Läufer des Jahres: „Faszination Straßenlauf"
Anna Hahner (run2sky.com) und Jan Fitschen (TV Wattenscheid 01) wurden am vergangenen Wochenende in Krombach bei Siegen als erste deutsche „Läufer des Jahres“ ausgezeichnet. Im Doppel-Interview sprechen sie über die Bedeutung der Wahl, über ihren Weg zum Marathon und über ihre Ziele für 2013.
Frau Hahner, Herr Fitschen: Was bedeutet es Ihnen, als erste deutsche Athleten die Auszeichnung als „Läufer des Jahres“ in Empfang zu nehmen?Anna Hahner:
Sehr viel. Es war richtig cool, als sich mein Bild langsam an der Wand aufbaute und ich als erstes das Handtuch gesehen habe, das ich im Ziel des Berlin-Marathons in der Hand hatte. Da habe ich gedacht: Moment, das bist ja du. Und an der Stelle habe ich mich riesig gefreut, so viel Unterstützung von allen Läufern in Deutschland zu bekommen.
Jan Fitschen:
Es ist toll, dass wir jetzt am Ende des Jahres so eine Veranstaltung haben, bei der unsere Leistungen noch einmal gewürdigt werden. Das gilt nicht nur für die Sieger, sondern auch für alle anderen Nominierten, von denen einige den Sieg nach ihren Leistungen genauso verdient hätten wie ich. Mir gefällt besonders, dass mit der Wahl und der Ehrung der Schulterschluss zwischen uns Profiathleten und den Freizeitläufern hergestellt wird.
Fühlen Sie sich mit den Millionen von Hobbyläufern in Deutschland wirklich verbunden, oder lebt man als Profi doch in seiner eigenen Welt, die mit dem Alltag eines Freizeitläufers nur wenig bis gar nichts zu tun hat?
Anna Hahner:
Das macht doch gerade die Faszination des Straßenlaufs und besonders des Marathons aus: Man steht mit 40.000 anderen Sportlern gemeinsam an der Startlinie. Das gibt es in keiner anderen Sportart. Als Spitzenläufer fühlt man sich mit jedem verbunden, der läuft, auch wenn natürlich nicht jeder mit dem absoluten Leistungsgedanken antritt.
Jan Fitschen:
Als Profi erlebt man die gleichen Emotionen wie jeder Hobbyläufer: Wer für seinen ersten Zehn-Kilometer-Lauf trainiert und dabei von einer Verletzung gebremst wird, ärgert sich genauso wie wir – auch wenn wir natürlich viel mehr davon abhängig sind, ohne Verletzungen trainieren zu können, weil wir mit dem Laufen unser Geld verdienen. Aber wer seinen ersten Marathon finisht, empfindet ein ähnliches Hochgefühl wie wir, wenn wir gewinnen oder unsere Bestzeiten verbessern. Und jeder Freizeitläufer macht sich die gleichen Gedanken wie wir über sein Training, die richtige Ernährung, die passende Ausrüstung und die Motivation. Deshalb ist Laufen auch so ein toller Sport: Es ist immer genug Gesprächsstoff da.
Anna Hahner:
Ich finde es auch krass, jetzt auf den Bildern zu sehen, was für Menschenmassen beim Berlin-Marathon hinter uns gestartet sind. Von denen haben wir ja während des Rennens nichts mitbekommen.
Sie sind zurzeit ein paar Wochen in der Grundausbildung bei der Bundeswehr, bevor Sie sich dann als Sportsoldatin wieder ganz auf Ihr Training konzentrieren können. Wie kommen Sie als spindeldürre Läuferin mit schwerem Gepäck und langen Märschen klar?
Jan Fitschen:
Zeig doch mal deine Fingernägel. Ist da noch Schlamm drunter?
Anna Hahner:
Nee, ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, bei der Gala angemessen auszusehen. In der vergangenen Woche war ich im Biwak – Zelten im November, das hätte ich sonst auch nicht gemacht. Es hatte auch nicht viel mit Lagerfeuerromantik zu tun, aber ich kann jetzt mit Kompass und Karte umgehen. Aber die 15 bis 20 Kilogramm Gepäck zu tragen fällt mir natürlich schwerer als einem Wasserballer, der ein Kreuz hat, hinter dem ich mich dreimal verstecken kann. Beim Marschieren komme ich dafür nicht so schnell außer Atem.
