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Julian Reus schmiedet nach Schulterverletzung wieder neue Pläne

Der Deutsche 100-Meter-Rekordler Julian Reus hatte in diesem Jahr viel Verletzungspech. Doch der Heilungsprozess nach seiner Schulter-OP verläuft planmäßig und der Optimismus ist zurück. Eine Hallensaison ist vorgesehen, unter Druck setzen will sich der Erfurter aber nicht. Er plant langfristig mit Doha und Tokio.
Jane Sichting

Es sollte bei den Europameisterschaften im Berliner Olympiastadion der Auftakt für das große Finale werden. Als am frühen Sonntagabend der Startschuss für die 4x100 Meter-Vorläufe der Männer fiel, liefen die 42.350 Zuschauer noch einmal zur Höchstform auf. Auf der Bahn bot sich ein spannendes Rennen, auch das deutsche Team sprintete vorn mit. Doch gerade als der letzte Wechsel gelungen war und Lucas Jakubczyk (SCC Berlin) auf der Zielgeraden den Kampf um einen Finalplatz aufnehmen wollte, kam er plötzlich zu Sturz und riss auch Julian Reus (LAC Erfurt Top Team) mit zu Boden.

„Es ging alles sehr schnell. Ich habe noch versucht, nicht auf Lucas drauf zu treten und die Füße auf die Bahn zu bekommen“, erinnert sich der Thüringer. Als er sich nicht mehr halten konnte, versuchte er sich abzurollen: „Das ist mir ja auch gelungen. Nur wirken bei der hohen Geschwindigkeit, die wir im Sprint drauf haben, einfach enorme Kräfte. Da kann auch schnell etwas kaputt gehen.“ Obwohl er direkt den Schmerz in der Schulter spürte, hatte er zunächst die Hoffnung, sie sei nur ausgekugelt. Noch in den Katakomben bekam er die Diagnose: Schultergelenksprengung.

Nach Schulter-OP vier Wochen lang Ruhe

Den ersten Kontakt zu seinem Staffelkollegen Lucas Jakubczyk hatte er bereits wenige Stunden nach dem Unfall noch aus der Berliner Klinik heraus, in die er mit einem Krankenwagen gebracht wurde. „Während ich auf der Liege zum Röntgen gewartet habe, haben wir per Videotelefonie miteinander gesprochen“, erzählt er.

Die Frage nach der Schuld stellte sich für den 30-Jährigen jedoch gar nicht erst. Schon die Vorzeichen mit der Laufeinteilung auf Bahn eins waren ungewohnt. Hinzu kamen die Neubesetzungen von Position eins und zwei mit den jungen Sprintern Kevin Kranz (Sprintteam Wetzlar) und Patrick Domogala (MTG Mannheim). „Die haben ihren Job bei der EM super gemacht. Und dann passiert ausgerechnet Lucas und mir als den Erfahrenen dieses Schicksal“, blickt Julian Reus etwas wehmütig zurück. „Nächstes Jahr greifen wir neu an und zeigen, was wir können“, schiebt er kämpferisch hinterher.

Seine Schulter wurde nur drei Tage nach der EM operiert. „Danach habe ich eine Armschlinge getragen und musste vier Wochen absolute Ruhe halten“, verrät er. Auch seine Bänder waren in Mitleidenschaft gezogen und eine Bewegung der rechten Schulter nicht möglich. „Daher musste ich alles mit links machen, was nach etwas Übung auch erstaunlich gut funktionierte“, lacht er. Inzwischen kann er die Belastung allmählich wieder steigern und befindet sich in einer intensiven Reha-Phase. Wenn der Heilungsprozess weiterhin planmäßig verläuft, rechnet er damit, dass die Schulter in vier bis sechs Wochen wieder komplett belastbar ist.

