Kara Goucher - Erst WM-Marathon dann Baby
Eigentlich wollte Kara Goucher (USA) am 20. April als erste US-Frau nach Lisa Larsen Weidenbach im Jahr 1985 den Boston-Marathon gewinnen, um anschließend ein Jahr Abschied vom Leistungssport zu nehmen und eine Familie mit ihrem Mann Adam zu gründen. So der Plan. Aus dem Sieg in Boston wurde jedoch nichts. Platz drei in 2:32:25 Stunden war eine Enttäuschung für die 30-Jährige. Jetzt verschiebt sie die Babypause und läuft stattdessen am 23. August den WM-Marathon in Berlin.
Der Boston-Marathon war ihr großes Ziel. Sie wollte es sein, die die 23 Jahre anhaltende Serie ohne einen US-Sieg durchbrechen wollte. Das Training verlief gut, die Gesundheit spielte mit, alles passte. Fast alles. Ohne Tempomacher gestartet, ließen es die Frauen auf der ersten Hälfte sehr gemütlich angehen. Die Halbmarathon-Marke wurde nach 1:18:30 Stunden passiert.Die zweite, schwierigere Hälfte wurde dann zu einem Steigerungslauf. Kara Goucher hielt sich stets zurück und versteckte sich im Windschatten, um am Ende Kraft für den entscheidenden Antritt zu haben. Doch der kam nicht. Acht Kilometer vor dem Ziel versuchte es die 30-Jährige. Ihre schärfsten Konkurrentinnen Salina Kosgei (Kenia) und Dire Tune (Äthiopien) ließen sich jedoch nicht abschütteln und ergriffen sechs Kilometer später selbst die Initiative.
Als es auf die letzten 1.000 Meter ging, hing Kara Goucher bereits einige Meter zurück. Meter, die sie bis zur Ziellinie nicht mehr aufholen konnte. Am Ende blieb ein enttäuschender dritter Platz in 2:32:25 Stunden.
London-Marathon als Option
Die Niederlage machte Kara Goucher schwer zu schaffen. Vor allem der Gedanke daran, dass sie viel schneller hätte laufen können. Zwei Tage nach dem Marathon in Boston fühlte sie sich blendend. Keine Spur von Müdigkeit. "Das Tempo war ja langsamer als in meinen Trainingsläufen", sagte die WM-Dritte über 10.000 Meter. Also entschloss sie sich, nur sechs Tage nach dem Boston-Marathon am London-Marathon (Großbritannien) teilzunehmen, um dort Wiedergutmachung zu betreiben.
Ihr Trainer Alberto Salazar, der in den 80er-Jahren dreimal in Folge (1980 bis 1982) den New York-Marathon (USA) gewann, konnte sie jedoch davon abhalten. Stattdessen schlug er ihr vor, einen erneuten Versuch bei den Weltmeisterschaften in Berlin (15. bis 23. August) zu wagen. Eigentlich hatte sich Kara Goucher vorgenommen, nach dem Boston-Marathon eine Babypause einzulegen und zusammen mir ihrem Ehemann Adam eine Familie zu gründen.
Drei Tage verbrachte Kara Goucher im Schlafanzug, verließ das Haus nicht und dachte nur nach. Dann verkündete sie ihre Entscheidung. "Ich werde den WM-Marathon laufen und die Babypause um ein paar Monate verschieben", sagte die 30-Jährige. Ihr Ehemann hatte Verständnis und gab sein ok. "Er ist so gut zu mir. Ich dachte er wäre vielleicht böse, aber er sagte nur, was immer du willst."
Aus den Fehlern lernen
In Berlin will Kara Goucher aus den Fehlern lernen, die sie bei ihren bisherigen Marathonläufen in New York 2008 (2:25:53 h; Platz drei) und Boston begangen hat. "Ich habe viel bei diesen beiden Läufen gelernt. In New York waren es eher technische Dinge, in Boston habe ich gelernt, wie wichtig eine gute Taktik ist. Das werde ich in Berlin nun alles umsetzen", sagte Kara Goucher.
Mit Bahnrennen von 1.500 bis 10.000 Meter will sich Kara Goucher auf den WM-Marathon in Berlin vorbereiten. Bei den US-Meisterschaften in Eugene (25. bis 28. Juni) plant sie einen Doppelstart über 5.000 und 10.000 Meter, bevor dann in der deutschen Hauptstadt ein Podiumsplatz folgen soll. "Eine Medaille zu gewinnen, wäre großartig. Es ist immer etwas Besonderes, bei einer Weltmeisterschaft das Nationaltrikot zu tragen", sagte Kara Goucher.
