Kadernominierung - Welche Kriterien zählen?
Ein Ziel, das viele Athleten im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) haben, ist die Nominierung für einen Bundeskader. „Die Kaderzugehörigkeit zum DLV-Topteam ist an die Mindestprognose der erweiterten Finalfähigkeit eines Athleten bei den Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften gebunden", erklärt Cheftrainer Idriss Gonschinska im Gespräch mit leichtathletik.de. "Die Zugehörigkeit zum B-Kader (ab 25 Jahre) orientiert sich an der Zielstellung der erweiterten Finalfähigkeit (Platz 1 bis 12) eines Athleten bei den Europameisterschaften im laufenden Olympiazyklus."
Idriss Gonschinska, wie wird strategisch die Berufung in einen Bundeskader beim Deutschen Leichtathletik-Verband eingeordnet?
Idriss Gonschinska:
Die Berufung zu einem Bundeskader ist in die strategische Zielsetzung der Olympischen Leichtathletik zu den internationalen Meisterschaften der Männer und Frauen, das heißt, Olympische Spiele, Weltmeisterschaften und Europameisterschaften, einzuordnen. Bei den Weltmeisterschaften und den Olympischen Spiele will der DLV in der Nationenwertung weiterhin zu den Top-Sechs-Nationen in der Welt gehören und in Europa eine führende Stellung einnehmen. Die internationalen Nachwuchsmeisterschaften und insbesondere die U23-Europameisterschaften sind im Kontext der Neuformierung der A-Nationalmannschaft und der Absicherung eines langfristigen Leistungsaufbaus talentierter Nachwuchsathleten zu bewerten.
Welche Kriterien muss ein Athlet erfüllen, um für den Bundeskader nominiert zu werden?
Idriss Gonschinska:
Wir fördern Athleten in unterschiedlichen Kategorien entsprechend der Kaderbildungsrichtlinien und der Kaderrichtwerte. Zum Beispiel ist die Zugehörigkeit im DLV-Topteam an die Mindestprognose der erweiterten Finalfähigkeit eines Athleten bei den Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften gebunden, die Zugehörigkeit zum B-Kader (ab 25 Jahre) an die Prognose der erweiterten Finalfähigkeit eines Athleten bei den Europameisterschaften. Insofern kommt der Erfolgsprognose bei den internationalen Meisterschaften in der sportfachlichen Bewertung eines Athleten, neben der Orientierung an den altersbezogenen Kaderrichtwerten, eine besondere Bedeutung zu. Zudem ist die Integration in einen Bundeskader an die kooperative Zusammenarbeit mit dem Förderpartner (DLV), die Einhaltung der Athletenvereinbarungen und eine sportfachliche Zusammenarbeit gebunden.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Bundestrainern aus?
Idriss Gonschinska:
Sportfachlich gibt es eine regelmäßige Zusammenarbeit in den DLV-Trainerteams und mit den Spezialisten der Kompetenzteams, einen kontinuierlichen Informationsaustausch auf der Grundlage von Jahresplanungsgesprächen, einer individuellen Saisonplanung zur optimalen Gestaltung der Trainings- und Regenerationsprozessesse, der Wettkampfplanung sowie des Gesundheitsmanagements. Insbesondere bei Athleten, die eine besondere Unterstützung durch die Bundeswehr oder Bundespolizei erhalten, sind die Prozesse der Zusammenarbeit - in der Verantwortung gegenüber den dem öffentlichen Geldgeber - besonders intensiv zu gestalten.
Welche Rolle spielt in einer Individualsportart der Begriff Teamwork?
Idriss Gonschinska:
Die Analyse der Betreuungssituationen der internationalen Topathleten verdeutlicht, dass Weltspitzenleistungen nur sehr selten ohne die Unterstützung durch ein kompetentes Team zu entwickeln sind. Zur Realisierung der Leistungs- und Erfolgsziele des DLV bei den internationalen Meisterschaften und vor dem Hintergrund der stetigen Zunahme der Wettbewerbsdichte erscheint uns ein regelmäßiger Fachaustausch zur Optimierung der Trainingsprozesse und der Erweiterung der grundlegenden Handlungskompetenz in der Betreuung von Athleten durch Teamwork als sinnvoll und nahezu unabdingbar.
Warum wurde zum Beispiel der Deutsche Hochsprung-Meister 2013, Matthias Haverney (Dresdener SC), der gegenüber der Sächsischen Zeitung seinen Rücktritt bekannt gegeben hat, nicht weiterhin in der Spitzensportförderung der Bundespolizei bestätigt?
Idriss Gonschinska:
Matthias Haverney konnte sich im zurückliegenden Olympiazyklus für keine internationale Freiluftmeisterschaft qualifizieren. Sein einziger internationaler Start erfolgte bei den Hallen-Europameisterschaften 2013 in Göteborg, wo er sich mit einer einmaligen Leistung von 2,26 Metern qualifizierte und in der Qualifikation der Hallen-Europameisterschaften ausschied. Er platzierte sich zudem in keinem Jahr unter den Top 16 in der europäischen Bestenliste. Seine letzte internationale Meisterschaftsplatzierung geht auf das Jahr 2005 bei der U23-EM zurück, wo er im Hochsprung Platz fünf belegte. In der gesamten Saison 2013 konnte er, abgesehen von seinem Ergebnis von 2,26 Metern am 25. Januar 2013 in Dresden, keinen Wettkampf oberhalb einer Leistung von 2,22 Metern gestalten.
War ein Grund der Nichtnominierung für den Kader Haverneys Leistungsentwicklung seit 2006?
Idriss Gonschinska:
Im Zeitfester von 2005 bis 2013 gelang es ihm nur bedingt, sein für einen 20-Jährigen als beachtlich zu wertendes Leistungsniveau von 2,25 Metern weiterzuentwickeln. Anzumerken ist jedoch, dass Matthias Haverney seit 2007 immer wieder von Verletzungen in seiner Leistungsentwicklung beeinträchtigt wurde. Seine Bestleistung erzielte er mit 2,28 Metern im Jahr 2011. Letztmalig erreichte er den DLV-B-Kaderrichtwert im Jahr 2007. Vor diesem Hintergrund konnte ein weiterer Verbleib in der Spitzensportförderung der Bundespolizei nicht mehr befürwortet werden, nachdem in den Jahren von 2009 bis 2013 zur Absicherung seiner Förderung Ausnahmeregelungen getroffen wurden. Zum besseren Verständnis der Einordnung der Spitzsportförderung der Bundespolizei kann die Analyse des Leistungsniveaus der in diesem Programm geförderten Athleten aus anderen Sportarten herangezogen werden. Trotz der notwendigen Beachtung von verletzungsbedingten Störungen müssen im Hochleistungssport in einem vergleichbaren Zeitraum die internationale Konkurrenzfähigkeit und eine adäquate Leistungsentwicklung als Grundlage für die Spitzenförderung gegeben sein.