Kristin Gierisch - Springen statt tief fallen
Früher ist Dreispringerin Kristin Gierisch schon mal gerne aufs Pferd gestiegen - aber auch schnell wieder auf dem Boden angekommen. „Ich bin dauernd runtergefallen, hab‘s wieder versucht und bin gleich wieder gefallen - da hab ich irgendwann gesagt: Schluss, Feierabend.“ Heute geht es für die Chemnitzerin weit hinaus statt tief hinunter. Sie gehört zu den großen Hoffnungen im deutschen Frauen-Dreisprung.
Wenn in den vergangenen Jahren über schwächelnde Disziplinen in der deutschen Leichtathletik diskutiert wurde, ging es oft auch um den Frauen-Dreisprung. Spätestens seit dem 25. Januar sorgt eine junge Springerin für starken Aufwind in der Sorgen-Disziplin. Mit ihrer deutschen A-Jugend-Hallen-Bestleistung schickt sich Kristin Gierisch, gerade einmal 18 Jahre alt, an, die lange Durststrecke zu beenden.13,66 Meter flog die zierliche Springerin in Chemnitz weit. „Das kam schon ganz schön überraschend für mich“, erzählte sie drei Wochen später, nachdem sie gerade mit 13,52 Metern in der Neubrandenburger Halle ungefährdet zum Deutschen Jugend-Meister-Titel geflogen war. 13,31 Meter in Chemnitz und 13,35 Meter in Erfurt hatte sie zum Saisonstart davor erzielt. „Das war schon Bombe“, sagt sie. Für den richtigen Knaller sorgte sie in ihrem dritten Saison-Wettkampf.
Jenny Elbe legte vor
Die Dresdnerin Jenny Elbe legte gleich im ersten Durchgang 13,58 Meter vor und pulverisierte damit die deutsche A-Jugend-Hallen-Bestleistung, die bis dahin die jetzige Wattenscheiderin Karoline Köhler mit 13,39 Metern gehalten hatte. „Da wollte ich dann einfach nur noch hinterher“, erzählte Kristin Gierisch - und zog im zweiten Durchgang gleich. Wegen des besseren zweiten Versuchs lag Jenny Elbe bis zum letzten Durchgang vorne, musste aber hinnehmen, dass Kristin Gierisch sie mit 13,66 Metern noch überflügelte. „So richtig realisiert habe ich es noch immer nicht“, gibt diese zu.
Vielleicht auch, weil es im vergangenen Jahr gar nicht danach aussah. „Ich hatte Probleme mit der Schilddrüse, lag im Krankenhaus, war am Knie verletzt und musste für die Schule viel machen, weil ich aufs Gymnasium gekommen bin“, erinnert sich Kristin Gierisch „Da kam dann alles zusammen. Ich hatte mir die Schule dann erst einmal als Priorität gesetzt und der Sport lief ein bisschen nebenher.“ Heute ist das kein Thema mehr, das Tal ist überwunden und die junge Dreispringerin nähert sich dem Gipfel mit großen Schritten bzw. Sprüngen.
Sprungbein-Folge umgestellt
Genutzt hat Kristin Gierisch die Zeit trotzdem. „Wir hatten gemerkt, dass ich den Step immer wegdrücke“, erzählt sie. Also stellte sie mit ihrem Trainer Harry Marusch einfach mal die Reihenfolge des Sprungbeins um, statt links, links, rechts ist nun rechts, rechts, links die neue Zauberformel. Hinzu kommt ihre eigentliche Stärke, die Schnelligkeit am Brett, die sie auch in Weite umsetzen kann. „Bei Beinbeugen mit 135 Kilo sollte das kein Problem sein“, sagt sie lachend.
Nachdem Jenny Elbe in Neubrandenburg wegen einer Fersenprellung nicht am Start war, flog Kristin Gierisch unangefochten zum Titel. Am Wochenende (21./22. Februar) könnte dies anders sein. Dann startet die Gymnasiastin, die in drei Jahren ihr Abi an der Sportschule in Chemnitz machen will, bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften der „Großen“ in Leipzig - und hat dort berechtigte Hoffnungen auf den Titel.
Katja Demut ärgern
Keine Deutsche flog in diesem Winter weiter als die Chemnitzerin, sie bleibt trotzdem bescheiden in ihrer Zielsetzung: Wieder so springen wie in Neubrandenburg, vielleicht ein bisschen weiter und „eventuell Katja Demut ein bisschen ärgern“. Die Jenaerin war zuletzt die beste deutsche Dreispringerin, und ist in diesem Winter bislang 13,60 Meter weit geflogen.
Und auch das Thema Hallen-EM in Turin (Italien; 6. bis 8. März) schwirrt noch durch den Raum, bei genau 14,00 Metern liegt die Norm. „Ich bin das schon gesprungen“, erzählt die Chemnitzerin. „Leider waren die Sprünge immer ungültig.“ Auch wenn der erste internationale Start bei den Erwachsenen in greifbarer Nähe ist, Kristin Gierisch setzt sich nicht unter Druck. „Ich bin ja erst 18. Wenn es passiert, dann passiert es und wenn nicht, dann bin ich trotzdem mit meiner guten Weite zufrieden.“ Die Ziele für den Sommer sind hingegen gesteckt: Die U20-EM im serbischen Novi Sad und „immer weiter springen als davor“.
Konkurrenz belebt das Geschäft
Auf Unterstützung kann sie dabei weiter auch von der Dresdnerin Jenny Elbe hoffen. „Wir pushen uns gegenseitig, jeder will gewinnen“, beschreibt Kristin Gierisch die freundschaftliche Konkurrenz, von der beide profitieren. „Wenn man jemanden hat wie sie, die einen mitzieht, dann ist das schon schön.“
Dass sich die deutschen Leichtathletik-Fans jetzt überhaupt über ihre Flüge freuen dürfen, haben sie zu einem Großteil auch ihrer Mathelehrerin zu verdanken, die sie in der vierten Klasse im Sportunterricht entdeckte und mit zum SV Vorwärts Zwickau nahm. Von Anfang an stand Springen ganz oben auf der Beliebtheitsskala, bei einer Talentsichtung in Chemnitz wurde bei Sprungläufen und Mehrfachsprüngen dann ihr Talent für den Dreisprung entdeckt.
Seit drei Jahren hat sie sich jetzt dem Dreisprung verschrieben, und das mit großem Spaß. „Immer wenn auf meinem Trainingsplan steht wir springen, dann freue ich mich einfach nur. Das ist mein Ding“, sagt sie bestimmt und die Augen leuchten. Und eines ist ja auch sicher: Beim Dreisprung landet man im Sand viel weicher als bei einem Sturz vom Pferd!