Konstantin Krause - „Alles in Frage stellen“
Viele kennen Konstantin Krause noch als Weitspringer. Mehrmaliger Deutscher Meister, 8,27 Meter als Bestleistung, Zweiter der Hallen-EM 1992. Seit Mitte Februar ist er Veranstaltungsdirektor beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Mit leichtathletik.de sprach der 40-Jährige über seine Ziele und Visionen.

Konstantin Krause:
Wir hatten wie in den letzten Jahren eine gut organisierte Veranstaltung, aber der Wermutstropfen war sicherlich: wenig Stimmung, wenig Atmosphäre. Leistungsmäßig müssen das andere einschätzen, aber mich persönlich hat der 800-Meter-Lauf der Männer sehr fasziniert. Das ist es, was einen packt: Die Duelle, frische Gesichter gemischt mit Älteren. Aber die Aufmerksamkeit, die diese Veranstaltung genossen hat, und die Stimmung, die dort herrschte, damit können wir sicherlich nicht zufrieden sein. Es war, um es hart zu sagen, ein ziemlicher Langweiler.
Athleten haben sich beschwert, dass die Ränge leer waren, es keine Präsenz im Fernsehen gab. Kann man das verändern?
Konstantin Krause:
Man kann es mit Sicherheit verändern. Das ist ein Anspruch, den ich habe: Die Dinge, die es zu verändern gilt und die man auch verändern kann, anzupacken. Und das ist eine ganze Menge. Aber auch der Athlet muss sich ein Stück weit an die eigene Nase greifen, denn er ist Teil des Ganzen, Teil der Show. Auch wenn das manche nicht gerne hören, aber ich sehe es als Unterhaltungsveranstaltung. Unser derzeitiges Publikum gehört zum harten Kern, der der Unterhaltung gegenüber nicht unbedingt positiv gestimmt ist, sondern gut informiert werden will. Wir müssen aber auch darüber hinaus schauen und versuchen, ein Publikum zu erreichen, das im weitesten Sinne sportinteressiert ist. Gleichzeitig müssen wir auch die „Hardcore-Fans“ erreichen. Alle müssen wir dafür gewinnen, an Veranstaltungen mitzuwirken, dabei zu sein und anzufeuern.
Welche Rolle spielen dabei die Athleten?
Konstantin Krause:
Sie spielen die entscheidende Rolle. Durch ihre Leistungen, aber auch dadurch, wie sie sich darstellen. Ich war selbst Athlet und für mich war der Unterhaltungswert immer wichtig. Jeder Athlet muss auch ein Stück weit exhibitionistisch veranlagt sein, sich zeigen wollen. Und diese Rolle der Athleten in diesem Unterhaltungswerk vermisse ich oft noch. Typen mit Persönlichkeit, die etwas zu sagen haben, gibt es genug, wir müssen ihnen natürlich auch eine Plattform bieten.
Heißt das, wir brauchen mehr Tim Lobingers?
Konstantin Krause:
Tim Lobinger wird da natürlich immer angeführt. Ich bin ein Fan von ihm, denn er macht seinen Job sehr professionell. Man muss nicht immer einer Meinung sein, mit allem, was er tut, aber er hat eine sehr große Aufmerksamkeit. Er ist der einzige, der über die Sportart heraus eine gewisse Bekanntheit erreicht hat. Er macht den Mund auf und er polarisiert. Und das ist wünschenswert.
Sie sind seit Mitte Februar beim Deutschen Leichtathletik-Verband. Wie kam es dazu?
Konstantin Krause:
Ich habe immer mit einem Auge zur Leichtathletik geschielt, bin ihr seit 30 Jahren als Athlet, als Manager, als Moderator und als Organisator sehr eng verbunden und der Deutsche Leichtathletik-Verband kennt mich natürlich auch durch meine Nationalmannschaftseinsätze. Daher habe ich mich um diese Stelle beworben.
Hat Ihre sportliche Vergangenheit auch eine Rolle gespielt? Dass sie beispielsweise jetzt Dinge ändern können, die Sie als Athlet bereits gestört haben?
Konstantin Krause:
Viele werden sich sicherlich wundern, dass ich hier in dieser Position gelandet bin, denn ich habe mich durchaus immer kritisch auseinandergesetzt mit dem, was hier im DLV geschah. Ich habe aber irgendwann vor der Entscheidung gestanden: Willst Du ewiger Kritiker sein oder möchtest Du zu denen gehören, die auch etwas bewegen können. Und ich habe mich letztendlich für die Seite der Bewegenden entschieden. Zudem hat sich auch der DLV in den letzten Jahren sehr verändert, in seinem Erscheinungsbild, seinem Auftreten.
Was ist Ihr Aufgabengebiet beim DLV?
