| Mein Moment 2016

„König Arthur“: Die Rückkehr (3. Teil)

leichtathletik.de war 2016 bei zahlreichen Wettkämpfen live vor Ort und hat von großen Leistungen und den Geschichten abseits der Kunststoffbahn berichtet. In der Kategorie „Mein Moment“ schreiben unsere Reporter, welcher Augenblick der vergangenen Monate ihnen persönlich besonders in Erinnerung geblieben ist. Heute geht's ums Mehrkampf-Meeting in Ratingen und Zehnkämpfer Arthur Abele (SSV Ulm 1846). Die ganze Karriere des „Stehaufmanns“ hat den Stoff für einen Hollywood-Mehrteiler.
Martin Neumann

Ein Sonntagabend Ende Juni. Deutschland führt im Achtelfinale der Fußball-EM gegen die Slowakei mit 2:0. Das Ratinger Waldstadion ist menschenleer. Fast. Nur Arthur Abele, sein Trainer Christopher Hallmann und ich stehen hinter der Tribüne auf der Gegengeraden und sprechen über das, was sich im gerade zu Ende gegangenen Zehnkampf ereignet hat.

Beim Ratinger Mehrkampf-Meeting feierte Arthur Abele nach einem Achillessehnenriss sein drittes Comeback in einer vom Verletzungspech gekennzeichneten Karriere. Mindestens das dritte Comeback! Es gab wohl keinen Zuschauer, Konkurrenten oder Journalisten, der dem sympathischen Ulmer seine grandiose Leistung von 8.605 Punkten nicht von Herzen gönnte.

„Ein sportliches Wunder“

„Was wir an den beiden Tagen gesehen haben, ist für mich ein sportliches Wunder. Man darf nicht vergessen, dass Arthur sich am 21. April 2015 die Achillessehne gerissen hat. Er hat danach angekündigt, stärker zurückzukehren als zuvor. Und das hat er gehalten“, zollte DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska seinem Top-Mehrkämpfer ein großes Lob. Die Leistung war umso höher einzuschätzen, da der Wettkampf sogar wegen sintflutartigen Regens länger unterbrochen werden musste. Auf der Pressetribüne schützten die Journalisten unter einer riesigen Plane Mensch und Material und summten Sinatras „Singing in the rain“, das aus den Lautsprechern ertönte.

Einer ließ sich vom „Sauwetter“ – oder wie Mehrkämpfer zu sagen pflegen „schwierige Bedingungen“ – nicht stoppen: Wie aufgedreht absolvierte Arthur Abele die beiden Zehnkampftage, nach dem Speerwurf auf 71,89 Meter hüpfte er wie ein Derwisch über die Kunststoffbahn. Erst in den Armen seines Trainers endete der Freudentanz. So auf- und überdreht der mittlerweile 30-Jährige im Wettkampf war, so aufgeräumt war er später im Gespräch.

Rock in Ratingen, Rückschlag in Rio

Klar konnte er eine knappe Stunde nach den 1.500 Metern noch nicht so recht einordnen, welche Leistung er gerade vollbracht hatte. Auf die Frage, ob er nun Medaillenkandidat für Rio sei, antwortete Arthur Abele: „So darf ich gar nicht denken. Olympia wird noch einmal ein ganz anderer Wettkampf. Ich war ja vor acht Jahren schon einmal in Peking dabei und hab’s erlebt.“ Auch in Rio blieb er wie 2008 unter seinen Möglichkeiten und belegte mit fast 600 Punkten weniger als in Ratingen nur einen Platz im Mittelfeld.

Klar war der Rückschlag in Rio eine Enttäuschung. Viel wichtiger war für mich aber Arthur Abeles Auftritt in Ratingen. Nach Problemen mit Hüfte, Knie und Fuß, Nabel- und Leistenbruch, Bänderriss, Ermüdungsbruch, Schambeinentzündung, Achillessehnenriss – ja die Krankenakte ist lang – war es eine einmalige Leistung, so stark und so motiviert auf die Zehnkampf-Bühne zurückzukehren. Eine imponierende Vorstellung neun Jahre nach seinem ersten Sieg in Ratingen.

Ich wünsche Arthur Abele noch viele weitere Zehnkämpfe auf diesem Niveau. Voller Power, Kampfgeist und Leidenschaft. Nur die Verletzungsseuche soll er endlich hinter sich lassen. Die Comeback-Trilogie kann kein würdigeres Ende als diesen Juniabend in Ratingen finden.

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