Waren Sie eigentlich auch bei der Bundeswehr, Herr Fitschen?
Jan Fitschen:
Nein, ich habe damals meinen Zivildienst bei einem Sportverein absolviert und kleine Kinder beim Turnen bespaßt.
Sie beide haben auf völlig unterschiedlichen Wegen zum Marathon gefunden: Jan Fitschen, Sie haben erst einmal mit großen Erfolgen die kürzeren Distanzen abgegrast und danach ein paar Anläufe gebraucht, bevor Sie den Marathon im Griff hatten. Bei Ihnen, Frau Hahner, hat das auf Anhieb gepasst. Was haben Sie mit Blick auf die 42,195 Kilometer besser gemacht?
Anna Hahner:
Das kann man nicht vergleichen. Das, was Jan auf den kürzeren Strecken schon geleistet hat, muss ich erst noch erreichen. Meine Leidenschaft war schon immer der Marathon, jetzt muss ich mich quasi nebenbei auf den Unterdistanzen entwickeln und meine Grundschnelligkeit verbessern, die Jan schon immer hatte. Mein Training ist mit schnellen 200-Meter- und 400-Meter-Intervallprogrammen so aufgebaut, dass ich mich auch auf den kürzeren Distanzen noch steigern kann. Dass das funktionieren kann, hat ja auch die Frau meines Trainers Wolfgang Heinig gezeigt: Katrin Dörre-Heinig ist ihre 10.000-Meter- und sogar ihre 800-Meter-Bestzeit aus dem Marathontraining heraus gelaufen.
Jan Fitschen:
Ich brauche das nur noch wenig. Ich muss zwar auch darauf achten, dass ich nicht zu langsam werde, aber für mich kommt es darauf an, noch mehr Kilometer zu bolzen und lange Intervalle zu absolvieren.
Anna Hahner, Ihr Manager Thomas Dold ist der beste Rückwärtsläufer der Welt. Laufen Sie auch rückwärts?
Anna Hahner:
Ja, aber nur ganz kurze Strecken als anspruchsvolle Koordinationsübung. Es beansprucht ganz andere Muskelgruppen und deshalb laufe ich höchstens 100 Meter rückwärts. Die Verbesserung meines Laufstils ist eine wichtige Aufgabe, denn da habe ich immer noch Nachholbedarf, zumal ich so spät ins Laufen eingestiegen bin, dass ich die ganze Kinder-Leichtathletik verpasst habe, in der die koordinativen Grundlagen für einen ökonomischen Laufstil gelegt werden.
Im kommenden Jahr wird es voraussichtlich keine Marathon-Teamwertung bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Moskau geben. Dadurch dürfte es schwieriger werden, sich für den WM-Marathon zu qualifizieren. Wie hart würde Sie eine solche Absage treffen?
Anna Hahner:
Eigentlich wollte ich im kommenden Frühjahr keinen Marathon laufen und mich ganz auf die Weltmeisterschaften konzentrieren. Wenn die Qualifikation über die Mannschaft wegfällt, wird natürlich ein Frühjahrsmarathon interessant, bei dem ich dann die für einen WM-Einzelstart geforderten 2:29:00 Stunden unterbieten will.
Jan Fitschen:
Für mich wäre die Absage nicht so schlimm. Ich bin ja schon oft für die Nationalmannschaft gestartet. Mein primäres Ziel im Marathon ist es nicht, an einer großen Meisterschaft teilzunehmen, sondern schnelle Zeiten zu laufen. Ich möchte noch deutlich unter den 2:13:10 Stunden aus diesem Jahr bleiben. Und dem Ziel hätte der WM-Marathon eher im Weg gestanden, weil er mir die Chance genommen hätte, einen schnellen Herbstmarathon zu rennen. Ich wäre wegen der Mannschaft zwar in Moskau gelaufen, aber wirklich vernünftig wäre es in meinem Fall nicht gewesen. Ich habe ja im Gegensatz zu Anna keine zehn Jahre mehr Zeit, um mich im Marathon weiter zu verbessern.
Marathon-Asse zu Läufern des Jahres gekürt
Die Läufer des Jahres auf leichtathletik.TV