Konstantin Krause:
Ich habe die Verantwortung für über 30 Veranstaltungen, die im Bereich des DLV liegen. Dazu gehören auch das Bewegungscamp, der Walking-Day und der night run. Aber die Hauptverantwortung liegt natürlich bei den Deutschen Meisterschaften und Deutschen Hallen-Meisterschaften sowie bei der DLV-Gala. Hinzu kommen Veranstaltungen, die für mich in Bezug auf ein einheitliches Erscheinungsbild eine große Bedeutung haben. Die Veranstaltungen sollen einen Wiedererkennungswert haben: Wo DLV draufsteht, ist auch DLV drin. Zudem sehe ich es als meine Aufgabe, in die Landesverbände zu kommunizieren, was die Strategie des DLV ist. Ich würde den DLV gern als Dienstleister für Veranstaltungen positionieren, der Hilfestellungen anbietet. Interessant sind für mich auch die Deutschen Jugend-Meisterschaften, die ein großes Potenzial darstellen, die man aber sicherlich auch noch anders präsentieren kann.
Was ist das große Ziel, mit dem Sie beim DLV gestartet sind?
Konstantin Krause:
Um es auf ein Wort zu bringen: Veränderung. Ich habe mal gesagt, nach den Deutschen Meisterschaften sollte die Schlagzeile lauten: Die Leichtathletik bewegt sich. Ich möchte, dass die Leichtathletik wieder dorthin kommt, wo sie hingehört. Sie ist die Kernsportart der Olympischen Spiele. Wir haben bei den Medien keine Aufmerksamkeit, das ist dramatisch. Das gilt es zu verändern. Mein Credo ist, alles in Frage zu stellen. Dabei müssen alle Beteiligten in den Prozess aber miteinbezogen werden. Das heißt nicht, dass wir alles neu machen müssen. Wir müssen auch Erfahrungen von Beteiligten mit einbringen.
Haben Sie schon bestimmte Ideen entwickelt?
Konstantin Krause:
Es gibt zwei Herzstücke. In der Promotion, das heißt der Bewerbung einer Meisterschaft, müssen wir komplett andere Wege gehen. Ein paar Plakate und Flyer füllen keine Stadien. Wir müssen spektakuläre Wege gehen. Ich sehe mich da in gewisser Weise auch als Produktentwickler. Dass wir bis Nürnberg schon neue Zielgruppen erreichen, wird uns nur bedingt gelingen. Aber wir müssen neue Ideen entwickeln. Auch unsere Homepage birgt da riesiges Potenzial.
Und was ist der zweite Bereich?
Konstantin Krause:
Das Produkt Leichtathletik muss zudem auch kurzweiliger, interessanter und verständlicher werden. Dies fällt in den zweiten Bereich, in die Präsentation. Das Publikum muss unterhaltsam durch das Programm geführt und gleichzeitig der Athlet bei der Leistungserbringung unterstützt werden. Das können wir durch Anerkennung für ihre Leistungen erzeugen, die wir durch Moderation initiieren. Was auf keinen Fall passieren darf, ist dass ein Zuschauer, der möglicherweise zum ersten Mal da ist, nicht weiß, wer gewonnen hat. Das führt zu Desinteresse. Wir müssen unsere technischen Möglichkeiten nutzen und mehr Emotionen erzeugen.
Muss sich auch die Leichtathletik an sich ändern oder sind es vielmehr die Rahmenbedingungen, die erneuert werden müssen?
Konstantin Krause:
Im Rahmen einer Meisterschaft sehe ich keine Veränderungen der Leichtathletik an sich. Wir können national keine Neuerungen einführen, die international nicht umgesetzt werden. Da bin ich konservativ. Medaillen sind der Glanz und die Spannung der Meisterschaften. Die Verantwortung sehe ich hier bei den Meeting-Direktoren. Sie können neue Konzepte entwickeln und neue Wettkampfformen schaffen. Es gibt ja schon Ansätze, aber da fordere ich auch auf, noch mehr Mut zu haben.
Bei Deutschen Meisterschaften gilt es also, die Rahmenbedingungen zu ändern?
Konstantin Krause:
Bei Deutschen Meisterschaften hat man acht Stunden Wettkampf-Programm, das kann man eigentlich nicht verkaufen. Was spricht gegen einen Qualifikations- und einen Finaltag? Was spricht gegen A- und B-Ligen? Man muss die Teilnehmerfelder verkleinern, sonst schlafen einem die Füße ein und die Top-Athleten können auch keine Leistung mehr erbringen. In einer Qualifikation, die man am Vormittag machen kann, qualifizieren sich die besten Acht fürs Finale. Deutsche Meisterschaften sind kein „Wünsch Dir was“, wer das Niveau nicht hat, kann dort auch nicht starten.