| Interview der Woche

Kai Kazmirek: „Wollte Deutschlands bester Zehnkämpfer werden“

Mit einem Meetingrekord über 400 Meter, einer Bestmarke im Weitsprung und einer deutschen Jahresbestleistung im Zehnkampf hat Kai Kazmirek das Stadtwerke Ratingen Mehrkampf-Meeting gewonnen. Mit 8.444 Punkten sicherte sich der 28-Jährige zudem die Olympia-Norm für Tokio 2020. Wir sprachen mit dem WM-Dritten über den Wettkampf, seine Gesundheit und den Weg zur WM in Doha.
Jane Sichting

Kai Kazmirek, Glückwunsch zu Ihrem Sieg beim Zehnkampf in Ratingen mit starken 8.444 Punkten. Wie blicken Sie auf das Wochenende zurück?

Kai Kazmirek:

Im Großen und Ganzen war es doch recht positiv. Am Ende liefen der Speerwurf und die 1.500 Meter nicht mehr ganz so, wie ich mir das erhofft habe. Aber es waren viele Highlights dabei. Der Weitsprung, die 400 Meter und auch der Stabhochsprung waren super. Auch die Hürden waren klasse. Wir wissen jetzt, was meine Stärken sind und woran wir arbeiten müssen.

Im Hochsprung mussten Sie aufgrund von Problemen mit der Achillessehne einige Punkte liegen lassen, wohingegen der Weitsprung mit persönlicher Bestleistung von 7,74 Metern blendend lief. Wie erklären Sie sich das und wie geht es dem Fuß?

Kai Kazmirek:

Dem Fuß geht es nicht gut. Ich kann seit Februar keinen Hochsprung und Weitsprung trainieren. Der Fuß tut immer wieder weh. Beim Zehnkampf in Götzis habe ich drei Sprünge gemacht und das war's. Ich wusste bei meiner Anreise nicht einmal mehr, was mein Anlauf ist. Geklappt hat es dann nur über die Geschwindigkeit, das Adrenalin und ein super Publikum. Zudem ist Weitsprung etwas anderes als Hochsprung, wo der Fuß von Sprung zu Sprung immer mehr weh tut. Einmal in die Grube springen geht dann doch noch irgendwie.

Sie haben Götzis bereits angesprochen. Da hatten Sie nach einem guten Start einen eher schwächeren zweiten Tag. Was haben Sie daraus gelernt und in Ratingen besser gemacht?

Kai Kazmirek:

Der Stab ist nicht gebrochen, das waren schon mal 100 Punkte mehr (lacht). Das ist einfach Pech, wenn so etwas passiert. Danach ist man ein bisschen geflasht und am Zittern. Die Gedanken kreisen nicht mehr nur um den Wettkampf. Das lief am Sonntag zum Glück alles gut.

Über 400 Meter haben Sie am Samstag zum Abschluss des ersten Tages mit 46,81 Sekunden einen Meetingrekord aufgestellt. Wie haben Sie es geschafft, nach so einem kräftezehrenden Rennen über Nacht wieder fit zu werden?

Kai Kazmirek:

Wichtig ist es, schnellstmöglich etwas zu essen. Weil der Körper erst dann mit der Regeneration startet. Auch der Gang in die Eistonne war ganz wichtig – da war ich sicherlich zehn Minuten drin. Nach der Physiotherapie habe ich um 21:00 Uhr versucht, schlafen zu gehen – auch wenn ich starke Schmerzen hatte, aber das gehört zum Sport dazu.

Die Eistonne war in der Hitze am Wochenende mit bis zu 37 Grad sicherlich eine willkommene Abkühlung. War der Wettkampf unter diesen Bedingungen denn auch ein guter Test für die WM in Doha, wo ähnlich hohe Temperaturen erwartet werden?

Kai Kazmirek:

Ich denke schon, aber wir haben ja auch noch ein bisschen Zeit, um uns darauf vorzubereiten.

Wie sieht Ihr Fahrplan bis zur WM Ende September aus? Werden Sie Anfang August bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin am Start sein?

Kai Kazmirek:

Die Deutschen Meisterschaften mache ich auf jeden Fall mit, je nachdem, in welchen Disziplinen ich die Quali habe. Die Normen sind in diesem Jahr sehr üppig. Schön wäre es, nochmal im Weitsprung und über die Hürden an den Start zu gehen. Vielleicht auch mit der Staffel, mal schauen, wie die Achillessehne hält.

Ist auch noch einmal ein Trainingslager oder Urlaub geplant?

Kai Kazmirek:

Beides. Ich werde jetzt erst einmal was für die Uni machen, das habe ich ein bisschen schleifen lassen und muss in diesem Semester noch eine Hausarbeit abgeben, zwei Prüfungen schreiben und zwei praktische Prüfungen ablegen. Dann werde ich versuchen, drei oder vier Tage in den Urlaub zu fahren, um etwas runter zu kommen und die Zeit zu genießen – vielleicht sogar zusammen mit meinem Trainer. Und dann geht es noch einmal mit dem DLV ins Trainingslager.

