| Stabhochsprung

Katharina Bauer fliegt in neue Dimensionen

Ausgerechnet an Christi Himmelfahrt schwang sich Stabhochspringerin Katharina Bauer auf in neue Dimensionen. In Bönnigheim knackte die 23-Jährige die EM-Norm – mit neuem Hausrekord von 4,55 Metern. Fürs Turnen zu groß geworden, wurde sie einst von Carolin Hingst ausgebildet.
Harald Koken

Zugegeben: Zum „Vlasic-Shuffle“ reicht es noch nicht ganz. Aber: Auch die Jubelpose von Katharina Bauer (TSV Bayer 04 Leverkusen) hat das Zeug zum Markenzeichen. Jedenfalls war die 23-Jährige vergangenen Donnerstag im württembergischen Bönnigheim angesichts ihres astreinen Fluges über 4,55 Meter vollkommen aus dem Häuschen.

Das Gesicht kurz in beide Hände getaucht, dann ein Freudentanz mit heftigem Anfersen und Luftsprung auf der Matte, schließlich die Fäuste gen Himmel gereckt – nachvollziehbare und allzu verständliche Posen, nachdem sich die 1,79 Meter große Modellathletin auf zu neuen Dimensionen geschwungen hatte – an Christi Himmelfahrt ebenso vieldeutig wie tiefgründig.

Luft nach oben

Nicht von der Hand zu weisen: Die Vorjahres-Achte der Hallen-EM hat sich bei der im zweiten Durchgang bewältigten Höhe eindrucksvoll als Edeltechnikerin erwiesen – mit gehörig Luft nach oben.

„Ich bin froh, dass ich die Norm für die Europameisterschaft in Zürich schon einmal habe. Jetzt kann ich mich darauf konzentrieren, noch höher zu springen“, so die momentane Nummer eins der DLV-Saisonrangliste. „Leider gibt es nur drei Tickets, wir haben aber sechs Leute, die auf jeden Fall die geforderte Höhe springen können. Insofern geht es bei uns nie nur um die Norm, sondern man  muss unter die Top drei kommen.“

Seit einem Jahr bei Klima

„Fluglehrer“ der Wahl-Leverkusenerin ist Leszek Klima. Der 57-Jährige, 1977 Vierter der Hallen-EM, Bestleistung 5,40 Meter, coacht Katharina Bauer seit gut einem Jahr. „Er hat mein Training komplett umgestellt und mir vor allem geholfen, meine Sprintfähigkeit zu verbessern“, erläutert die Leistungsträgerin. „An der Technik feilen wir rund um die Uhr. Anlaufen, aufrollen, da haben wir Riesenfortschritte gemacht.“

Noch ein Grund für den Aufwind: die mentale Stärke. Und: „Ich habe mit Ernährungstrainer Uwe von Renteln zusammengearbeitet und aktuell noch einmal drei Kilo abgenommen. Dadurch fühle ich mich viel besser und muss weniger Gewicht in die Luft bringen.“

Der womöglich entscheidende Schlüssel zum Erfolg: Katharina Bauer hat von Kindesbeinen an geturnt, an Reck, Barren und Boden die klassische Grundausbildung genossen. Für den Sechskampf beim deutschen Turnfest musste sich der Teenie zwangsläufig mit leichtathletischen Disziplinen auseinandersetzen. Und leckte Blut – auch aufgrund des schweißtreibend erkämpften nationalen Vize-Meistertitels bei der Turner-Jugend.

Von der Turnerin zur Stab-Artistin

Besiegelt wurde der Wechsel zur olympischen Kernsport als Zwölfjährige – fürs Turnen längst zu hochaufgeschossen. Mit 14 die Spezialisierung aufs Stabhochspringen – beim USC Mainz. Erste Trainerin: die Olympia-Sechste Carolin Hingst. Herbert Czingon übernahm ein Jahr später. Als er DLV-Cheftrainer wurde, sprang Balian Buschbaum als Heimtrainer ein. Nachdem er auch aufgrund der RTL-Show „Let‘s dance“ quasi über Nacht  den Ausstieg vollzog, wurde der Wechsel nach Leverkusen auf den Weg gebracht.

„Bali sagte, ich solle mit Leszek Klima nach Südafrika ins Trainingslager fliegen und den Rest der Saisonvorbereitung in Leverkusen bestreiten“, stellt die Stabhochspringerin klar. „Schon damals habe ich gedacht, es wird krachen, ich fahre zur WM nach Moskau. Aber die Pendelei hat so an mir genagt, dass ich froh war, eine Konstanz von 4,40 bis 4,45 Meter zu bewahren“, so die Studentin, die im internationalen Management einen speziell auf Spitzensportler zugeschnittenen Fern-Studiengang zum Bachelor absolviert.

Extreme Bedingungen

Die suboptimalen Bedingungen auf dem Weg zur Bestleistung waren eher Herausforderung als Handicap: „Wir waren 37 Teilnehmerinnen und ich musste drei Stunden auf meinen ersten Sprung warten“, erklärt die spätere Siegerin. Dass ihre favorisierte Klubkollegin Silke Spiegelburg für ihre Anfangshöhe von 4,35 Metern den dritten Versuch benötigte und bei 4,45 Metern die Segel streichen musste – entschuldbar. Eine Fußprellung macht der nationalen Rekordhalterin zu schaffen.

Dass Kristina Gadschiew (LAZ Zweibrücken) – drei Tage später in Rechberghausen Siegerin mit 4,50 Meter – gar an der Einstiegshöhe von 4,25 Metern scheiterte – auch erklärbar. Denn tückischer Seitenwind trieb sein Unwesen. Die 29-Jährige lief häufig durch, kam mit den Verhältnissen gar nicht zurecht.

Katharina Bauer ließ sich von diesen Bedingungen nicht aus dem Konzept bringen. „Zwei Wochen vorher herrschte im niederländischen Sittard dermaßen starker Gegenwind, dass ich Probleme mit dem Einstich hatte. Das war extrem. Insofern habe ich den Wind in Bönnigheim als laues Lüftchen empfunden“, gibt sie offenherzig zu. Und dokumentiert damit, dass sie gelernt hat, auch unter schwierigen Bedingungen Höchstleistungen abzurufen.

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