Laufen leicht gemacht
Bei manchem ist es einfach nur die Sonne, die vor die Tür lockt. Der andere will ein paar überflüssige Pfunde los werden. Außerdem tun es die Freunde, da will man selbst es natürlich auch: Endlich ein sportlicher Typ sein. Die Gründe, mit dem Laufen zu beginnen, sind so vielfältig wie das Training selbst. Und aller Anfang ist gar nicht schwer.
Vielleicht haben Sie sogar ein ganz konkretes Ziel vor Augen - wie den 10-Kilometer-Lauf in der Nähe oder einen Marathon in absehbarer Zeit? Welche Strecke auch immer sie sich vorgenommen haben: Wir möchten Ihnen das Rüstzeug zu ihrem persönlichen Einstieg in Form von fünf Eckpunkten mit auf den Weg geben. Laufen dürfen und sollen Sie dann aber selbst…1) Ziele definieren
Der Einstieg in das Training fängt im Kopf an. Nehmen Sie sich Zeit und überlegen Sie, was Sie durch das Laufen langfristig, aber auch konkret kurz- und mittelfristig erreichen möchten. Am besten notieren Sie sich ihre Ziele auf ein Papier, in ihr neu angelegtes Trainingstagebuch - oder den Kalender. Was wollen Sie erreichen? Wollen Sie ihr Gewicht reduzieren, Ihre Fitness verbessern oder bei Wettkämpfen Ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen und messen? Wollen Sie ihre sportlichen Grenzen ausloten und so mehr über sich selbst erfahren? Oder stehen die Gesundheit, die Verminderung von Risikofaktoren oder der Stressabbau im Vordergrund? Wollen Sie kreative Energie aus der Bewegung schöpfen? Wollen Sie die Natur und den Wechsel der Jahreszeiten „hautnah“ erleben. Oder stehen für Sie die soziale Komponente und der Spaßfaktor im Vordergrund? Keine Frage: Ziele können mannigfaltig sein.
Sie haben beim letzten Stadtmarathon zugeschaut und zu sich selbst „Das kann ich auch!“ Gesagt? Richtig - allerdings sollten Sie neben ihren Wunschvorstellungen auch realistische Überlegungen einfließen lassen, damit Sie auch einer umsetzbaren Vorstellung und nicht nur einem Traumziel hinterher jagen. Dabei gilt vor allem: Geben Sie sich und Ihrer Leistungsentwicklung Zeit, und machen Sie sich ein klares Bild von den folgenden Punkten:
- Schätzen Sie Ihre aktuelle körperliche und psychische Belastbarkeit realistisch ein, und setzen Sie kleine Zwischenziele.
- Wie sieht Ihr Zeitbudget für das Training aus?
- Welchen Stellenwert kann der Sport neben Familie, Freunden, Beruf und liebgewonnenen Hobbys einnehmen?
- Sind die für Ihr sportliches Ziel wichtigen Trainingsstätten - Wald, Parkanlage, Stadion oder Fitnessstudio - gut erreichbar?
2) Zeitmanagement
Sie haben bislang mit dem Laufen nicht angefangen, weil sie „keine Zeit hatten“? Das ist möglich - aber sehr wahrscheinlich nicht die Wahrheit. Zeit ist relativ. Sicher erinnern Sie sich noch an Ihre Kindheit und die unendlich lang dauernden Stunden vor dem Weihnachtsfest oder dem Geburtstag. Und sicher kennen Sie auch das andere Extrem: Sie verrichten konzentriert eine Tätigkeit und die Zeit vergeht wie im Flug. Oft sind es gerade die ganz kurzen Momente, die glücklich machen, wenn man sie nur intensiv genießt und nicht in Gedanken schon wieder der nächsten Aufgabe nachhängt. Was dies mit Laufen zu tun hat?
Zeitmanagement ist auch Einstellungssache, was ein entscheidender Faktor für ein entspannteres Sein und damit auch für eine bessere Regeneration darstellt. Mit Hilfge der folgenden Punkte „gewinnen“ Sie Zeit zum Laufen:
- Gehen Sie Aufgaben bewusst an, und schließen Sie sie zeitnah ab. Unerledigte und unangenehme Dinge belasten Sie wie ein schwerer Rucksack und führen zur Blockade.
