| Comeback

Kristina Gadschiew meistert erstes Etappenziel

Stabhochspringerin Kristina Gadschiew hat am Samstag in Luxemburg nach ihrem Achillessehnen-Abriss im vergangenen Juni für viele überraschend ihr Comeback gegeben. Die 4,15 Meter aus zwölf Anlaufschritten waren für sie aber nur ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zum eigentlichen Comeback im Sommer.
Manuel Keil

Etwa eine Woche vor ihrem Wiedereinstieg ins Wettkampfgeschehen erschien im Pfälzer Merkur ein Interview mit Kristina Gadschiew. Der Titel: „Hallo, hier bin ich wieder.“ Darin ging es hauptsächlich darum, dass sie nach ihrem Achillessehnenabriss wieder trainiert. Außerdem war zu lesen, dass die Hallensaison noch kein Thema sei. Nach dem vergangenen Wochenende kann sie nun auch im Wettkampf sagen: „Hallo, hier bin ich wieder.“

„Für mich ist die Hallensaison aber immer noch kein Thema. Erst, wenn ich konkurrenzfähig bin. Momentan bin ich nicht konkurrenzfähig, und deswegen mache ich für mich im Kopf keine Hallensaison“, sagt sie.

Dass sie jetzt wieder im Wettkampf gesprungen ist, sei zwar „cool“ für sie persönlich, habe aber nichts damit zu tun, dass es eine Hallensaison sei. „Deswegen drücke ich das auch immer so aus. Für mich findet die Hallensaison nicht statt, aber wettkampfmäßig tue ich schon was. Ansonsten kann ich im Sommer nicht springen.“

4,15 Meter aus verkürztem Anlauf

Sie war am Samstag selbst ein wenig überrascht, dass sie aus verkürztem Anlauf auf Anhieb 4,15 Meter überquerte. „Das hätte ich mir ehrlich gesagt nicht zugetraut. Ich hätte eher gedacht, ich komme hierher und nulle.“ Auch ihr Trainer Andrei Tivontchik war zufrieden: „Sie ist insgesamt vier Höhen gesprungen. Da sind 4,15 Meter schon gut für den ersten Wettkampf.“

Wie sehr sich Kristina Gadschiew auf den Wettkampf gefreut hatte, das war ihr schon beim Aufwärmen anzusehen. Gut gelaunt und mit einem Lächeln im Gesicht bereitete sie sich vor, suchte beim Einspringen immer wieder den Kontakt zum Trainer und freute sich, wenn der Anlauf noch mal länger wurde und sie zum nächst härteren Stab greifen sollte.

„Ich freue mich immer auf Wettkämpfe. Dafür mache ich es. Ich springe einfach super gerne und kann nicht trainieren, wenn ich keine Wettkämpfe mache“, verriet sie später. „Das geht für mich nicht. Ich brauche ein Ziel. Auch wenn das Ziel wie jetzt nur lautet: Ich nehme an einem Wettkampf teil. Dann reicht das für mich.“

Trainingslager als Motivation in der Reha

Bereits im Juli, nur wenige Wochen nach ihrer Operation, hatte sie das Etappenziel DLV-Trainingslager in Südafrika vor Augen. Entsprechend überrascht wurde sie von ihren Ärzten angeschaut, als sie das Ziel äußerte, dort wieder aus vier bis acht Schritten springen zu wollen. „Ich habe mir gesagt, mit Unterstützung und mit Hilfe von den Ärzten möchte ich bis dahin soweit sein. Ansonsten fährst du nicht mit“, erinnert sie sich. „Ich bin einfach kein Typ, der ins Trainingslager fährt, um sich hinzulegen und zu entspannen. Wenn ich mitfahre, will ich springen.“

Bevor sie im Oktober wieder mit dem Joggen, sie selbst spricht auch von „Geh-Joggen“, anfangen konnte, standen vor allem Krafttraining und Stabilisationsübungen auf dem Reha-Plan. Im November habe sie dann wieder begonnen, aus zwei Schritten zu springen. „Das war zeitlich gesehen das Optimum, von dem vorher nicht klar war, ob das zu diesem Zeitpunkt schon möglich ist.“ Sie gibt auch zu, dass sie auf dem Weg dorthin immer wieder gebremst werden musste. Schließlich sei sie der „ungeduldigste Mensch ever“.

