
Läufer und Geher in Flagstaff
Die Hallensaison ist vorbei, die Sommersaison steht vor der Tür – und plötzlich sind viele Athleten von der Bildfläche verschwunden. Einige von ihnen haben ihre Trainingsstätten in Deutschland für eine Zeit verlassen, um sich bei besten klimatischen Bedingungen in Trainingslagern auf der ganzen Welt für die kommende Saison vorzubereiten. leichtathletik.de hat sie aufgespürt und berichtet vom Trainingsalltag und den Saisonzielen der deutschen Top-Athleten. Heute an der Reihe sind die Läufer und Geher in Flagstaff, Arizona (USA).
„Es ist schon Tradition, dass viele deutsche Top-Läufer nach Flagstaff fahren“, sagt Denise Krebs, Mittelstrecklerin vom TV Wattenscheid 01. Das siebte Jahr in Folge hat die DM-Dritte über 1.500 Meter in diesem Jahr ihre Koffer für das Höhentrainingslager in Flagstaff gepackt, ebenso wie die laufenden Sujew-Zwillinge Elina und Diana (beide Lauf Team Haspa Marathon Hamburg ).
Und nicht nur diese drei Athletinnen legen hier vier Wochen lang den Grundstein für die Sommersaison. Im wohl größten Trainingslager des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) trainierten und trainieren seit Anfang März ingesamt rund 50 Mittelstreckler, Hindernisläufer, Geher und Langstreckler.
Deutschlands Mittelstrecken-Spitze
Unter ihnen befinden sich zahlreiche Deutsche Meister: 1.500-Meter-Läufer Carsten Schlangen (LG Nord Berlin), 800-Meter-Läufer Robin Schembera (TSV Bayer 04 Leverkusen) und die Hindernisläufer Steffen Ulizcka (SG TSV Kronshagen/Kieler TB) und Antje Möldner-Schmidt (LC Cottbus) sind ebenso dabei wie Sören Ludolph (LG Braunschweig) und Sebastian Keiner (Erfurter LAC).
Außerdem haben sich die beiden Langstreckler Tom Gröschel (TC FIKO Rostock), Neunter der U23-EM über 10.000 Meter, der U23-DM-Dritte über 5.000 Meter Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid 01) und die Geher um den WM-Neunten im 20 Kilometer Gehen Christopher Lange (SC Potsdam) unter die bunte Mittelstrecken-Truppe gemischt.
Betreuung von DLV-Trainern
Optimale Betreuung vor Ort gewährleisten die wachsamen Augen der DLV-Bundestrainer. Die Mittelstrecken-Läuferinnen trainieren unter der Aufsicht von Henning von Papen, ihre männlichen Disziplinkollegen unter Jens Boyde, die Hindernisläufer gemeinsam bei Werner Klein und die Geher werden allesamt von Ron Weigel betreut.
Auch unter den Trainern ist die Stimmung gut. „Wir sprechen uns unter den Kollegen über die Trainingsinhalte und Trainingsorganisation ab“, sagt Jens Boyde. „Neben den vielen gemeinsamen Trainingseinheiten wie Dauerläufen und Stabi-Einheiten sind aber auch kleine individuelle Noten zu berücksichtigen.“
Und damit das einseitige Laufen nicht zu erhöhtem Verletzungsrisiko führt, stehen immer wieder auch Einheiten im Wasser, auf dem Rad und wandernd an. Auch den nahe gelegenen Mount Elden haben die DLV-Athleten schon bezwungen. Dort geht es an der höchsten Stelle auf satte 2.835 Meter hinauf. Eine ganz schöne Umstellung, insbesondere für diejenigen, die zum ersten Mal dabei sind.
Gefahr Höhenmeter
„Da allein Flagstaff auf 2.000 Meter Höhe liegt und einen Zeitunterschied von neun Stunden zu Deutschland hat, ist klar, dass der Körper sich in den ersten Tagen erst einmal an die neuen Bedingungen gewöhnen muss“, sagt Denise Krebs. Für „Höhen-Neulinge“ gehöre das Wandern in den ersten Tagen deshalb zum Pflichtprogramm.
Umso mehr freuen sich die Athleten dann über ein gemütliches Abendessen zu Hause oder einen freien Tag. Die Sportler sind jeweils zu viert in einem Haus untergebracht, wo viele der Athleten vier Wochen lang Ersatzfamilie für einander sind.