- Selektieren Sie Aufgaben nach ihrer Dringlichkeit, denn nicht selten erledigen sich Dinge im Rahmen Ihrer Eigendynamik von allein.
- Lernen Sie zu delegieren. Animieren Sie Ihre Umwelt zur Mithilfe, aber zeigen auch Sie Hilfsbereitschaft: wer gibt, dem wird gegeben.
- Erstellen Sie sich für den Tag eine realistisch umsetzbare Aufgabenliste. Sie werden sehen, durch diese Planung ergeben sich Freiräume, die dann nach den eigenen Wünschen sportlich gestaltet werden können.
- Nutzen Sie wenn möglich Wege von oder zur Arbeit für eine Trainingseinheit. Von der Arbeit sofort nach Hause zu laufen, hat zwei unschlagbare Vorteile: Sie müssen sich nicht wieder mühsam vom Sofa aus motivieren, und wenn Sie zu Hause vom Laufen ankommen, haben Sie schon Stressabbau betrieben und ein Erfolgserlebnis verbucht!
- Partner, Familie und Freunde sollten in der eigenen Planung nicht vergessen werden. Gerade erfolgsorientierte Menschen vergessen oft im Karriererausch Ihre Umwelt. Echte Freunde sind aber weder durch Geld noch Marathon-Finishermedallien zu ersetzen.
3) Motivationtricks
Nun stehen Ihre Ziele und ein grobes Zeitbudget ist auch erstellt: Es könnte eigentlich losgehen, wenn da nicht noch der „letzte Kick“ fehlen würde: der nötige Funke Bereitschaft. So raffen Sie sich auf:
- Verabreden Sie sich zum Sporttreiben mit Freunden, denn die versetzt man nicht gerne. Außerdem macht es Spaß, die Erlebnisse - auch ein Lauf bei strömendem Regen kann zu einem unvergesslich schönen Erlebnis werden - zu teilen, oder sich beim lockeren Laufen über die letzten Tage auszutauschen. Es spielt dabei keine entscheidende Rolle, ob ihre Mitstreiter besser oder schlechter trainiert sind. Es sollte die Regel gelten, dass sich grundsätzlich nach dem schwächsten Glied der Kette orientiert wird. Routinierte Sportler können ihre Erfahrungen den Einsteigern weitergeben und diese gemeinsame Trainingseinheit als „aktive Erholung“ sehen.
- Gönnen Sie sich ab und zu neues Trainingsequipment. Sie werden überrascht sein, wie komfortabel es sich mit einem neuen Laufschuh läuft oder wie angenehm das neue Laufshirt auf der Haut liegt.
- Belohnen Sie sich nach dem Training - mit einem entspannenden Bad oder einer leckeren Kleinigkeit.
- Führen Sie sich immer wieder Ihr(e) Ziel(e) vor Augen und setzen Sie sich erreichbare Etappenziele. Es verleiht ungeheuren Antrieb, wenn Sie merken, dass Sie mit eigener Kraft etwas geschafft haben, dessen Umsetzung Sie noch vor geraumer Zeit für unmöglich gehalten haben.
- Dokumentieren Sie ihr Training. Neben dem Erfassen von Sportart, Trainingsdauer und Herzfrequenz hat es sich als nützlich erwiesen, das Befinden beim Training, die tägliche Schlafdauer sowie - wenn möglich - den Ruhepuls (vor dem Aufstehen) und das Körpergewicht zu notieren. So machen Sie sich zum einen Ihre Etappenziele schwarz auf weiß bewusst, zum anderen können Sie aber auch Negativentwicklungen rechtzeitig bemerken und aktiv stoppen.
4) Gute Ausrüstung
Im Vergleich zu anderen Sportarten ist der finanzielle Aufwand für die Ausrüstung beim Laufen gering. Für den Anfang genügen ein paar Laufschuhe und eine der Temperatur angepasste Laufkombination aus Funktionsfasern. Natürlich können Sie bei ihren ersten Laufeinheiten auch zunächst in Shirt und Jogginghose starten. Bei regelmäßigerem Training werden sie die Vorteile der Funktionsbekleidung jedoch zu schätzen wissen.
