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Katrin Dörre-Heinig: "Erhoffe Schub durch Vorbild Arne Gabius"

Mit seinem Marathon-Debüt in 2:09:32 Stunden in Frankfurt hat Arne Gabius (LG Stadtwerke Tübingen) die deutsche Laufszene begeistert, auch Marathon-Bundestrainerin Katrin Dörre-Heinig. Im Interview erklärt die Olympia-Dritte von 1988, dass sie einen Schub für die Szene erwartet und bei Männern wie Frauen ein starkes Team zu den Olympischen Spielen nach Rio de Janeiro (Brasilien) begleiten möchte.
Jan-Henner Reitze

Frau Dörre-Heinig, viele waren von dem starken Rennen von Arne Gabius in Frankfurt überrascht. Sie auch?

Katrin Dörre-Heinig:

Wenn er klug angeht, was er gemacht hat, habe ich ihm die Zeit zugetraut. Dennoch ist es als Debütant mutig gewesen, so eine Zeit anzugehen. Für Arne sprechen seine vielen, vielen Jahre, in denen er hohe Umfänge trainiert hat. Bis zum Halbmarathon hatte er schon sehr gute Zeiten stehen. Er hat nicht übertrieben und ist in 65 Minuten angegangen. Das sind fast drei Minuten zu seiner Halbmarathon-Bestzeit. Das ist ein kluges Tempo. Dass er die zweite Hälfte schneller gelaufen ist, hat gezeigt, dass er sogar noch mehr erreichen kann.

Einige starke Bahnläufer haben den Sprung auf die Straße versucht. Was ist nötig, dass dieser Schritt gelingt?

Katrin Dörre-Heinig:

Grundlage ist ein jahrelanges Training, eine jahrelange Erfahrung. Der Körper ist an Belastung gewöhnt. Arne geht auch seit Jahren in die Höhe. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Im Einzelnen kenne ich sein Training nicht. Was ich sagen kann: Er hat gezeigt, dass er seriös zu diesem Ergebnis gekommen ist. Das ist eine tolle Grundlage für die Zukunft.

Wir nehmen an, Sie möchten Arne Gabius weiter auf der Marathonstrecke sehen?

Katrin Dörre-Heinig:

Ich wünsche es mir. Ich glaube, über 5.000 und 10.000 Meter werden international auf den letzten ein, zwei Runden Geschwindigkeiten gelaufen, die nur sehr schwer zu realisieren sind. Ich glaube, Arne ist auf der Marathon-Strecke besser aufgehoben. Dort kann er in der Schlussphase von seinen Fähigkeiten über die kürzeren Distanzen profitieren.

Soweit die Planung von Arne Gabius bisher bekannt ist, soll es bei der WM in Peking (China) noch einmal eine Strecke auf der Bahn sein und dann Richtung Olympia der Marathon. Was halten Sie davon?

Katrin Dörre-Heinig:

Dieser Plan ist sehr gut. Durch seine Zeit in Frankfurt wäre er für die WM im Marathon nominiert. Ein Start dort würde aber die Olympia-Nominierung gefährden. Die Bedingungen in Peking sind für die Läufer sehr ungünstig. Durch den Smog sieht man nicht einmal richtig. Dort eine gute Zeit zu erzielen, ist sehr schwierig. Ein Herbstmarathon 2015 ist der bessere Plan. Dort kann sich Arne für Olympia qualifizieren. Das Wichtigste ist natürlich, gesund zu bleiben.

André Pollmächer hat seit dem Herbst 2013 sehr konstante Marathon-Zeiten abgeliefert. Noch ein Olympia-Kandidat?

