Kelly-Ann Baptiste - Der Plymouth-Blitz
Grenada, Trinidad & Tobago, St. Kitts & Nevis. Nie waren sehr kleine Karibik-Inseln bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen so erfolgreich wie in diesem Jahr in Daegu (Südkorea). Auf der 300 Quadratkilometer großen Eiland Tobago wuchs Kelly-Ann Baptiste, die 100-Meter-Dritte, auf.
Die Bronzemedaille der Sprinterin nutzte Orville London, der „Chefsekretär“ des 15 Sitze großen Parlaments von Tobago, im Glücksgefühl sogar zu folgender Jubel-Rechnung: „Es ist erstaunlich, dass eine Insel mit nur 55.000 Einwohnern bei den Weltmeisterschaften 2009 und 2011 drei Medaillengewinner stellt. Das sind 18.000 für eine Medaille. Ich weiß nicht, ob man irgendwo auf dieser Welt ein ähnliches günstiges Verhältnis vorzeigen kann.“Das Lob galt neben dem „Plymouth-Blitz“, wie Kelly-Ann Baptiste von den Medien im Zwei-Insel-Staat Trinidad und Tobago genannt wird, auch den Berlin-Dritten Renny Quow (400 m) und Susanne Lucas (400 m Hürden). Trinidad, 16-mal größer, ging 2009 und 2011 leer aus
Sportliche Wurzeln
Obwohl die Bronzemedaillengewinnerin der U18-WM 2003 in Sherbrooke (Kanada) seit 2005 mit einem Stipendium an die Louisiana Staats Universität in Baton Rouge (USA) gegangen war und bald nach dem Psychologie-Examen in die von Ex-Weltmeister Tyson Gay angeführte Trainingsgruppe von Coach Lance Brauman gewechselt war, hat die schnelle Frau von der kleinen Insel nicht vergessen, wo ihre sportlichen Wurzeln lagen.
Sie feierte ihren 25. Geburtstag in den beiden Schulen auf Tobago, die sie einst besucht hatte und mit ihren früheren Trainern vom Zenith Club. Vor allem die kleinen Boys und Girls auf der Bethseda Grundschule strahlten, als sie mit der „Königin des Sprints“ gemeinsam abgelichtet wurden.
Niemand ist größer
Stolz hielten sie jeweils ein mit einem Autogramm der drittschnellsten Frau der Welt geschmücktes Poster in der Hand. Es zeigte die beste Athletin des Landes mit der Nationalfahne auf den Schultern während der Ehrenrunde in Daegu. Die Kinder sangen als Dank: „Niemand ist größer als du“.
Vor ihrer Sprint-Laufbahn hatte sich Kelly-Ann Baptiste im Netball, einem basketball-ähnlichen Spiel, und im Tennis versucht. Sie erinnert sich: „Ich konnte nicht gut mehr als eine Stunde auf dem Platz herumlaufen.“
Obwohl sie bei den U20-WM 2002 in Jamaika im Halbfinale in 12,03 Sekunden ausgeschieden war, nahm sie sich bald eines vor: „Ich will eine große Sprinterin werden.“
Enttäuschung bei Olympia
Dem Ziel glaubte sie näher zu sein, als sie bei den US-Hochschul-Meisterschaften 2008 in Des Moines bei 0,5 Metern pro Sekunde Gegenwind in 11,20 Sekunden gesiegt hatte. Dennis Shaver, der Cheftrainer der Louisiana Staats-Universität, lobte die ehrgeizige Sprinterin von Tobago sehr, da sie beim 25. Sieg der „Lady Tigers“ in der wichtigen Team-Wertung die meisten Punkte gesammelt hatte.
Doch acht Wochen darauf folgte eine große Enttäuschung. Bei den Olympischen Spielen in Peking (China) schied Kelly-Ann Baptiste kurz darauf früh aus. „Es kam mir wie Hohn vor, dass ich dort genau wie drei Jahre vorher bei den Weltmeisterschaften in Helsinki nur 11,42 Sekunden gelaufen und erneut als Sechste in einem Vierfinale gescheitert war“, erinnerte sie sich.
Fleißig im Training
2009 lief sie bei den Meisterschaften ihres Heimatlandes am 20. Juni in Port-of-Spain erstmals unter elf Sekunden. Die 10,94 Sekunden öffneten ihr die Türen zu den großen Meetings. Doch bei der WM in Berlin 2009 waren 11,07 Sekunden im Halbfinale zu langsam für den Vorstoß ins Finale.
Lance Brauman, der als Trainer großen Anteil an den Erfolgen der zweimaligen 200-Meter-Olympiasiegerin Veronica Campbell-Brown (Jamaika) und an den drei WM-Goldmedaillen von Tyson Gay in Osaka (Japan) 2007 gehabt hatte, glaubte dennoch an die Frau von der Insel, die der legendäre Christoph Columbus 1498 entdeckt hatte.
„Sie ist im Training sehr fleißig. Ihr großer Ansporn lautet: Ich will die Beste werden. Das wird sich auszahlen“, erkannte der frühere Meistermacher der Universität von Arkansas, der jetzt in Florida lebt.
Auf dem Weg nach London
Bevor er seine neue Musterschülerin 2010 auf die Europareise schickte, ließ er sie in Clermont starten, wo der frühere Staffel-Olympiasiegerin Dennis Mitchell (USA) nach Eigenwerbung „Das kleinste schnelle Meeting der Welt“ veranstaltet. Dort lief Kelly-Ann Baptiste am 5. Juni 2010 bei 1,8 Metern pro Sekunde Rückenwind in 10,84 Sekunden den besten ihrer bisherigen fünf T&T-Rekorde über 100 Meter.
„Bis zu den Olympischen Spielen 2012 will ich mindestens zehnmal unter elf Sekunden rennen“, nahm sie sich vor. In Kingston (Jamaika 10,94 sec), bei ihren drei Starts in der Diamond League (10,91 in Paris/Frankreich, 10,97 in London/Großbritannien und 10,90 sec in Brüssel/Belgien) und vor allem im von 1,4 Metern pro Sekunde Rückenwind gebremsten WM-Finale als Dritte in 10,98 Sekunden hinter Carmelita Jeter (USA; 10,90 sec) und Veronica Campbell-Brown (10,97) hat sie schon viel getan, um mehr zu erreichen als das Ziel.
Dank an Tyson Gay
Sie versicherte mehrmals, dass es ihr sehr geholfen hat, in einer Trainingsgruppe mit dem US-Rekordmann zu trainieren: „Tyson Gay ist eine große Persönlichkeit. Er hilft anderen Sportlern gerne. Seine Ratschläge haben mit dazu beigetragen, dass ich schneller wurde. Er hat mir mental sehr geholfen und mir Tipps für einen besseren Start und meine Lauftechnik gegeben. Dafür bin ich ihm sehr dankbar!“
Über ihren eigenen Ehrgeiz verriet sie: „Ich will alles tun, um mein Potential voll auszuschöpfen. Wenn ich das nicht tun würde, wäre ich von mir sehr, sehr enttäuscht.“
Sie hofft auch auf eine Olympiamedaille mit der Staffel, die in Daegu im Zwischenlauf mit zwei Sprinterinnen aus Tobago und zwei U20-Athletinnen aus Trinidad nur um sieben Hundertstelsekunden hinter der Bronzemedaille zurückgeblieben war.