Ihr wichtigstes Bekleidungsstück ist der Schuh. Einsteiger machen oft den Fehler, zunächst in „irgendwelchen“ Sportschuhen zu laufen. Dabei benötigen gerade diese Läufer wegen der noch schlecht trainierten Muskulatur und des noch nicht entwickelten Laufstils einen besonders funktionsgerechten, individuell geeigneten Schuh. Doch wie finden Sie in dem riesigen Angebot an Laufschuhen Ihren Schuh? Lassen Sie sich unbedingt in einem speziellen Laufgeschäft beraten, und bestehen Sie darauf, die Schuhe vor Ort zu testen. Etliche Laufgeschäfte bieten inzwischen auch Laufbandanalysen an.
5) Trainingsgrundlagen
Die Basis für jegliche Ausdauerleistungsfähigkeit liegt im betont lockeren Laufen, dem so genannten Grundlagenausdauertraining. Dieses sollte 70 bis 90 Prozent des gesamten Trainingsumfangs ausmachen. Aber was heißt eigentlich „locker“? Als grober Anhaltspunkt dient: Sie sollten in der Lage sein, sich beim Laufen unterhalten zu können. Ist das nicht möglich, ist das Tempo zu hoch. Ein genaueres Maß finden Sie mit einer Laktat-Leistungsdiagnostik, die Sie aber erst nach mindestens ein bis zwei Monaten Lauferfahrung veranlassen sollten. Sind Ihnen Aufwand und Kosten für eine solche Untersuchung zu hoch, können sie akzeptable Herzfrequenzen für Ihr lockeres Training anhand der folgenden Formel berechnen:
Die Ruheherzfrequenz messen sie noch im Bett liegend vor dem Aufstehen, lassen sie sich dazu, nachdem ihr Wecker geklingelt hat, noch ein paar Minuten Zeit. Ihre maximale Herzfrequenz können sie folgendermaßen feststellen: Wärmen Sie sich zehn Minuten locker auf (bei Laufeinsteigern kann dies durchaus auch flottes Gehen sein). Nun steigern Sie jede Minute Ihr Tempo so, dass ihre Herzfrequenz pro Tempoverschärfung um ungefähr zehn Schläge ansteigt. Wenn Sie eine solche Steigerung nicht mehr realisieren können, oder die Beine und Arme schwer werden, versuchen Sie noch einen Endspurt von 20 Sekunden hinzulegen. Ihr Maximalwert ist der bei diesem Test höchste Pulswert. Besitzen sie keine Pulsuhr, messen sie manuell den Puls direkt nach der Belastung.
Laufen Sie einfach!
Nun sind Sie also in der Lage, im angemessenen Tempo zu laufen, aber wie läuft man eigentlich richtig? Unser Tipp: Laufen sie zunächst einfach, ohne darüber nachzudenken. Achten Sie nicht auf die Armarbeit oder den Atemrhythmus. Mit der Zeit wird sich Ihr Stil finden, der nicht zuletzt von ihrem Körperbau abhängig ist. Läufern mit mehr Lauferfahrung ist das Absolvieren eines Lauf-ABCs zu empfehlen. Hierbei wird die natürliche Laufbewegung in ihre Bestandteile zerlegt und die Abschnitte einzeln geübt. Dadurch wird ein in der Gesamtheit flüssigerer Laufstil erlernt. Die Übungen sollten Sie sich von Leichtathletik erfahrenen Läuferinnen oder Läufern zeigen lassen, die sie bei den ersten Versuchen auch sinnvoll korrigieren können.
Ganz wichtig: Achten Sie darauf, regelmäßig Pausentage in ihr Training einzubauen. Erst das harmonische Zusammenspiel von Be- und Entlastung führt langfristig zu einem Leistungszuwachs. Dieses grundlegende Prinzip eines effektiven Trainings wird als das Superkompensation bezeichnet, was wie folgt funktioniert.