Gesundheit an erster Stelle
„Meistens wohnen die Disziplinkollegen zusammen, aber ich teile das Haus mit Sanaa Kouba und Jannika John“, sagt Denise Krebs über ihre Mitbewohnerinnen aus dem Hindernis-Lager. Der Tag beginnt früh für die Wohngemeinschaften in Flagstaff: Um 6:45 Uhr nämlich wird der Ruhepuls gemessen, anschließend geht es für alle Athleten zu Dr. Olaf Ernst vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaften (IAT) in Leipzig. Er kontrolliert verschiedene Werte und sorgt dafür, dass keiner durch die Höhenbelastung Schaden nimmt.
Anschließend startet um sieben Uhr das Auftakttraining. „Meistens beginnt die erste ‚richtige‘ Einheit um 9:30 Uhr mit einem Dauerlauf und danach geht's in den Kraftraum. Schon erstaunlich, was so ein amerikanisches Fitness-Center zu bieten hat“, berichtet Diana Sujew, die 2013 ihr WM-Debüt gab. Danach haben sich die Athleten ihr Frühstück schon einmal verdient: „Mein Haus hat das Glück, dass wir Dank Sanaa mit deutschem Brot versorgt sind“, sagt Denise Krebs. „Sie hat einen ganzen Koffer mitgebracht!“
Diese Stärkung können die Läuferinnen brauchen. Und auch die Mittagspause nutzen sie vor allem zum Schlafen und Entspannen, um auch die zweite, und manchmal sogar eine dritte, Trainingseinheit des Tages erfolgreich absolvieren zu können.
„Kenia-Piste“ und „Buffalo Park“
Denn am Nachmittag geht es weiter mit dem Kilometer abspulen. „Trainiert wird auf der 'Kenia-Piste' direkt hinter unserem Haus, auf Trails, im Stadion oder im Buffalo Park“, sagt Denise Krebs. Der Park liegt noch einmal 200 Meter höher als Flagstaff selbst. „Oder wir fahren zu anderen Pisten wie der Woody Mountain Road oder ins Stadion“, fügt Diana Sujew hinzu. Die Geher hingegen absolvieren ihre Einheiten auf einer 2,5-Kilometer Asphalt-Strecke zwischen den Wohnhäusern.
Anschließend finden die Athleten gelegentlich im Kraftraum zum gemeinsamen Kraft- und Stabilisationsprogramm zusammen. „Hier tauschen wir uns sehr viel aus, sodass oft neue Übungen im routinierten Programm aufgenommen werden“, sagt Denise Krebs.
Meistens stehen dann noch Termine beim Physiotherapeuten an. Und oft auch die „schönste Einheit des Tages“, wie die Wattenscheider Mittelstrecklerin sie bezeichnet: „Relaxen im Whirlpool!“
Kaffee trinken statt Sight-Seeing
Die wenige freie Zeit nutzen die Athleten zur Entspannung: „Abseits des Trainings treffen wir uns an freien Nachmittag im 'Macys', wo man lecker Kaffee trinken kann, oder wir gehen hier an die Northern Arizona University zum Essen. Das ist ein echtes Erlebnis günstiger amerikanischer Mensa“, sagt Elina Sujew, 1.500-Meter-Sechste der U23- EM von 2011. „Am Abend sitzen wir oft zusammen, reden oder spielen Spiele.“
Dass sie alle aber nicht nur aus Spaß in Flagstaff sind, wissen die Athleten. „Das Oregon Track Team ist neben anderen Nationen auch vor Ort. Das motiviert“, berichtet Diana Sujew.
Die Hallen-EM-Starterin aus dem vergangenen Jahr will in Flagstaff ihre Grundlagen für die EM in Zürich (Schweiz; 12. bis 17. August) legen. Das internationale Flair vor Ort hilft ihr, fokussiert zu bleiben: „Es gibt natürlich Tage, an denen man sich müde fühlt, und mit der Dauer des Trainingslagers werden die Beine immer schwerer. Aber mit jedem Tag hier im Trainingslager rückt auch die Saison näher, und damit die Team-EM und Zürich.“ Und um dafür optimal vorbereitet zu sein, geben die 50 Läufer und Geher in Flagstaff täglich alles.