Kamil Bethke – ein großer, kräftiger Schmusebär
Als Kamil Bethke mit neun Jahren die ersten leichtathletischen Trainingseinheiten absolvierte, galt er schnell als hoffnungsloser Fall. "Ich konnte zwar immer gut Ballwerfen, war aber sonst nur mäßig talentiert", erinnert sich der heute 19-jährige Junioren-Vize-Europameister im Hammerwerfen zurück.
Kein Läufer und Springer, also ein Werfer - Kamil Bethke (Foto: Klaue)
Laufen und Springen war seine Welt nicht. Trotzdem ist er stets der Erste gewesen, der die Halle betrat und war zumeist auch der Letzte, der ging. Heute kommt er sechs Mal pro Woche zum Training auf eine der Sportanlagen des TSV Bayer 04 Leverkusen und ist einer der talentiertesten deutschen Nachwuchs-Hammerwerfer. Drei deutsche Meistertitel hat der angehende Bürokaufmann seit 2001 gewonnen, war zudem schon bei drei internationalen Meisterschaften dabei und sicherte sich im Vorjahr bei den Junioren-Europameisterschaften im finnischen Tampere überraschend die Silbermedaille.
Noch einmal triumphieren
Am Wochenende stehen nun die Deutschen Jugend-Meisterschaften in Jena an. Dort möchte Kamil Bethke in seinem letzten Jahr als Jugendlicher noch einmal triumphieren.
Viele Zuschauer wird er jedoch nicht haben, wenn er am Samstag ab 14.35 Uhr die sechs Kilogramm schwere, an einem Stahlseil befestigte Kugel erst um seinen Kopf schwingt und dann mit ihr dreht, um sie im richtigen Moment loszulassen und auf Weiten jenseits von 70 Metern zu befördern. Denn Hammerwerfen wird bei Jugendmeisterschaften meist aus dem Stadion auf einen Nebenplatz verlegt. Die Gefahr, dass ein Gerät den Wurfsektor verfehlt und außerhalb des Rasens auf der Laufbahn einschlägt, ist groß.
Ein Machtgefühl
Den Hammer richtig zu beherrschen ist eine komplexe Kunst, auf die sich nur wenige perfekt verstehen. "Wenn du es richtig kannst, bekommst du irgendwann ein Machtgefühl über den Hammer", sagt Kamil Bethke.
"Dabei ist das eigentlich Blödsinn, weil man selbst am Hammer hängt. Er muss beim Drehen dein Zugpferd sein. Du darfst nicht versuchen, ihn anzugreifen", fügt das 1,84 Meter große und 116 Kilogramm schwere Kraftpaket einschränkend hinzu. "Umso mehr du auf den Hammer einwirkst, um so schlechter wird der Wurf."
77 Meter als Ziel
Auf 74,68 Meter hat er es schon gebracht. "Doch ich hoffe, in diesem Jahr werfe ich noch um die 77 Meter." Mit einer solchen Weite hätte er auch gute Karten bei der Junioren-WM. Sie findet vom 13. bis 18. Juli im italienischen Grosseto statt. Dafür möchte sich der im polnischen Stuhm geborene Spätaussiedler in Jena empfehlen. Die Norm hat er bereits erfüllt, jetzt heißt es Nerven behalten und sich gegen die deutsche Konkurrenz durchsetzen.
Eine Niederlage kassierte er in diesem Jahr schon. In Fränkisch-Crumbach musste er sich dem Saarländer Andreas Sahner beugen. "Das war eine Schlappe zur richtigen Zeit. Danach war ich im Training wieder viel konzentrierter bei der Sache." Das bemerkte auch sein Coach Gerhold Wohlfarth, der eine ganze Gruppe talentierter Nachwuchs-Hammerwerfer betreut. "Gerhold ist für uns alle nicht nur ein Trainer, sondern eine Vaterfigur. Er macht dich zum richtigen Zeitpunkt fertig, um dich dadurch aufzubauen."
Die weiche Seite der harten Jungs
Neben Kamil Bethke trainieren unter anderem Benjamin Boruschewski und die B-Jugendlichen Werfer Pascal Tang und Benjamin Hedermann bei dem Coach. "Bei uns herrscht eine enorme Gruppendynamik. Wir puschen uns gegenseitig bis an die Grenzen", berichtet Kamil Bethke aus dem Trainingsalltag.
Ganz nah an die eigenen Grenzen muss das Athleten-Trio auch am Wochenende in Jena kommen. Sie müssen sich erst vom Hammer ziehen lassen und dann explodieren, um ihn möglichst weit hinaus befördern. Und obwohl Hammerwerfer dabei manchmal furchterregend ausschauen, hat keiner etwas von ihnen zu befürchten, denn "wir Hammerwerfer sind zwar kräftig, aber dabei ganz große Schmusebären", offenbart Kamil Bethke die weiche Seite der harten und starken Jungs.