Wieder komplett schmerzfrei

Inzwischen ist die Verletzung gut verheilt und der Fuß ist komplett schmerzfrei. „Dafür ist aber meine Reaktionsgeschwindigkeit weg und die linke Wade ist kraftmäßig auch erst so bei 60 bis 70 Prozent“, beschreibt die 30-Jährige die aktuelle Situation. „Deswegen kann ich noch nicht das springen, was ich normal springe. Ich muss das langsam wieder aufbauen, weil die Reaktionsgeschwindigkeit nur mit den Sprüngen beim Absprung kommt. Dafür brauche ich Zeit. Das ist vor allem vom Kopf her sehr sehr schwierig.“

Solange sie noch nicht 100-prozentig fit ist bleibt sie daher beim verkürzten Anlauf. „Im Vorfeld war geplant: Wenn ich im Sommer zurückkehren möchte, dann muss ich im Winter wenigstens aus zwölf Schritten Springen. Ansonsten ist das nicht aufholbar. Ich mache das ja schon über zehn Jahre. Und ich weiß, wie die Stabhochsprung-Welt funktioniert.“ Eine Prognose für den Sommer kann und will sie noch nicht machen. „Ich mache nur Prognosen, wenn ich sie erfüllen kann. Und im Wettkampf weiß ich momentan noch gar nicht, was ich tue“, scherzt sie.

Hallen-DM-Start noch offen

Für die Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe (21./22. Februar) hat Kristina Gadschiew zwar eine Sonderstarterlaubnis beantragt und bekommen, ob sie die nutzt ist aber noch offen. „Das überlege ich mir noch. Ich gucke jetzt erst einmal wie meine Trainingseinheiten weiter laufen. Mit 4,15 Metern macht Karlsruhe für mich keinen Sinn“, findet sie. Wenn sie bis dahin allerdings 4,20 oder 4,30 Meter springen und ihren Anlauf vielleicht doch noch um zwei Schritte verlängern kann, wäre ein Start aber schon ein Thema.

„Wenn man vorab direkt wieder plant an Deutschen Meisterschaften mitzumachen, dann wäre das ja so etwas wie eine Hallensaison. So oder so, in meinem Kopf mache ich keine Halle. Sonst ist es für mich im Moment noch zu schwierig mich zu überwinden.“ Auch der Wettkampf in Luxemburg hat sich erst kurzfristg ergeben. Ihre Trainingskollegin Gina Reuland, die am Samstag mit 4,25 Metern einen neuen luxemburgischen Rekord aufstellte und vor Kristina Gadschiew Zweite wurde, hatte sie einfach mit angemeldet.

Arbeit als Vertretungslehrerin

Dass Kristina Gadschiew sich ganz auf ihre persönlichen Etappenziele konzentriert sah man in Luxemburg auch nach dem Wettkampf. Beim Aufruf zur Siegerehrung fragte sie ihren Trainer erst einmal: „Muss ich eigentlich zur Siegerehrung?“ Bei der Freude über das gelungene Comeback war ihre Platzierung in den Hintergrund gerückt. Die nötige Ablenkung, um auch im Alltag nicht zu viel über die Verletzung nachzudenken, gibt ihr ein neues berufliches Umfeld.

Nachdem Gadschiew im vergangenen Jahr ihr Lehramts-Studium abgeschlossen hat, arbeitet sie seit diesem Halbjahr als Aushilfslehrerin am Hofenfels-Gymnasium in Zweibrücken. „Darauf hatte ich mich beworben, und zum Glück brauchten die dringend jemanden für Chemie“, freut sie sich. Das sei gut, um Erfahrungen zu sammeln.

„Ich habe vormittags Schule, nachmittags trainiere ich und abends bereite ich meine Stunden vor“, beschreibt sie ihren Tagesablauf. „Das ist natürlich ein Fulltime-Job, aber irgendwann muss ich auch anfangen zu arbeiten. Leider kann ich den Sport ja nicht ewig machen und versuche nun langsam einzusteigen. Eine so große Umstellung ist es aber nicht. Ich hatte ja vorher das Studium und da musste ich mich auch anpassen.“ Neben sportlichen (Etappen-)Zielen hat Kristina Gadschiew sich für den Sommer auch ein berufliches gesteckt: einen Referendariatsplatz in ihrem Landkreis.

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