Lamine Diack: „Absolute Mehrheit ist sauber"
Der Präsident des Leichtathletik-Weltverbands IAAF Lamine Diack hält das nach den spektakulären Doping-Fällen geprägte Bild von einer dopingverseuchten Leichtathletik für falsch. „Die absolute Mehrheit der Athleten ist sauber - aber diejenigen, die für solche schlechten Nachrichten sorgen, prägen ein unrealistisches Bild unseres Sports“, erklärte der 80 Jahre alte Senegalese, der seit 1999 an der Spitze des Weltverbandes IAAF steht und 2015 nicht mehr kandidiert.
Lamine Diack, die WM in Moskau wird vom Doping-Skandal der Sprinter überschattet. Veronica Campbell-Brown, Sherone Simpson und Asafa Powell aus Jamaika wurden ebenso positiv getestet wie der US-Amerikaner Tyson Gay. Ist die WM und die Leichtathletik dadurch schwer beschädigt?Lamine Diack:
Ich glaube nicht, dass die jüngsten Doping-Fälle ein schwerer Schaden für die Weltmeisterschaften oder unsere Sportart sind, weil wir uns vollständig der Bekämpfung von Doping verpflichtet haben und seit Jahrzehnten Vorreiter im Anti-Doping-Kampf sind. Jeder positive Fall beschädigt die Leichtathletik nicht, sondern macht sie stärker. Wir müssen ohne Angst den Kampf gegen Doping fortsetzen, obwohl es unmöglich ist, ihn jemals zu gewinnen. Die absolute Mehrheit der Athleten ist sauber - aber diejenigen, die für solche schlechten Nachrichten sorgen, prägen ein unrealistisches Bild unseres Sports.
Die Liste der positiv getesteten Sprinter ist lang und prominent besetzt seit Ben Johnson. Ist diese Disziplin noch eine rein sportlicher Wettbewerb oder ein Wettkampf von Läufern, die schneller und schneller geworden sind durch Doping-Mittel?
Lamine Diack:
Die 100-Meter-Sprinter hatten schon immer einen starken Einfluss auf die Öffentlichkeit und die Medien. Deshalb ist die Auswirkung eines positiven Tests eines Sprinter immer dramatischer. Es ist aber nicht richtig, einen einzelnen Wettbewerb deshalb als besonders schlimm herauszustellen. Wir müssen zudem realistisch bleiben und einen Unterschied zwischen den verschiedenen Arten von Doping-Vergehen machen. Ein Extrem ist das schwerwiegende und absichtliche Doping wie es im Fall des Balco-Labors gewesen ist. Dem gegenüber stehen Fälle mit verunreinigten Nahrungsergänzungsmitteln. In beiden Fällen beharrt die IAAF auf Sanktionen, die dem Vergehen angemessen sind. Es scheint aber, dass für die Medien alle Doping-Fälle gleich sind.
Die IAAF hat in den letzten Jahren viel von Usain Bolt und andere schnelle Sprinter profitiert. Haben Sie jetzt Angst, dass der IAAF Sponsoren konnte weglaufen?
Lamine Diack:
Wir haben sieben Blue-Chip-Unternehmen, die die IAAF als Partner hat und wir sind nah an der Unterzeichnung mit einem achten. Sie schließen mit uns Verträge, weil sie die Attraktivität einer wirklich globalen und beliebten Sportart sehen, die der Herzschlag der Olympischen Spiele ist. All diese Sponsoren sind sich völlig bewusst und in Kenntnis der IAAF-Bemühungen im Anti-Doping-Kampf. Nicht einer der Sponsoren hat Bedenken gegen die IAAF-Bemühungen um einen sauberen Sport erhoben. Auch nicht gegen die Tatsache, dass die Vermarktung der Leichtathletik auf Sprint und Usain Bolt fokussiert ist - das ist nur intelligentes Verhalten, weil die Öffentlichkeit, den Sprint liebt.
Viele schnelle Sprinter sind in der Vergangenheit positiv getestet. Stehen nun alle Athleten, die deutlich unter zehn Sekunden laufen unter Generalverdacht, solche Zeiten nur mit Doping erreichen zu können? Auch Usain Bolt?
Lamine Diack:
Dieser völlig düsteren Einschätzung möchte ich widersprechen. Usain Bolt ist sauber - und die meisten Sprinter, die unter zehn Sekunden laufen, sind es ebenfalls.
Russland ist WM-Gastgeber. Im vergangenen Jahr wurden viele russische Athleten des Dopings überführt. Ein gutes oder schlechtes Zeichen?
Lamine Diack:
Es ist ein sehr gutes Zeichen, da positive Tests von Athleten eines Landes bekanntgemacht werden, die unsere größte Veranstaltung ausrichten. Ich denke, man sollte mehr Sorgen haben, wenn es keine positiven Tests von russischen Leichtathleten gegeben hätte. Sie gehören zu den am meisten in der Welt getesteten, weil viele von ihnen in der Weltbestenliste unter den Top 20 sind.
Sie werden 2015 nicht mehr für das Präsidentenamt kandidieren. Wird Sebastian Coe, der Organisator der London-Spiele und Vizepräsident der IAAF, Ihr Nachfolger?
Lamine Diack:
Ich kann bestätigen, dass dies mein letztes Mandat ist. Ich freue mich auf die Übergabe der Leitung an meinen Nachfolger. Ja, es ist wahr, dass Sebastian ausgezeichnete Olympische Spiele in London organisiert hat. Ich bin aber noch nicht bereit anzukündigen, wen ich als meinen Nachfolger als Präsident vorschlagen werde. Ich werde es zu einem späteren Zeitpunkt tun. Denn es hat in der IAAF eine lange Tradition, dass es einen unstrittigen Präsidentschaftskandidaten bei der Wahl gibt.
Thomas Bach wird die WM in Moskau besuchen. Kann er im September der nächste Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) werden?
Lamine Diack:
Als IOC-Mitglied freue ich mich darauf, bei der Wahl der am besten qualifizierten Person, die die olympische Bewegung führen soll, meine Stimme zu geben. Für mich als IAAF-Präsident ist es auch wichtig, dass der neue IOC-Präsident ein enger Freund der Sportart Leichtathletik ist und unsere Bedeutung für die Olympischen Spiele erkennt.
Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)