Kein Techno-Doping bei Heinrich Popow
Im Prothesenstreit zwischen Wojtek Czyz und Heinrich Popow hat DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher 100-Meter-Paralympics-Sieger Heinrich Popow vom Vorwurf des Techno-Dopings entlastet. "Die sachliche Grundlage ist nicht gegeben", sagte der Chef des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) in London (Großbritannien). Laut Hersteller sei die Prothese frei zugänglich und verkäuflich, sagte der 66-Jährige. Das Internationale Paralympische Komitee IPC habe die Prothese zudem zugelassen.
Der viermalige Paralympics-Champion Wojtek Czyz (1. FC Kaiserslautern) hatte dem linksseitig oberschenkelamputierten Heinrich Popow (TSV Bayer 04 Leverkusen) vorgeworfen, eine Prothese zu verwenden, die nicht allen Athleten zugänglich sei. Heinrich Popow stritt die Vorwürfe vehement ab.Wojtek Czyz, der am Freitagabend im 100-Meter-Finale hinter Heinrich Popow und dem Australier Scott Reardon Dritter wurde, droht wegen dieses Vorfalls aber keine Strafe. "Es gibt im DBS keinen Maulkorberlass", sagte Julius Beucher. Er stellte aber auch klar, dass es für die Äußerungen der Athleten "nicht immer Beifall" gebe und der DBS es nicht gerne sehe, wenn zwei Athleten aufeinander losgingen. Dennoch sei der Streit nur ein "Streiflicht." "Die Botschaft der Paralympics war die Leistung der Athleten", sagte Julius Beucher.
Unnötige Diskussion
Der deutsche Chef de Mission Karl Quade sieht ebenfalls kein Vergehen bei Heinrich Popow. "Aus meiner Sicht lag es nicht an diesen Dingen", sagte er dem SID. Direkt nach dem Rennen hatte Karl Quade Wojtek Czyz im Stadion abgefangen und "ihm gesagt, dass die Diskussion zu diesem Zeitpunkt unnötig war."
Er wolle die beiden Sportler bald an einen Tisch bringen. "Dies muss bald passieren, damit bei beiden nichts hängen bleibt", sagte Karl Quade, der es aber so sieht, "dass die Diskussion zumindest dafür sorgen soll, dass das Regelwerk künftig so klar ist, dass es weitere Diskussionen nicht mehr geben kann."
Psychospielchen?
Auf die Frage nach der Absicht von Wojtek Czyz, die Vorwürfe nach dem Vorlauf und somit Stunden vor dem Finale zu äußern, antwortete Karl Quade: "Andere haben es ja Psychospielchen genannt. Ich sage es mal so: Es sind beides erfahrene Sportler, die wissen, wie man mit den Medien umgeht. Vielleicht ist es unter diesen Gesichtspunkten zu sehen."
Bei Heinrich Popow war der Vorwurf angeblich zunächst "links rein, rechts wieder rausgegangen. Aber mittags kam es mir nochmal in den Kopf und ich habe gegrübelt", berichtete der neue Paralympics-Sieger: "Da habe ich mir gesagt: Junge, du hast nicht vier Jahre hart gearbeitet, um dich von einem Spruch aus dem Konzept bringen zu lassen."
Erst bei der Siegerehrung am nächsten Morgen, als Heinrich Popow "die Lippen so vibrierten, dass ich die Hymne nicht mitsingen konnte", hatten Stolz und Euphorie die Oberhand gewonnen über die Vorwürfe des deutschen Rivalen, die ihn gleichsam unvorbereitet wie heftig getroffen hatten. "Das war mental eine ganz heiße Kiste. Das schwerste Rennen meines Lebens", sagte der 29-Jährige nach einer Nacht, die er nicht mit einer rauschenden Feier und trotz des Sieges mit viel Grübelei verbracht hatte.
Wojtek Czyz bleibt bei seiner Linie
Trotz allem ist die Angelegenheit noch nicht ausgeräumt. "Um das nicht im Raum stehen zu lassen, wird es noch ein Gespräch mit den beiden geben", sagte Karl Quade, der deutsche Chef de Mission.
Zunächst einmal bleibt aber die Konfrontation. Wojtek Czyz gibt weiter keine Ruhe und erklärte, er werde zur Not sogar seine gemeinsam mit Heinrich Popow gewonnene Bronzemedaille zurückgeben. "Ich würde nie ein Thema anfangen, wenn ich nicht die Fakten dafür hätte. Und das kann man nicht ad acta legen", sagte der Kaiserslauterer.
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)