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Julian Weber – Mit voller Wucht in die Weltspitze

Zwei Würfe jenseits der 88 Meter und die erste Olympia-Teilnahme – davon hatte Julian Weber vor der Saison allenfalls geträumt. Der frühere U20-Europameister, erst 22 Jahre jung, hat sich in diesem Jahr auf Platz vier der Welt katapultiert. Ein langer Aufbau und der späte Einstieg ins Techniktraining setzten in der zweiten Saison-Hälfte ungeahnte Kräfte frei. 2017 will der Mainzer Speerwerfer unter anderem auf große Diamond League-Tour gehen.
Pamela Ruprecht

London, Zürich, Paris. Diese drei Stationen reichten Julian Weber in diesem Sommer, um Rang drei der Diamond League-Gesamtwertung zu belegen. Der Speerwerfer hat Gefallen am Reisen und am Kampf gegen die Besten der Welt gefunden, und er will das weiter ausbauen. „Nächstes Jahr will ich die Diamond League so komplett wie möglich mitnehmen“, sagt der U23-Athlet.

Aufregung positiver und negativer Art gab's in der vergangenen Saison bei einem vergleichsweise kurzen Trip, am 3. September nach einer Reise vom Trainings- und Heimatort Mainz nach Berlin: Julian Webers Gepäck kam nicht an – inklusive der Wettkampf-Kleidung. Es half ihm der Olympiasieger. Thomas Röhler (LC Jena) borgte Julian Weber auf die Schnelle Schuhe und Trikot. Denn ein langes Warten auf den Koffer am Flughafen wäre zeitgleich auf den Beginn der Speerwurf-Show beim Berliner ISTAF gefallen. Mithilfe seines Teamkollegen war der Mainzer dann doch noch rechtzeitig zum Aufwärmen im Berliner Olympiastadion.

Bestleistung zum Saisonabschluss

Und dort präsentierte er sich in Topform: 88,29 Meter im zweiten Durchgang – Bestleistung im letzten Wettkampf der Saison, nachdem Johannes Vetter (LG Offenburg) mit 89,57 Metern vorgelegt hatte. Schon bald könnte Thomas Röhler nicht mehr der einzige deutsche 90-Meter-Werfer sein. „Die 90 Meter sind auf jeden Fall das allergrößte Ziel“, sagt Julian Weber. Mit gerade erst 22 Jahren hat er noch viel Zeit, dieses Ziel zu erreichen.

Der U20-Europameister von 2013 macht im Olympia-Jahr 2016 einen Quantensprung. Die nur zentimeterweisen Steigerungen um die 82-Meter-Marke fanden bei der DM in Kassel endlich ein Ende und wandelten sich in Meter-Fortschritte. „Bei den Deutschen Meisterschaften ist der Knoten geplatzt“, erinnert sich Julian Weber. Rang zwei und Olympianorm mit 83,79 Meter. "Dann habe ich richtig losgelegt." Ab da ging es steil nach oben.

Der Schnitt seiner besten zehn Würfe aus 2016 sollte am Jahresende bei 85 Metern liegen. Mitverantwortlich dafür neben dem ISTAF-Ergebnis sind 86,83 Meter in Turku (Finnland; 29. Juni), 88,04 Meter in Offenburg (10. Juli) und nach den Olympischen Spielen in Rio 87,39 Meter in Saint-Denis (Frankreich; 27. August).

Wertvolle Erfahrung in Rio

Diese Entwicklung führte Julian Weber bis ins Olympia-Finale, für das er sich in Rio mit nur einem Versuch (84,46 m) als Sieger der Gruppe A qualifiziert hatte. Im Finale ("der Trumpf oben drauf“) kam zu der sonst gewohnten Lockerheit doch Nervosität auf, als Neunter musste der Speerwerfer im Endkampf schließlich zuschauen. Die richtige Erklärung hat er bis heute nicht gefunden. Dennoch: „Das war ein krasser Anfang in die Weltspitze.“ Und eine wertvolle Erfahrung mit positiver Wirkkraft für die weitere Karriere.

Negative Schlagzeilen musste Julian Weber kurz vor Beginn der Freiluft-Saison im April hinnehmen. Bis in die Bild-Zeitung war eine Autofahrt unter nicht mehr zulässigem Alkoholeinfluss des damals noch 21-Jährigen geraten. Das soll nicht mehr passieren. „Einer von vielen Punkten, in denen ich nochmal ein Stück professioneller geworden bin“, erklärt Julian Weber.

Exponenzielle Entwicklung

Nach einem langen und harten Aufbautraining bis Februar hatte er in der zurückliegenden Saison erst spät mit dem Techniktraining und der Entwicklung der speziellen Kräfte wie Schnell- und Explosivkraft begonnen. „Das hat mir wirklich gut getan, da war ich extrem fit.“ So kam die volle Entfaltung im Saisonverlauf auch erst spät, aber gerade noch rechtzeitig für Olympia. Ein neuer fester Anlauf, den er zuvor ständig variiert hatte, gab ihm im Wettkampf zusätzlich Sicherheit.

„Das war allein schon so unglaublich, dass ich überhaupt solche Weiten geworfen habe.“ Und dann noch das nicht einfache Unterfangen, sich gegen die starke nationale Konkurrenz durchzusetzen. „Damit hatte ich Anfang des Jahres niemals gerechnet. Ich bin total froh, dass ich diese Möglichkeit bekommen habe.“ Dass er mehr als die 81 oder 82 Meter drauf hatte, wusste er allerdings.

Schon wieder startklar für die Vorbereitung auf 2017

Bei seiner Motivation kann es schon mal vorkommen, dass Julian Weber fast auf der Nase liegt. Mit vollem Körpereinsatz geht er in sein Wurfgerät. Nach erfolgtem Abwurf gibt es zwei Schluss-Varianten, die beide schon über die 88-Meter-Marke geführt haben: Bauchlandung (<link https: www.facebook.com julianweberofficial _blank>Video zum Wurf von Offenburg) oder technisch gut ausgeführter Stemmschritt, der ihn in der Senkrechten hält (<link https: www.youtube.com _blank>Video zum Wurf von Berlin) – die idealere Variante.

Der Deutsche U23-Meister von 2014 sieht in vielen Bereichen noch Potenzial. Sowohl was Technik („da kann ich noch einiges machen“) als auch Kraft („da hänge ich wie bestimmt Thomas Röhler auch den anderen ein bisschen hinterher“) betrifft. Nach einer dreiwöchigen Pause ist in diesen Tagen die Vorbereitung auf 2017 gestartet. „Ich bin schon wieder topmotiviert und so entspannt, dass ich wieder voll durchstarten kann“, zeigt sich Julian Weber entschlossen.

Dieses Jahr stellte der DLV-Kader der Speerwerfer die Nummer eins, zwei und vier der Weltbestenliste. Nur drei der zehn weitesten Würfe kamen nicht vom DLV-Trio Röhler-Vetter-Weber. Zwei davon gingen auf das Konto des Mainzers, der vom Europa-Verband nicht umsonst als „Rising Star 2016“ zur Wahl steht. Läuft es bei Julian Weber so weiter, könnte es nächstes Jahr in London zwei Stopps geben: das Diamond League-Meeting und die Weltmeisterschaften.

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