Kritik am DOSB heizt Strukturdebatte an
Heftige Kritik von Verbänden, Politik und Experten sind die Reaktion nach dem Bekenntnis des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), er wolle an Förderkonzept und Zielvereinbarungen festhalten.
Der Deutsche Olympische Sportbund steckt nach den Sommerspielen in London (Großbritannien) mitten in einer kontrovers geführten Strukturdebatte. Der Dachverband sieht sich selbst unter Druck, stellt auch an die Politik die Frage, welchen Stellenwert der Sport in der Gesellschaft hat und strebt höhere Zuwendungen durch das Bundesinnenministerium (BMI) an.Zugleich verschärft sich nach dem am Dienstag vom DOSB abgegebenen Bekenntnis zum Festhalten am bisherigen Förderkonzept und den umstrittenen Zielvereinbarungen die Kritik durch Fachverbände, Politik und Experten.
Etliche Verbände fürchten über Monate Ungewissheit, was ihr Olympiaergebnis hinsichtlich der künftigen Förderung bedeutet. Sie fordern klare Zahlen und für ihren Etat 2013 Planungssicherheit. So der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV), der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) und der Deutsche Fechterbund (DFeB). Der DOSB macht deutlich, Planungssicherheit habe er vor Verabschiedung des Bundeshaushalts im Oktober/November selbst nicht. Zuvor werde man beim BMI die Dringlichkeit der Mittelerhöhung deutlich machen.
Externer Sachverstand nötig?
Nachdem der Sportsoziologe Helmut Digel dem DOSB vorgeworfen hatte, bei ihm gebe es zu viel Bürokratie und zu wenig Sachkompetenz, erklärte Dagmar Freitag (SPD) als Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag in der "Welt": "Ich meine, der DOSB täte gut daran, auch externen Sachverstand einzubeziehen. Einige renommierte Experten haben sich ja bereits öffentlich geäußert. Die Frage ist: Will man solche kritischen Geister auch anhören? Oder will man sich auf die Schulter klopfen und sagen: Ist doch eigentlich ganz gut gelaufen?"
In seiner nächsten Sitzung am 26. September will sich der Bundestagssportausschuss mit dem Thema Sportförderung und Zielvereinbarungen befassen. "Eine interessante Frage wird sein, ob das BMI und der DOSB auch im kommenden Olympiazyklus wieder ein solches Staatsgeheimnis über die Inhalte der Zielvereinbarungen machen wollen - oder ob sie die klare Botschaft des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin für die Zukunft akzeptieren", merkt Dagmar Freitag an.
"Wir stehen den Zielvereinbarungen sehr kritisch gegenüber", sagt Clemens Prokop, Präsident im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). Nachdem Sportdirektor Thomas Kurschilgen schon während Olympia seinem Unmut Luft gemacht hatte: "Medaillenzählen löst Strukturprobleme nicht", kritisiert Clemens Prokop, der DOSB orientiere sich zu sehr an Olympia-Medaillen. "Der gesamte Olympiazyklus, die Welt- und Europameisterschaften werden nicht berücksichtigt, auch nicht die Frage, ob in einer Sportart 30 oder über 200 Nationen präsent sind."
Auch andere Verbände zweifeln
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der DLV zwar hinsichtlich achtmal Edelmetall die Zielvereinbarung erfüllte, doch statt zwei Goldmedaillen nur eine gewann, fragt sich Clemens Prokop: "Sind nun die drei Zentimeter, die David Storl an Kugelstoß-Gold fehlten, am Ende entscheidend? Und was ist, wenn sich der Leistungsträger einer Sportart verletzt. Ist das Ergebnis des Verbandes dann gegen Null?"
Sven Ressel, Sportdirektor des DFeB, macht nach nur je einmal Silber und Bronze in London deutlich: "Natürlich haben wir Angst, dass wir weniger kriegen. Wir pochen darauf, dass wir endlich Planungssicherheit bekommen. Im Moment haben wir unsere Arbeitsverträge auf den Status Quo von 2012 ausgerichtet. Wenn wir jetzt weniger bekommen, sehen wir ein bisschen doof aus."
Der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB), der die Vorgaben der Zielvereinbarung übererfüllte, will sich kommende Woche erklären. Bislang teilte er mit, er stelle die Prinzipien der Leistungssport-Förderung in Frage. Präsident Thomas Weikert und Ehrenpräsident Hans Wilhelm Gäb zweifeln auch, "ob die jetzigen, aus Steuergeldern finanzierten Investitionen in den Leistungssport auf gesellschaftspolitischen Nutzen für das ganze Land abzielen, ob sie ausreichend sind und ob sie innerhalb des Sports nach verständlichen und transparenten Kriterien verteilt werden."
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)