Staffel zu laufen. Dann hat man die Deutschen Meisterschaften. Dann hat man Weinheim, wo man weiß, man ist gut drauf und kann viel erreichen. Dann steht man bei der WM. Irgendwann ist es so, dass man sich nicht mehr auf so viele Dinge fokussieren kann. Aber auch dort muss man emotional frisch sein. Das ist das, was man lernen und fürs nächste Jahr umsetzen muss. Für die EM sollte die Norm keine Rolle spielen. Man muss sich intern in Deutschland durchsetzen. Das traue ich mir auch zu. Es geht dann darum, in Zürich im Einzel die Leistung abzurufen. Man sollte sich darauf konzentrieren, dass die EM das Highlight ist im nächsten Jahr.
Haben Sie für die EM ein bestimmtes Ziel im Auge?
Julian Reus:
Ich will dort meine beste Leistung abrufen. Wenn ich das mache, dann muss man sehen, was dabei rauskommt. Man kann dann auch ein gutes Wörtchen mitsprechen, vor allem auch über 200 Meter. Dort ist die Leistungsdichte nicht ganz so krass. Das Niveau im Sprint in Europa hat sich insgesamt deutlich entwickelt. Es gibt vier, fünf Leute, die über 100 Meter unter zehn Sekunden und über 200 Meter unter 20,30 Sekunden laufen können. Auch in den Staffeln ist das Niveau zusammengerückt. Wenn wir aber auch dort den entscheidenden Schritt machen, dann ist auch sicherlich wieder eine Medaille möglich. Wir sind gut eingespielt und haben uns auf einem Niveau stabilisiert, mit dem wir immer eine gute Rolle spielen können.
Glauben Sie auch, dass im nächsten Jahr ein deutscher Sprinter über 100 Meter unter zehn Sekunden bleibt?
Julian Reus:
Ich orientiere mich nicht daran, das laufen zu wollen. Entweder es passiert oder es passiert nicht. Für mich zählt nächstes Jahr nur Zürich. Das ist für mich wichtig.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zum Stand für den Winter. Sie haben gerade einen Bundeswehrlehrgang hinter sich. Wie sieht es mit dem Training und der Form aus?
Julian Reus:
Während des Bundeswehrlehrgangs war das Training nur eingeschränkt möglich. Gerade, was die Qualität anging. Ich habe mir weiter noch keine großen Gedanken gemacht. Es ging erst einmal darum, diesen Lehrgang zu absolvieren und gesund raus zu kommen. Jetzt kommt noch Weihnachten. Ich werde erst einmal sehen, dass ich wieder in meinen normalen Rhythmus reinkomme. Man muss dann gucken, wie im Januar die Einheiten verlaufen, welche Erwartungen ich an die Wettkämpfe haben kann und wann ich in die Hallensaison einsteige.