Trainingslager in Südafrika mit DLV-Team geplant

Dass die Verletzung langfristige Auswirkungen hat, befürchtet Julian Reus nicht. „Nach der EM wäre ich bis Anfang Oktober ohnehin in die Saisonpause gegangen. Geändert hat sich hingegen, wie ich wieder mit dem Training angefangen habe. Zusammen mit meinem Trainer und Physiotherapeuten haben wir aber einen guten Weg gefunden“, berichtet der Deutsche 100-Meter-Rekordler.

Ende November will er so weit sein, um in Südafrika gemeinsam mit seinen Sprintkollegen im DLV-Trainingslager in hoher Qualität trainieren zu können. Bis er wieder zu 100 Prozent sprinten kann, rechnet er allerdings noch mit viel Arbeit und Zeit, die er seinem Körper auch geben will: „Die größte Herausforderung besteht ohnehin darin, die letzten Prozentpunkte herauszuholen.“

Entsprechend will er sich auch nicht unter Druck setzen und konkret festlegen, wann und wo er in der Hallensaison auf der Bahn stehen und sein erstes Rennen bestreiten wird. „Wir werden die Hallensaison zwar planungsmäßig angehen, aber erst auf dem Weg dahin entscheiden, ob und wann ich Wettkämpfe laufe“, verrät er. Wichtiger als etwa der Gedanke an seinen deutschen Rekord über 60 Meter (6,52 sec) aus dem Jahr 2016 ist ihm aktuell die Heilung der Schulter sowie auf einem hohen Niveau zurückzukommen.

Schon vor dem Sturz "durch die Saison geschleppt"

Gelingt es dem Sprinter, gesund durch die Vorbereitung zu kommen, möchte er spätestens im Sommer an seine alten Leistungen anknüpfen. „Dieses Jahr ist mir das leider aufgrund einer Vielzahl an Problemen nicht gelungen“, gibt er zu. Seit März machte ihm sein Körper immer wieder einen Strich durch die Rechnung: erst schmerzte die Knochenhaut am Schienbein, dann streikte der Oberschenkel und schließlich bremste ihn die Kniekehle aus.

„Ich habe mich mehr durch die Saison geschleppt, als dass ich richtig angreifen konnte. Umso mehr hat es mich gefreut, dass es mit der EM-Quali dann doch noch geklappt hat und ich bei den Deutschen Meisterschaften immerhin zu Silber gelaufen bin.“ Und das, obwohl er zwischenzeitlich sogar seine Startposition ändern und das rechte Bein nach vorn stellen musste. Zwar konnte er bei der EM wieder in der gewohnten Haltung starten, zufrieden war er mit seinem Auftritt über 100 Meter aber genauso wenig wie mit der Sommersaison insgesamt. „Das mache ich 2019 besser“, stellt er klar.

Planung geht bis Tokio 2020

Bereits jetzt plant er mit den Weltmeisterschaften in Doha (Katar; 27. September bis 6. Oktober 2019) als Saisonhöhepunkt, wenngleich er es als extreme Herausforderung sieht, die Leistungsfähigkeit bis in den Herbst hinein aufrecht zu halten: Nach der Halle stehen bereits im Mai die World Relays in Yokohama (Japan) an, bei denen sich die zehn bestplatzierten Staffeln direkt für die WM qualifizieren. Anfang August sind dann wiederum schnelle Zeiten auf der Einzelstrecke gefragt, wenn es bei der DM in Berlin (3./4. August) um die Medaillen und die WM-Qualifikation geht.

Langfristig hat sich Julian Reus das Ziel gesetzt, bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio (Japan) zu starten. „Das ist definitiv Bestandteil der Gesamtplanung “, sagt er. Alles was darüber hinausgeht, sei vollkommen offen. Ein Einstieg ins Berufsleben ist für Julian gleichermaßen denkbar, wie eine Fortsetzung der Leistungssport-Karriere. „Da muss ich dann einfach zu gegebener Zeit abwägen“, sagt er. Momentan konzentriert sich der Vater einer kleinen Tochter ausschließlich auf den Sport und fühlt sich mit Training, Physiotherapie, Reha und seinem Familienleben gut ausgelastet.

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