Kim Gevaert - Europas Sprintkönigin
Schaut man auf den Medaillenspiegel der Europameisterschaften in Göteborg (Schweden) findet man Belgien vor so etablierten Leichtathletik-Nationen wie Großbritannien oder Italien. Dies ist der Hauptverdienst der 28-jährigen Kim Gevaert, die aus dem flämischen Leuven (Löwen) stammt.
Kim Gevaert schaffte es auf den Sprintthron (Foto: Chai)
Zusammen mit Hochspringerin Tia Hellebaut errang die Sprinterin drei Goldmedaillen und sorgte somit für das erfolgreichste Abschneiden Belgiens in der Geschichte der Europameisterschaften.In ihrem Heimatland Belgien befindet sich Kim Gevaert jetzt auf einer Ebene mit den Tennisheldinnen Justin Henin-Hardenne und Kim Clijsters. Ihre Karriere will sie bis 2009 fortsetzen, dann wollen sich ihr Lebensgefährte, der ehemalige Dreispringer Djeke Mambo, und die schnellste Frau Belgiens ihren Kinderwunsch erfüllen.
Über aktuellen Dopingfälle im Sprintbereich äußert sich die 28-Jährige geschockt und enttäuscht, sieht aber auf der anderen Seite die Arbeit der Anti-Doping-Behörden bestätigt, die auch vor großen Namen wie Marion Jones oder Justin Gatlin (beide USA) keine Angst mehr zeigen.
Musik als Traumberuf
Als Kind träumte Kim Gevaert noch von einer Karriere als Musikerin. Sie beherrscht sowohl Querflöte als auch Klavier. Doch mit 15 Jahren kommt alles anders. In den Sommerferien begleitet sie ihren Bruder Marlon spontan zum Training seines Leichtathletikvereins. Bei ihrem ersten Wettkampf weiß sie noch nichts mit dem Startblock anzufangen und muss ihren älteren Bruder fragen, wie man damit umgeht. Trotzdem wird sie auf Anhieb Erste und läuft eine Zeit unter 13 Sekunden.
In den folgenden Monaten widmet sie ihre Aufmerksamkeit vermehrt dem Hochsprung. Als Rudi Diels in ihr Leben tritt, ändert sich das schlagartig. Der wortkarge Coach, der bis zum heutigen Tag ihr Trainer ist, bringt sie auf die Bahn zurück. Er erkennt das Potential der nur 1,70 Meter großen Athletin und bringt ihr in den folgenden Jahren die grundlegenden Techniken bei. Schon drei Jahre später bricht sie 1999 den 21 Jahre alten belgischen Rekord über 100 Meter von Lea Allaerts und läuft 11,33 Sekunden, später in dieser Saison sogar noch 11,17 Sekunden.
Ihr Ziel bei den Olympischen Spielen in Sydney teilzunehmen scheitert an zahlreichen kleinen Verletzungen im Frühjahr 2000. Sie nutzt diesen Rückschlag, um ihr Studium in Logopädie an der Universität Löwen mit Auszeichnung zu beenden. Danach beschließt Kim Gevaert Profi zu werden und sich hauptsächlich auf den Sport zu konzentrieren.
2002 – das Jahr des Durchbruchs
Dies macht sich schon bald bezahlt. Bei der Hallen-EM 2002 gewinnt sie in Wien (Österreich) die 60 Meter und in München erringt sie im Freien sowohl über die 100 als auch die 200 Meter die Silbermedaille. Ihre bis dato größten sportlichen Erfolge gehen mit einem ungeheuren Popularitätsschub und zahlreichen Auszeichnungen in ihrer Heimat einher.
2004 bleibt die stolze Flämin weiter in der Erfolgsspur und kann sich bei der Hallen-WM in Budapest (Ungarn), in belgischer Rekordzeit von 7,12 Sekunden, über die 60 Meter wieder eine Silbermedaille sichern. Bei ihren ersten Olympischen Spielen in Athen (Griechenland) wird sie als zweitbeste Europäerin Sechste im Finale über 200 Meter und erreicht mit der 4x100 Meter Staffel das Finale.
Die EM in Göteborg vor Augen
Unter den Augen ihrer Mutter Mieke, die sie ständig begleitet, verteidigt sie 2005 in Madrid (Spanien) bei der Hallen-EM ihren Titel über 60 Meter und belegt bei der WM in Helsinki (Finnland) wie schon im Vorjahr in Athen den siebten Platz über die 200 Meter.
Das Jahr 2006 beginnt mit einer Bronzemedaille in der Halle von Moskau bei der WM über die 60 Meter. Die 7,11 Sekunden sind ein erster Fingerzeig für die europäische Konkurrenz. Bei den Landesmeisterschaften in Brüssel läuft sie sich mit neuem belgischen Rekord über 100 Meter (11,04 sec) und 200 Meter (22,20 sec) endgültig in die Favoritenrolle für Göteborg.
Am Ziel
In die EM-Stadt reist Kim Gevaert nun als Führende in der europäischen Jahresbestenliste über die beiden kurzen Sprintdistanzen und der Mission, nach 35 Jahren wieder eine Goldmedaille nach Belgien mitzubringen. Vier Tage nach ihrem 28. Geburtstag läuft sie nach 11,06 Sekunden als überlegene Siegerin über die 100 Meter durch das Ziel. Nach dem Rennen gesteht sie: "Der Druck war enorm und ich war sehr nervös."
Zwei Tage später schafft sie es auch noch, in 22,68 Sekunden die 200 Meter zu gewinnen und macht sich damit zur Sprintkönigin von Göteborg. Fast zeitgleich entscheidet Tia Hellebaut überraschend die Hochsprung-Konkurrenz für sich. Ganz Europa sieht die Bilder der gemeinsam feiernden Athletinnen und erlebt die Geburtsstunde der kleinen Leichathletik-Nation Belgien.
Vor der Beendigung ihrer Karriere liegen auf alle Fälle noch die Olympischen Spiele in Peking, wo Kim Gevaert beweisen will, dass sie gegen die starke Konkurrenz aus Jamaika und den USA bestehen kann.