Kirsten Bolm – "Auf Routine verlassen"
Kirsten Bolm sorgte am ersten Tag der Deutschen Hallen-Meisterschaften in Sindelfingen mit ihrem überzeugenden Sieg auf den 60 Meter Hürden für einen Höhepunkt. Danja Werner hat sich für leichtathletik.de mit der Mannheimerin über das Rennen und ihre Chancen bei der Hallen-EM in Madrid unterhalten.
Kirsten Bolm durfte sich als neue Hallenmeisterin feiern lassen (Foto: Gantenberg)
leichtathletik.de:Kirsten, herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Hallentitel. Hatten Sie diese schnelle Zeit (7,93 sec) in Sindelfingen erwartet?
Kirsten Bolm:
Am Freitag hatte ich eigentlich schon gehofft, in diesem Bereich zu laufen, um mich in der Jahresbestenliste in der Welt ein bisschen nach vorne zu schieben. Aber nach dem Vorlauf habe ich da große Zweifel gehabt und bin nur noch auf Sieg gelaufen. Als dann beides geklappt hat, habe ich mich natürlich riesig gefreut.
leichtathletik.de:
Warum die Zweifel?
Kirsten Bolm:
Weil ich mich unheimlich schlecht fühlte. Ich hatte letzte Woche noch eine Grippe und wusste nicht genau, ob ich es dann im Training übertrieben und der Körper dann doch nicht alles so verkraftet hatte, sich das vielleicht rächt. Und weil ich vor dem Vorlauf auch sehr schwere Beine spürte. Ich hatte danach sogar Angst, zuviel Energie zu verlieren. Aber das Adrenalin hat mich gepusht, und ich habe mich dann im Endlauf sehr gut gefühlt, aber vorher eben nicht.
leichtathletik.de:
Gibt es ein Geheimrezept, das Sie dann anwenden, wenn es in solchen Momenten nicht so läuft?
Kirsten Bolm:
Ich habe vor dem Endlauf einfach weniger gemacht, nicht mein volles Programm und mich auf meine Routine verlassen.
leichtathletik.de:
Was ist jetzt das Ziel für die Hallen-EM nach dem nationalen Erfolg, Gold?
Kirsten Bolm:
Das ist ganz schwer zu sagen, weil ich nicht weiß, was die anderen jetzt noch auspacken werden. Es wäre natürlich schön, wenn ich wieder in die Medaillenränge rein laufen könnte, wie beim letzten Mal…
leichtathletik.de:
Motivieren Sie sich eher durch solch hohe Ziele oder sagen Sie, ich gebe mein Bestes und schaue dann mal?
Kirsten Bolm:
Nach außen hin mag ich ungern zu hohe Prognosen geben, weil alles so unberechenbar ist, gerade was international bei einer Hallen-EM so passiert. In Deutschland kennt man sich gegenseitig und dann kann man es besser einschätzen. Ich möchte einfach in diesem Bereich weiterlaufen und noch ein paar Hundertstel zulegen und dann werde ich sehen, wo ich damit lande. Der Endlauf sollte es auf jeden Fall sein und da muss ich dann meine Leistung abrufen. Ich habe natürlich keinen Einfluss darauf, was die anderen machen.
leichtathletik.de:
Wen schätzen Sie von der Konkurrenz am stärksten ein?
Kirsten Bolm:
Ich habe noch ein bisschen Angst vor der Spanierin Glory Alozie, weil die Hallen-EM in Spanien stattfindet. Sie hat zwar noch keine so besondere Zeit stehen, aber das hat manchmal nicht soviel zu sagen bei internationalen Athleten. Die packen plötzlich vor Ort noch drei Zehntel aus. Und dann läuft eine Glory Alozie plötzlich 7,85 Sekunden. So etwas würde mich nicht wundern. Ich kann sie eben noch nicht einschätzen. Die Schwedin Susanna Kallur ist stabil gelaufen, aber so viele gibt es gar nicht, vor denen ich Angst habe.
leichtathletik.de:
Legen Sie im Training jetzt noch besondere Schwerpunkte?
Kirsten Bolm:
Der Start ist immer ein Manko. Der muss stabil sein. Und sonst einfach nur noch ein bisschen Feinschliff, darauf achten, dass ich wegen der Grippe keinen Rückfall kriege, meinen Körper pflege und nicht im Training übertreibe.
leichtathletik.de:
Was ist Ihr Freiluftsaisonziel?
Kirsten Bolm:
Ich möchte einfach mal in der Lage sein, neben der Hallensaison auch die Freiluftsaison richtig durchzuziehen mit allen internationalen Auftritten bei Golden League und Grand Prix' und nicht immer wieder verletzt zu Hause zu sitzen und dafür zu kämpfen, die Form wieder zu kriegen. Das wäre sehr schön. Und dann natürlich die Zeiten vom letzten Jahr anzubieten und bei der WM mit unter den besten Acht dabei zu sein.
leichtathletik.de:
Wie sieht es generell bei Ihnen mit der Anspannung bzw. dem Druck bei wichtigen Wettkämpfen aus?
Kirsten Bolm:
Je wichtiger der Wettkampf und je besser die Form, desto mehr weiß ich auch, dass ich auch die Chance habe, um in die Medaillen zu laufen. Diese Situation macht mich dann noch nervöser. Dann wird auch die Angst größer, einen Fehler zu machen. Bei einem Meeting ist das anders, weil ich da weiß, dass ich die darauf folgende Woche die nächste Chance habe. Meisterschaften sind eben die Chance, deinen Namen ein bisschen aufzuwerten.
leichtathletik.de:
Wie gehen Sie mit dieser Anspannung um?
Kirsten Bolm:
Ich verlasse mich auf meine Routine (lacht). Ich höre auf meine Körperzeichen. Wie gesagt, jetzt habe ich mich geirrt. Ich versuche einfach die Ruhe zu bewahren und mich nicht aus dem Tritt bringen zu lassen. Das ist manchmal nicht so einfach, besonders wenn ich nicht so gut aus den Blöcken komme.
leichtathletik.de:
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!