Kim Collins übersetzt Sprintersprache
Vor zwei Jahren bei den Weltmeisterschaften in Paris hatte ihn niemand auf der Rechnung und er wurde über Nacht zum Star. Kim Collins lief in 10,07 Sekunden zum Weltmeistertitel. Wie Sprinter nach einem solchen Lauf reagieren und was sie wirklich meinen, erzählte er in einer Pressekonferenz im Vorfeld der Weltmeisterschaften von Helsinki (Finnland).
Kim Collins gibt sich in Helsinki ganz gelassen
"Unter den Sprintern hast du keine Freunde, jeder steht auf seiner Bahn und kämpft für sich", berichtete der 29-Jährige von der Insel St. Kitts & Nevis. "Im Ziel kommen sie dann zu dir und sagen, Hey, gut gemacht' und eigentlich meinen sie Ich hasse dich'" Soviel zum Wahrheitsgehalt im Sprint.Morgen und am Sonntag geht es für Kim Collins bei einer WM wieder um alles. "Mein Vorteil ist es, dass es nicht nur um ein einziges Rennen geht, sondern man sich in mehreren Runden behaupten muss. Das liegt mir eher."
Und einen weiteren positiven Aspekt sieht er auf seiner Seite. "Letztes Jahr und auch diese Saison bin ich noch nicht so gut gelaufen. Deshalb hat mich niemand wirklich auf der Rechnung und ich kann ohne Druck ins Rennen gehen. Ich will ins Finale und dort ist dann alles möglich. Ich habe das Gefühl, Zeiten unter zehn Sekunden stehen bei mir kurz bevor."
Foto – Nein Danke!
Ganz stimmt es nicht, dass ihn niemand auf der Rechnung hat. Maurice Greene (USA), selbst über 100 Meter nicht am Start, sieht als Favoriten seinen Landsmann Leonard Scott, nannte als weiteren Sprinter, den man nicht vergessen dürfe, aber Kim Collins. Als dieser das hörte, lächelte er verschmitzt. "Wow, ich fühle mich geehrt." Dabei hatte gerade der US-Amerikaner zuvor gesagt, ein Rennen, in dem er selbst nicht am Start sei, sei kein richtiges Rennen. "Das ist ganz schön eingebildet. Es gibt noch genug herausragende Sprinter außer ihm."
Bereits vor fünf Jahren hatte Kim Collins ein weiteres negatives Erlebnis. In Sydney wollte er Superstar Michael Johnson (USA) um ein Foto bitten, dieser warf ihm jedoch ein "No!" entgegen, bevor er seine Frage überhaupt formuliert hatte. "Ich hätte mich gerne gewehrt, aber er war einfach zu groß und stark!"
Lieber Sieg als Weltrekord
Das glaubt man dem eher schmächtig anmutenden Athleten gerne. "Sprinter müssen keine Muskelberge sein, es gibt auch andere, eher schlanke. Frankie Fredericks zum Beispiel." Der Namibier ist für Kim Collins der größte Sprinter aller Zeiten. "Vor allem deswegen, weil es so ein großes Herz hat. Ihn habe ich noch nie arrogant erlebt." Dies scheint ihm wichtiger als Weltrekorde. "Ich muss nicht so schnall laufen, solange ich trotzdem gewinne."
Gefragt, was er nach seiner Sportkarriere beruflich machen will, lacht er lauthals. "Ich? Arbeiten?" Der Gedanke scheint sehr abwegig. Aber er plane, eine Sportbar und ein Theater aufzumachen. Nächstes Jahr will er das Projekt in Angriff nehmen. Für das Finale am Sonntag will er sich, der sonst angeblich nicht abergläubig ist, noch einmal rasieren. "Ich muss ja gut aussehen für die ganzen Kameras!"
Und auch auf die letzte Frage, die ihm gestellt wird, weiß er eine Antwort. Wer gewinnt das 100 Meter-Finale? Kim Collins runzelt die Stirn. "Es gibt da so einen Typ, der ist eigentlich ganz cool. Ich glaube, der kam von St. Kitts & Nevis…"