Kreuzschnepper ist nichts für Ariane Friedrich
Der Springer ist bereit zum letzten Versuch. Zwei Meter liegen auf. Das Publikum hält den Atem an. Der Springer läuft langsam, dann immer schneller los. Direkt von vorne steuert er auf die Latte zu. Er springt ab, reißt das Schwungbein so hoch er kann. Das Absprungbein wird nachgezogen. Zuerst gehen beide Füße über die Latte. Doch was passiert dann?
So wie es Carolina Klüft macht, wird heute gesprungen (Foto: Krebs)
Nun lehnt sich der Springer weit zurück, geht ins Hohlkreuz, berührt die Latte nicht, sie bleibt oben; und der Springer landet gekonnt auf beiden Beinen in der Sandgrube.So ähnlich muss es ausgesehen haben, als der US-Amerikaner Clinton Larsen 1917 die zwei Meter übersprang. Seine Technik: Der Kreuzschnepper. Dieser Sprungstil erinnert ein wenig an den Fosbury-Flop, nur andersherum! Mit den Füßen zuerst.
Von dieser Technik hat Hochspringerin Ariane Friedrich von der LG Eintracht Frankfurt noch nie etwas gehört. "Klingt abenteuerlich, ist aber nichts für mich", grinst sie. Die Blondine springt natürlich, wie heutzutage alle Spitzen-Hochspringer, im Fosbury-Flop. Vom Kreuzschnepper bis zur heutigen Technik war es allerdings ein langer Weg.
Unsanfte Landung
Der Kreativität der Springer waren zunächst Grenzen gesetzt. Bis zum Jahr 1932 musste man die Latte mit den Füßen zuerst überqueren. Der Grund: Die Sicherheit. Es gab keine Matten. Die Springer landeten in der Sandgrube. Ab den Fünfziger Jahren sorgten Sandhügel für eine etwas sanftere Landung.
Es entwickelten sich viele verschiedene Techniken. Neben dem Schersprung und dem Rollsprung kam die Wälztechnik auf. Besser bekannt unter dem Namen Straddle. Mit dieser Technik überwanden die Männer in dieser Zeit die größten Höhen. Bei den Frauen hielt sich der Schersprung. Die Rumänin Jolanda Balas schaffte 1961 mit diesem Sprungstil 1,91 Meter.
1965 Schaumstoffmatten
"Das ist eine beeindruckende Leistung", sagt Ariane Friedrich. Im Training springt sie, wie viele andere Hochspringer auch, manchmal mit der Scherentechnik. "Die ist dem Flop in der Anlaufgestaltung sehr ähnlich", sagt Günter Eisinger, Trainer von Ariane Friedrich. "Zur Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten ist es im Training auch ratsam, andere Techniken, unter anderem den Schersprung, einzubauen."
Um 1965 kamen dann die ersten Schaumstoffmatten zum Einsatz. "Das war der entscheidende Schritt", meint Günter Eisinger. Von nun an konnten die Springer nahezu gefahrlos auch auf dem Rücken landen.
Straddle gegen Flop
Bei den Olympischen Spielen in Mexico City machte Dick Fosbury schließlich eine neue Technik weltbekannt: den Flop. Er übersprang 2,24 Meter und holte den Olympiasieg. Nicht sein physikalisches Wissen brachte Dick Fosbury zur Floptechnik, sondern schlichtes Ausprobieren.
Vor ihm sprangen schon andere us-amerikanische und kanadische Hochspringer mit einer ähnlichen Technik, aber Dick Fosbury hatte den Mut, diese neue Technik zu verbessern und zu stabilisieren und wurde dafür belohnt. Am Tag nach dem Auftritt von Dick Fosbury in Mexico City versuchten sich immer mehr Hochspringer in der neuen Technik, sofern die Anlagen schon mit Matten ausgestattet waren. Dass der Flop den Straddle verdrängen würde, zeigte sich in den folgenden Jahren.
Hohe Ansprüche beim Straddle
"Der Straddle ist kraftbetont und stellt hohe Ansprüche an Beweglichkeit und Koordination", sagt Günter Eisinger. Vielen Springern sah man an, dass sie im Straddle springen. "Das Sprungbein war sehr oft kräftiger ausgeprägt als das Schwungbein."
Beim Flop kommt es neben der Koordination auch auf die Schnelligkeit an. "Der Flop ist leichter zu erlernen und außerdem ein angenehmer, fließender Bewegungsablauf", sagt Günter Eisinger. Physikalisch gesehen ist es wichtig, das der Körperschwerpunkt möglichst eng über die Latte geführt wird. Das ist beim Straddle, wie beim Flop der Fall. Dabei fliegt der Körper beim Flop quer über die Latte. Zuerst den Kopf über die Latte, zum Schluss die Beine. Beim Straddle windet sich der Springer dagegen parallel über die Latte.
Flop setzt sich durch
Gerade bei den Frauen setzte sich der Flop schnell durch. Bei den Männern verschwand der Straddle erst in den Achtziger Jahren. Eine Ausnahme war Zehnkämpfer Christian Schenk. Der Olympiasieger von 1988 sprang auch in den Neunzigern noch im Straddle und das mit Erfolg. Trotzdem setzte sich auch bei den Männern der Flop durch.
Aber es kommt nicht nur auf die Technik an. Denn egal wie man springt, entscheidend ist beim Hochsprung oft der Kopf. "Das ist auch die große Stärke von Ariane", sagt Günter Eisinger. Zuletzt hat sie das wieder bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften in Karlsruhe bewiesen. Trotz starker Erkältung übersprang sie im letzten Versuch 1,90 Meter und gewann den schon verloren geglaubten Meistertitel.
In der bevorstehenden Saison ist die EM in Göteborg das Ziel von Ariane Friedrich. "Ich trainiere konsequent für dieses Ziel", sagt die 22-Jährige. Mit welchem Stil sie dieses Unternehmen angeht, steht außer Frage!