Karsten Kobs - Ein Teutone auf dem Weg zur EM
Hammerwerfer Karsten Kobs (BV Teutonia Lanstrop) hat das Tor nach Göteborg weit aufgestoßen. In Schönebeck warf er am vergangenen Freitag mit 79,46 Metern zum zweiten Mal die EM-Norm des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (78,65 m) für Göteborg (Schweden; 7. bis 13. August), im französischen Cercy-la-Tour steigerte er sich zwei Tage danach auf die Saisonbestweite von 80,82 Meter.
Karsten Kobs ist gut drauf (Foto: Chai)
"Ich habe im Moment ein Niveau von 79,50 bis 80,50 Meter, das ich normalerweise abrufen kann", hatte er noch in Schönebeck seinen Leistungsstand beschrieben. Er sollte zwei Tage später nach einer beschwerlichen Reise von rund 900 Kilometern mehr als recht behalten.Nach Schönebeck war er bereits optimistisch gereist. "Man fährt hin, weiß, dass die Anlage gut ist, die Optik stimmt, der Wettkampf 17 Uhr beginnt und denkt, dass es klappen muss." Aber dann lief er sich vorher ein, und holte sich eine Zerrung in der Wade. Das wurde sofort mit Eis behandelt, aber verunsicherte ihn doch: "Ich dachte, entweder es reißt jetzt ab und dann ist die Saison sowieso vorbei oder es hält. Und weil ich ja nicht mehr soviel Hammerwurf-Jahre habe, entschied ich mich zu werfen."
Kräfte müssen müde werden
Es war eine richtige Entscheidung. "Die Norm wollte ich unbedingt werfen." Es wiederholte sich das Phänomen der letzten Wettkämpfe. Im letzten Versuch schleuderte er den Hammer auf 79,46 Meter. In Fränkisch-Crumbach, als er Anfang Juni mit 78,90 Metern erstmals die Norm packte, war es so, in Rehlingen danach ebenfalls. "Ich brauche einfach so lange, um meine unglaublichen Kräfte im Oberkörper müde werden zu lassen."
Nicht ohne Grund nannte ihn deshalb Stadionsprecher Hardy Gnewuch den "Teutonen". Eine Anspielung auf seinen muskulösen, athletischen Körper, aber auch auf seinen Verein BV Teutonia Lanstrop. "Vielleicht bräuchte ich zwanzig Würfe beim Einwerfen, aber das gibt es leider nicht", sagte ein gut aufgelegter Karsten Kobs. "Und vielleicht sollte ich in Göteborg nur den sechsten Versuch machen." Aber darüber musste er selbst lachen.
WM-Absage schnell abgehakt
Das Lachen war ihm im vorigen Jahr vergangen. Sicher hatte er sich für die Weltmeisterschaft in Helsinki qualifiziert. Doch drei Tage vor der Abreise ereilte ihn das Pech. Im Training riss der Draht, der den Hammer hält. Karsten Kobs stürzte zu Boden und verletzte sich so an der Schulter, dass er den WM-Start absagen musste. "Aber so etwas muss man schnell abhaken. Ich tat es schon am nächsten Tag."
Um seine Form zu beweisen, warf er Ende August in Bad Köstritz nochmals 78 Meter und begann dann bald die Vorbereitung auf die neue Saison. "Ein halbes Jahr habe ich verletzungsfrei trainiert, habe unter anderem eine Bestleistung aufgestellt, als ich 10mal 200-Kilo-Tiefkniebeugen gemacht habe. Die schweren Hämmer flogen weit, trotz des oft schlechten Wetters in Dortmund."
Familie gibt Kraft
Meistens trainierte er also zuhause. "Die viele Zeit in Frankfurt/Main oder im Ausland war schön, und ich möchte das alles nicht missen. Aber ich bin nun nicht mehr der Typ, der oft ins Trainingslager fährt. Zwar war ich einige Male in Frankfurt bei meinem Trainer Michael Deyhle, aber eben nicht mehr wie früher zwei Monate hintereinander."
Ein wesentlicher Grund ist auch, dass er seit zwei Jahren eine Familie in Dortmund hat, die ihm viel Kraft gibt. "Früher dachte ich ja, dass ein Kind meinen Sport stören könnte. Aber nun mache ich die Erfahrung, dass es eher umgekehrt ist, das Schöne bei weitem überwiegt."
Und Spaß am Hammerwerfen hat der 34-Jährige immer noch. "Ich will einfach nach Göteborg zur EM fahren und Spaß am Werfen haben, so, wie ich es schon lange nicht mehr gehabt habe!"
Kein "Verließ" mehr
Das ist ein anderes Herangehen als früher. "Da habe ich immer gedacht, wenn ich schlecht werfe, dann kommen zwei und sperren mich in ein Verließ, wo ich zehn Jahre bleiben muss." Das sollte motivieren, tat es aber nicht. Jetzt aber denkt er: "Keiner haut mir den Kopf ab und aus solch einer Lockerheit heraus werfe ich einfach weit, so wie in Schönebeck und in Frankreich".
Und mit dieser Einstellung sollte auch die Qualifikation in Göteborg keine Hürde sein. "Wenn man da 77 Meter wirft, dann wird man ins Finale kommen", denkt Karsten Kobs. Dann aber ist manches möglich. Der Weltmeistertitel von 1999 liegt schon lange zurück. Es wäre Zeit, dass er sich mal wieder den Medaillenrängen nähern würde.