Besonders freuen würde sie sich über ein Duell mit Marathon-Weltrekordhalterin Paula Radcliffe (Großbritannien). "Ich wäre begeistert, wenn Paula in Berlin laufen würde. Es wäre dann ein ganz anderes Rennen", sagte die 30-Jährige, die 2007 beim Great Northern Run (Irland) über zehn Kilometer bewiesen hat, dass sie die Britin bezwingen kann. Damals lief sie einen Vorsprung von 56 Sekunden heraus und bezeichnete dies als größte Überraschung ihrer Karriere. Selbst der dritte Platz bei der WM in Osaka (Japan) kam nicht an diesen Erfolg heran.
Laufen für eine Auszeichnung
Zum Laufen kam Kara Goucher mehr oder weniger durch Zufall. In der siebten Klasse wollte sie eine Auszeichnung erhalten. Dafür benötigte sie die Fächer Wissenschaft, Kunst und Leichtathletik. Sie entschied sich für den Crosslauf, da dies die einzige Disziplin ohne Vorausscheidungen war. Es sollte der Beginn einer Karriere mit vielen Berg- und Talfahrten werden.
1999 blieb die damals 19-Jährige in allen Cross-Rennen ungeschlagen. In den folgenden Jahren verhinderten mehrere schwerwiegende Verletzungen den Aufstieg von Kara Goucher, die im Alter von vier Jahren ihren Vater verlor, der von einem Auto in New York City überfahren wurde. Daraufhin zog sie gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren zwei Schwestern zu ihren Großeltern nach Boulder.
2001 heiratete sie dann Adam Goucher, der selbst ein erfolgreicher Mittel- und Langstreckenläufer ist und Bestzeiten von 13:10,00 Minuten (5.000 m) und 27:59,31 Minuten (10.000 m) aufzuweisen hat.
Seit 2004 Training unter Alberto Salazar
Im Jahr 2004 zog Kara Goucher zusammen mit ihrem Ehemann dann nach Portland, wo sie sich in die Obhut von Alberto Salazar begab. Der 50-Jährige formte sie zu einer der besten Langstreckenläuferinnen weltweit. "Ich hatte immer noch mit Verletzungen zu kämpfen, nachdem ich nach Portland gezogen war. Aber Alberto hat mich nie aufgegeben und mir immer Mut zugesprochen", sagte Kara Goucher.
Die ersten großen Erfolge ließen zunächst auf sich warten, doch dann trug die harte Arbeit erste Früchte. Am 26. Juli 2006 avancierte sie in Helsinki (Finnland) in ihrem erst zweiten 10.000 Meter-Lauf mit einer Zeit von 31:17,12 Minuten zur zweitschnellsten Amerikanerin aller Zeiten auf dieser Distanz.
Das Folgejahr war das bislang erfolgreichste in der Karriere von Kara Goucher. Sie stellte auf allen Strecken, die sie lief, neue Bestzeiten auf. Bei der WM in Osaka krönte sie dann mit Platz drei über 10.000 Meter das Jahr 2007. Sogar die berühmte Klatsch-Kolumne auf Seite sechs der New York Post von Liz Smith wurde auf Kara Goucher aufmerkam und widmete der 30-Jährigen am 2. Oktober 2007 eine Kolumne. Dort schrieb die Autorin über das Lachen und Charisma von Kara Goucher und verglich sie unter anderem mit der Hollywood-Größe Julia Roberts.
Umstieg auf Marathon
Zwei Monate nach ihrer Bronze-Medaille in Osaka reiste Kara Goucher als Zuschauerin nach New York, wo die US-Marathon-Ausscheidungswettkämpfe für die Olympischen Spiele 2008 in Peking (China) stattfanden. Die 30-Jährige war begeistert von der Stimmung entlang der Strecke und entschloss sich dazu, es selbst einmal zu versuchen.
Ihr Trainer Alberto Salazar war begeistert von der Entscheidung: "Ich habe immer gedacht, dass ihr der Marathon am besten liegen würde. Ihre Kraft und ihr schleichender Schritt sind optimal dafür. Wenn ich sie laufen sehe, denke ich immer sie könnte ewig laufen."
Erfolgreiches Marathon-Debüt in New York
Nach den Olympischen Spielen in Peking, wo sie die Plätze neun (5.000 m; 15:49,39 min) und zehn (10.000 m; 30:55,16 min) belegt hatte, trat sie im November zu ihrem Marathon-Debüt in New York an. Es sollte das schnellste Marathon-Debüt einer Amerikanerin werden. In 2:25:53 Stunden lief sie im Big Apple hinter Paula Radcliffe (2:23:56 h) und Ludmila Petrova (Russland; 2:25:43 h) auf den dritten Platz.
Auch wenn es fünf Monate später nichts mit einem Sieg beim Boston-Marathon wurde, will Kara Goucher noch bis zu den Olympischen Spielen 2012 in London (Großbritannien) weitermachen. Dort will die 30-Jährige im Marathon an den Start gehen - dann aber als Mutter.