Katrin Dörre-Heinig:

André war für mich das Highlight der Saison. Er hat sich doch entschlossen, die EM zu laufen und dort ein super Ergebnis hingelegt. Der achte Platz war nicht zu erwarten. Er ist sehr konstant geworden. Man darf auch nicht vergessen, wie schwer die Strecke in Zürich war. Auf einer anderen Strecke wäre eine neue Bestzeit möglich gewesen. Deshalb traue ich ihm noch mehr zu. Dazu kommt auch Julian Flügel, der mich überrascht hat. In seinem zweiten Marathon ist er 2:14:20 Stunden gelaufen, beim Debüt in Hamburg 2:15:39 Stunden. Wenn man diese Bereiche mehrmals abrufen kann, ist auch ein Ausrutscher nach vorn möglich.

Richtung Olympia hoffen Sie also auf ein starkes DLV-Team?

Katrin Dörre-Heinig:

Davon gehe ich aus. Arne Gabius hat mit seiner Leistung ein Achtungszeichen gesetzt. Wenn einer gut ist, versuchen andere in dieses Fahrwasser zu springen. Deshalb glaube ich, dass auch noch andere Kräfte freisetzen können. Das ist ohne Frage eine Vorbildwirkung. Das bringt hoffentlich einen Schub für die Szene, auch für die Frauen.

Bei den Frauen sah vieles danach aus, als könnten Sie schon bei der EM ein starkes Team stellen, dann kam es doch anders...

Katrin Dörre-Heinig:

Mit Mocki, Anna und Lisa Hahner sowie Eleni Gebrehiwot hatten einige Athletinnen gute Zeiten stehen. Dann ist eine nach der anderen ausgefallen, aus Verletzungsgründen, oder weil sie auf einen Start in Zürich verzichtet haben. Anna Hahner hat mit ihren Zeiten sehr gute Leistungen gezeigt. Sie ist individuell auf einem sehr guten Weg. Ich hoffe, dass wir Richtung Olympia auch im DLV-Team wieder auf sie zählen können.

Wie sehen Sie die Voraussetzungen bei den Frauen für ein gutes Abschneiden in Rio?

Katrin Dörre-Heinig:

Die Weltspitze ist noch ein Stück entfernt. Um im Einzel eine Chance auf einen Platz unter den ersten 10 bis 12 zu haben, sind Bestzeiten von 2:24 bis 2:25 Stunden die Voraussetzung. Neben Anna Hahner sind Sabrina Mockenhaupt und Eleni Gebrehiwot fähig, sich in diese Richtung zu entwickeln. Die ein oder andere Athletin, die in diesem Jahr dabei war, will auch noch auf den Zug aufspringen. Wir können also in Rio auch auf ein gutes Team hoffen.

Sie haben uns verraten, dass bei der vorolympischen EM 2016, wo es keinen Marathon gibt, stattdessen erstmals ein Europameister im Halbmarathon gesucht werden wird. Was halten Sie von diesem Plan?

Katrin Dörre-Heinig:

Das ist vor allem für die Athleten, denen noch ein Stück zur Olympia-Norm fehlt, eine unheimlich gute Motivation, um sich über diese Strecke ins Geschäft zu bringen und dranzubleiben. Langstreckler, die sich auf der Straße testen wollen, können im Halbmarathon schneller als im Marathon eine gute Zeit erzielen. Von diesem Angebot erhoffe ich mir einen Aufschwung Richtung Straße. Ich finde die Idee toll. Im Gespräch ist auch eine Team-Wertung. Ob es diese geben wird, steht aber noch nicht fest.

Mit Irina Mikitenko hat eine große Athletin das Ende ihrer Karriere verkündet. Was hat sie für den Marathon in Deutschland getan?

Katrin Dörre-Heinig:

Irina ist eine unheimlich clevere Sportlerin. Sie ist ein großes Vorbild. Sie war immer fokussiert auf ihren Wettkampf, um dort das optimale Ergebnis zu erreichen. Ihre Erfolge durch zielgerichtetes Training sprechen für sich. Auch nach dem Ende der Karriere ist sie noch bei Veranstaltungen präsent, spricht mit dem Nachwuchs. Sie setzt ihre Vorbildfunktion fort. Sie ist und bleibt eine ganz große Sportlerin in der deutschen Marathon-Szene.

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