Bei der WM 2017 waren Sie Dritter. Was ist die Zielstellung in diesem Jahr?

Kai Kazmirek:

Man weiß nie, wie die Konkurrenz drauf ist. Auf jeden Fall werde ich versuchen, Spaß zu haben und die Atmosphäre zu genießen. Wenn alles so läuft, wie ich es mir vorstelle, dann dürften Punktzahlen in Regionen von 8.400 bis 8.500 drin sein. Was das dann am Ende bringt, weiß ich jetzt noch nicht. Ich kann die Konkurrenz nicht beeinflussen, die machen ihr eigenes Ding.

Momentan dominiert der Weltrekordhalter Kevin Mayer aus Frankreich mit 9.126 Punkten aus dem letzten Jahr die Konkurrenz, auch der Kanadier Damian Warner hat eine Bestleistung von 8.795 Punkten. Wie sehen Sie Ihre Chancen, ebenfalls in solche Sphären vorzudringen?

Kai Kazmirek:

Ich denke schon, dass ich die Beiden ärgern kann. Wenn ich es schaffe, im Hochsprung und im Speerwurf an meine Bestleistungen anzuknüpfen und über die 1.500 Meter fünf Sekunden schneller laufe, dann bin ich schon im Bereich von 8.600 Punkten. Das sind Zahlen, mit denen kann man arbeiten.

Die letzte Saison verlief für Sie alles andere als gut und Sie mussten auch auf die Heim-EM in Berlin verzichten. Jetzt führen Sie die deutsche Bestenliste im Zehnkampf an. Wie haben Sie dieses starke Comeback geschafft?

Kai Kazmirek:

Durch meinen Trainer Jörg Roos, den ich sehr schätze und der einfach perfekt auf mich abgestimmt ist – und ich auf ihn. Wir sind einfach ein super Team und genau das macht den Erfolg, glaube ich, aus. Ein bisschen individuelle Freiheit und dann fordern und gefordert werden.

Mit Ihren 8.444 Punkten lagen Sie auch 94 Punkte über der Olympia-Norm für Tokio 2020, die Sie vorher als Ziel ausgegeben haben. Wie erleichtert sind Sie nach dem Ergebnis?

Kai Kazmirek:

Das beruhigt mich jetzt nicht unbedingt mehr. Ich bin jemand, der gern mit Druck arbeitet. Ich bin einfach froh, dass ich momentan bester Deutscher bin und würde gerne meinen Trainer Jörg Roos mit zur Weltmeisterschaft nehmen. Das ist im Zehnkampf immer etwas ganz Besonderes. Wenn man in zehn Disziplinen von jemand anderem gecoacht wird, ist das doch schwierig.

Hat sich dann auch die Favoritenrolle in Ratingen positiv auf Ihre Leistung ausgewirkt, wenn Sie sagen, dass Sie gern unter Druck stehen?

Kai Kazmirek:

Natürlich auch. Ich wollte unbedingt wieder Deutschlands Bester werden, so wie letztes Jahr, und ich gehe jetzt mit einem guten Ergebnis in die Weltmeisterschaften. Dort werde ich versuchen, die Punktzahl noch ein bisschen zu verbessern – insbesondere in den letzten beiden Disziplinen und im Hochsprung. Wenn das läuft, sind auch ganz andere Punkte-Regionen wieder möglich.

Spielt denn mit der Erfüllung der Olympia-Norm auch schon die Vorbereitung auf Tokio 2020 eine Rolle für Sie oder liegt der Fokus ganz auf der WM?

Kai Kazmirek:

Die volle Konzentration liegt auf Olympia, die WM ist Nebenschauplatz. Einfach aus dem Grund, weil die WM an so einem ungünstigen Termin stattfindet und es die Olympischen Spiele nur alle vier Jahre gibt. Von einer WM habe ich schon eine Medaille, mir ist aber wichtiger, bei Olympia eine Medaille zu gewinnen. Deswegen werde ich die Priorität darauf legen.

Mehr:

<link news:70247>Zehnkampf Tag 1: Von Disziplin zu Disziplin
<link news:70250>Zehnkampf Tag 2: Zehnkämpfer Kai Kazmirek dominiert in Ratingen mit 8.444 Punkten
<link news detail ratingen-2019-tag-1-siebenkampf-von-disziplin-zu-disziplin>Siebenkampf Tag 1: Von Disziplin zu Disziplin
<link news detail verena-preiner-kroent-ratinger-siebenkampf-mit-oesterreichischem-rekord>Siebenkampf Tag 2: Von Disziplin zu Disziplin

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024