Eunice Barber wieder auf Medaillenjagd
Neues Spiel, neues Glück! Eunice Barber, das Silber-Girl aus Frankreich, hat die Niederlage im Siebenkampf gut weggesteckt. Caroline Klüft, die acht Jahre jüngere Rivalin aus Schweden, hatte ihr Gold weggeschnappt. An den ersten beiden WM-Tagen lieferten sich die beiden Ausnahmeathletinnen einen heißen Fight um die Krone der Mehrkämpferinnen. Klüft sammelte 7001 Punkte, die drittbeste Leistung aller Zeiten, Barber kam auf 6755 Zähler, das drittbeste Ergebnis ihrer Karriere. Im Weitsprung, der heute Abend ab 18.05 Uhr ausgetragen wird, hofft sie auf eine weitere Medaille. Denn Eunice Barber erzielte in der Qualifikation die beste Weite: 6,78 Meter gleich in ihrem ersten und letzten Versuch. Dann packte sie ihre Siebensachen zusammen und ging von dannen.
Der Rücken hält wieder
Ja, ja, es war ein Kreuz mit ihrem Rücken. Eunice Barber hing lange Zeit in der Warteschleife. Sie kam nicht mehr auf die Beine. "Jetzt bin ich wieder da", erklärte die 28-jährige Französin schon nach ihrem starken WM-Siebenkampf im "Stade de France" von St. Denis, "nach nur fünf Monaten Training bin ich hochzufrieden." Dann verteilte sie ein dickes Kompliment an ihre Mitkonkurrentin. "Caroline ist genauso wild und ehrgeizig wie ich es früher war", zog sie einen Vergleich, "doch dieses hohe Niveau hatte ich damals nicht. 7000 Punkte in ihrem Alter. Chapeau." Hut ab!
Erst kurz vor der Weltmeisterschaft war Eunice Barber aus den Staaten eingeflogen. Vier Wochen lang hatte sich die französische Rekordhalterin im Siebenkampf (6861 Punkte) und im Weitsprung (7,01 Meter) mit ihrem Coach Bob Kersee in der Abgeschiedenheit von Saint Louis auf ihren WM-Auftritt vorbereitet. Sie hat trainiert, hart wie schon lange nicht mehr. "Hinterher war ich so kaputt, dass ich nur noch geschlafen habe."
Bei der EM noch Zuschauerin
Die hartnäckige Nervenentzündung im Fuß, die ihr noch im letzten Sommer so sehr zugesetzt hat, dass einige bereits auf ein frühzeitiges Karriere-Ende tippten, ist ausgeheilt. Eunice Barber, die zwischen Hoffen und Bangen hin und her pendelte, schaut nach vorn. Und nicht zurück. "Ich bin heilfroh, dass die Beschwerden vorbei sind." Als die Schwedin Carolina Klüft bei den Europameisterschaften in München Gold gewann vor der Wattenscheiderin Sabine Braun, hatte sie noch Frust vorm Fernseher geschoben. Ihre Leidenszeit, so schien es, wollte kein Ende nehmen.
Die "never ending story" wurde in jenen Tagen um ein weiteres Kapitel bereichert. Pleiten, Pech & Pannen zog Eunice Barber magisch an. Sie lernte die Schattenseiten kennen. "Es ist schon ein blödes Gefühl, wenn dir die Verletzungen hinterher laufen." Dabei hatte sie stets auf der Sonnenseite gestanden, sie, die dem Elend einst entflohen ist.
Im Siebenkampf-Weitsprung lief es nicht
Aus Sierra Leone kommt sie gebürtig, einem kleinen Entwicklungsland in Afrika, in dem der Bürgerkrieg tobt. Aufgewachsen ist Eunice Barber in Freetown. Noch heute leben dort ihr Vater und ihre Mutter, die früher als Platzwartin im Stadion von Freetown die schmale Haushaltskasse aufbessern musste. "Die Gewalt in meiner Heimat nimmt immer größere Ausmaße an", klagte Barber, "da zu leben, ist bedrohlich." Sie hat ihrem Land längst den Rücken gekehrt.
Nun ist sie zurück im "Stade de France", in der Riesen-Arena, die einem UFO ähnelt. Caroline Klüft, das Spaß-Girl aus dem Drei-Kronen-Team, war zwar für den Weitsprung gemeldet, verzichtete indes auf eine Teilnahme. Eunice Barber will's wieder, auch wenn im Siebenkampf einiges schief gelaufen ist. "Am zweiten Tag, als es gleich mit dem Weitsprung los ging, habe ich nie zu meinem Rhythmus gefunden", erinnerte sich Eunice Barber nur ungern an ihre drei Versuche, "ich hoffe, dass es im Finale besser klappt." Mit 6,61 Meter musste sie sich im Siebenkampf begnügen. Klüft sprang nach zwei Fehlversuchen im dritten und letzten Anlauf sieben Zentimeter weiter.
In Harmonie mit Bob Kersee
Eunice Barber, die im Februar 1999 die französische Staatsbürgerschaft erhalten und noch im gleichen Jahr im Dress der "Equipe Tricolore" Gold in Sevilla ("Mein schönster Erfolg") geholt hatte, träumt davon, dass sie heute wieder in den Bereich ihrer Bestleistung vorstoßen wird. 1999 gelang ihr ein Riesensatz von 7,01 Metern.
Bob Kersee, Ehemann von Jackie Joyner-Kersee, der Weltrekordlerin im Siebenkampf (7291 Punkte in Seoul 1988) und US-Rekordhalterin im Weitsprung (7,49 Meter in New York 1994), wird noch wertvolle Tipps mit auf den Weg geben. Mit Kersee, dem berühmten Coach aus Los Angeles, arbeitet die vielseitige Französin eng zusammen. Beide harmonieren prima miteinander, ja, sie senden auf einer Wellenlänge. Kersee ist mitsamt Ehefrau auch nach Paris gekommen. Und dank ihrer Unterstützung könnte es klappen mit einer weiteren Medaille für Eunice Barber.