Stellen Sie sich eine Belastung - ihren letzten anstrengenden Dauerlauf oder Wettkampf - vor, der Ihrem Körper Energie entzogen und dabei Muskulatur, Gelenke, Sehnen, Bänder und nicht zuletzt auch den Kopf beansprucht hat. Unmittelbar nach diesem Lauf war Ihr Körper ermüdet und weniger leistungsfähig als vor der Belastung. Der Organismus ist jedoch bestrebt, den Ausgangszustand schnellstmöglich wieder herzustellen, die Belastung also zu kompensieren. Hierzu werden verschiedene Mechanismen, die vom Auffüllen der Energiespeicher über Reparaturvorgänge am Bewegungsapparat bis hin zum Aufbau einer erneuten Leistungsbereitschaft im Kopf reichen, in Gang gesetzt. Um das nächste Mal einer ähnlichen Belastung besser gerecht werden zu können, unternimmt der Körper also alle Anstrengungen, um besser vorbereitet zu sein. Dies ist die Superkompensation. Erst in diesem Zustand kann wieder effektiv ein neuer Reiz gesetzt werden, in unserem Beispiel der nächste Dauerlauf oder die nächste Tempobelastung. So kommt es schließlich zu einem messbaren Zuwachs der eigenen Leistungsfähigkeit. Demgegenüber bewirken zu schnell aufeinander folgende oder zu intensive Trainingseinheiten genau das Gegenteil: Die Leistungsfähigkeit stagniert oder wird schlechter.
Die Umsetzung des auf den ersten Blick simplen Prinzips erfordert eine ständige kritische Analyse des eigenen Befindens: Fühle ich mich wirklich wieder leistungsfähig, oder wäre ich nur gerne wieder einsatzbereit? Fühle ich mich tatsächlich noch müde vom letzten Dauerlauf, oder suche ich in Wahrheit nur eine Ausrede, um das anstehende Training gegen eine Tasse Kaffee bei der Freundin oder den Fußballabend beim Kumpel einzutauschen?
Ruhepuls als Hilfsmittel
Ein recht zuverlässiges und sinnvolles Hilfsmittel ist der Ruhepuls: Wenn Sie diesen regelmäßig, am besten täglich, messen, werden sie feststellen, dass er im Zuge des verbesserten Trainingszustands absinkt. Ihre Alarmglocken sollten klingeln, wenn der Ruhepuls plötzlich um mehr als zehn Prozent nach oben abweicht. Wahrscheinlich hat sich Ihr Körper von den vorangegangenen Einheiten noch nicht wieder erholt. Eine Reizsetzung ist in diesem Fall nicht sinnvoll. Schon nach kurzer Zeit werden Sie lernen, anhand der eigenen Befindlichkeit und mit Hilfe des Ruhepulses herausfinden, nach welcher Zeit Sie einen neuen Reiz setzen können. Ihr Training wird mehr und mehr planbar.
Die geplante Abfolge von Be-und Entlastungszyklen nennt man Periodisierung. Meist wird in Wochen- und Monatszyklen geplant. In unseren Plänen können sie erkennen, dass die Belastung über drei Wochen gesteigert wird, worauf eine Erholungswoche mit deutlich verringertem Umfang folgt.
Soll das Training primär zur Stärkung des Herz-Kreislaufsystems, der Reduzierung der Blutfettwerte, zum Stressabbau oder der Aktivierung des Immunsystems dienen, erreichen Sie mit einem dreimal wöchentlich durchgeführten Ausdauertraining von ungefähr 45 Minuten im ruhigen Grundlagenbereich die gewünschten Effekte.
Für die Planung der neuen Saison sind Sie nun gerüstet. Sie müssen Ihre theoretischen Überlegungen „nur“ noch in die Tat umsetzen und kontinuierlich am Ball bleiben. Denn: Ein wesentliches Merkmal des Ausdauertrainings ist die Regelmäßigkeit.
Aufwachen eine halbe Stunde, am Stück oder mit Gehpausen, auf dem Laufband oder draußen, alles ganz egal. Hauptsache langsam, ohne zu schnaufen, dafür aber jeden Tag. Sie werden es spüren, bald brauchen Sie das Laufen und die tägliche Sauerstoffdusche, es entwickelt sich ein Verlangen, weil Sie sich einfach fitter fühlen - nach dem Laufen. Und wenn Sie es schaffen, vier Wochen täglich zu laufen, dann hören Sie nie wieder auf, selbst wenn Sie später auch mal den ein oder anderen Tag pausieren.