Laufend abnehmen: Optimale Fettverbrennung
Hat Ihnen auch schon mal jemand erzählt, Sie müssten mit dem „Optimalen Fettverbrennungs-Puls“ trainieren, um abzunehmen? Vergessen Sie es. Auf dem Weg zur Idealfigur ist eine Mischung aus schnelleren und langsamen Läufen besser.
Vor gut einem Jahr fand Beate S., dass sie zu dick sei. Deshalb hat sie mit dem Laufen angefangen. Ganz langsam war sie am Anfang unterwegs, dreimal pro Woche eine halbe Stunde. Das fiel ihr von Woche zu Woche leichter. Bloß: Die Pfunde purzelten nicht. „Dabei laufe ich doch immer ganz langsam, so dass Fett verbrannt wird“, seufzte die 41 Jahre alte Bankangestellte. Dies hatte ihr schließlich der Trainer im Fitness-Studio geraten. Der lockere „Plauder-Trimm-Trab“ als Geheimrezept für Gewichtsreduktion durch maximalen Fettabbau – so lautete die Empfehlung des Profis.Die Mischung muss stimmen
Seit Jahren predigen viele Experten die Gewichtsreduktion durch langsames Laufen, Radfahren oder Walken – so viele, dass sich ihre Thesen als Volksglauben etabliert haben. Natürlich haben sie Recht, wenn sie Einsteigern langsames Laufen empfehlen, damit diese sich nicht überfordern. Aber der Glaube vom optimalen Abnehmen bei langsamem Tempo ist wissenschaftlich nicht haltbar. Im Gegenteil: Die richtige Mischung aus Ausdauer-, Kraft-, Beweglichkeits- und Koordinationstraining lässt im Zusammenspiel mit der optimalen Ernährung die Fettpolster am schnellsten schmilzen.
Das hat auch Beate S. erkannt: Seitdem sie neben dem langsamen Joggen auch schnellere Trainingseinheiten absolviert, Krafttraining im Fitness-Studio macht und jeden Samstag zum „Spinning“ genannten Radfahren in der Halle geht, wird ihre Fettschicht immer dünner und die Muskelmasse wächst. Dieses Programm absolviert sie, seitdem sie das Fitness-Studio gewechselt hat. Ihr neuer Coach hat ihr verraten, dass es ein grundlegender Irrtum ist, zu glauben, der Gesamtfettabbau sei bei wenig intensivem Training im Herzfrequenzbereich von 120 bis 130 Schlägen pro Minute höher als im Leistungsbereich.
Absoluter Verbrauch entscheidend
Diese Erkenntnis bestätigt auch aktiv laufen-Experte Dr. Stefan Graf: „Es gibt keinen speziellen Fettverbrennungs-Puls, der maximalen Fettabbau garantiert.“ Der Fettverbrauch durch körperliches Training sei vielmehr immer das Ergebnis von Energieverbrauch pro Zeiteinheit und Trainingsdauer. „Langes und wenig intensives Training ist prinzipiell hinsichtlich des Fettabbau weder effektiver noch ineffektiver als ein kürzeres, hoch intensives. Entscheidend ist der absolute Kalorien-Verbrauchswert“, sagt Graf. Wer mit langen, langsamen Dauerläufen seinem Fett zu Leibe rücken will, muss also besonderen Wert auf die Länge des Laufens legen. Bei langen Läufen ist der Kalorienverbrauch trotz niedrigem Tempo hoch.
Mit dem Tempo steigt der absolute Energieverbrauch
Eine hohe relative Fettverbrennungsrate sagt dagegen nichts über den absoluten Umfang des Fettabbaus aus. So bezieht ein Läufer zwar prozentual umso mehr Energie aus der Verbrennung von Fett, je weniger intensiv er trainiert. Absolut ist aber sein Energieumsatz und damit auch die verbrannte Menge Fett gering. Mit höherem Lauftempo sinkt zwar der prozentuale Anteil der Fettverbrennung, während der die Kohlenhydrat-Verwertung gegenläufig ansteigt. Der absolute Energieverbrauch nimmt bei schnellerem Tempo aber überproportional zu, so dass auch die absolut verbrannte Fettmenge schnell höher sein kann als beim so oft als „Fettverbrennungs-Training“ gepriesenen Läufchen im Plaudertempo.
Daraus folgt: Wer Gewicht in Form von Fett verlieren möchte, kann mit einem Training in hohen Intensitäten durchaus schneller das Ziel erreichen als durch Belastung im so genannten Fettverbrennungs-Bereich. Fürs Abnehmen zählt letztlich nur der absolute Energieverbrauch. Und der muss höher sein als die mit der Nahrung zugeführte Kalorienmenge.
Krafttraining gehört dazu
Beate S. läuft jetzt jeden Sonntag 90 Minuten lang ganz langsam. Hinzu kommen pro Woche zwei schnellere, 40 Minuten lange Läufe; außerdem absolviert sie noch zweimal eine Dreiviertelstunde lang im Studio Kraft und Koordinationsübungen. Samstags macht sie beim Spinning mit und wagt sich dabei auch in intensive Trainingsbereiche. Solch ein Programm ist allerdings nichts für Anfänger: Um überhaupt mit dem Ausdauersport und mit dem Abnehmen zu beginnen, ist es natürlich richtig, möglichst gemütlich zu joggen – so langsam, dass selbst Spaziergänger überholen. „Das ist der richtige Weg für Anfänger. Gerade übergewichtige Menschen mit schlechtem Trainingszustand werden so nicht überfordert“, sagt Dr. Stefan Graf.
Doch fortgeschrittenen Läufern zu empfehlen, mit ausschließlich ganz langsamem Joggen das meiste Fett zu verbrennen, ist genau so falsch wie die Mär vom späten Abendessen, das sich schneller als Fettreserve auf den Hüften wiederfindet als Mahlzeiten zu anderen Zeiten. „Dieser Irrglaube lässt sich durch keine Studie belegen“, erklärt Stefan Graf. Nur wenn dem Körper in 24 Stunden mehr Energie zugeführt wird, als er durch Aktivität verbraucht, wird die überschüssige Energie als Hüftpolster aus Speck gespeichert. „Wann die Nahrungszufuhr erfolgt, ist dabei ebenso unerheblich wie die Uhrzeit der Aktivität“, klärt Graf auf.
Das weiß auch Beate S., die ihre Trainingszeiten genau so flexibel gestalten muss wie die Essenszeiten. „Mal gehe ich frühmorgens zum Jogging, mal spätabends noch ins Fitnessstudio.“ Und danach isst sie meistens noch, bevor sie schlafen geht. „Das ist kein Problem. Seitdem ich das neue Trainingskonzept umgesetzt habe, habe ich gut fünf Kilogramm abgenommen“, sagt die 41-Jährige. Dafür hat sie etwas über ein Jahr gebraucht.
Langes Nachbrennen
Sportlich aktive Menschen verbrauchen indes nicht nur bei ihren Aktivitäten mehr Energie. Sie werden auch nach dem Training mit einer gesteigerten Stoffwechselrate belohnt. Je nach Art des Trainings kann diese bis zu 48 Stunden anhalten. Studien haben bereits in den 80er-Jahren gezeigt, dass intensives Krafttraining ein stärkeres und länger andauerndes Nachbrennen auslöst als ein extensives Ausdauertraining. Da in der Ruhephase nach dem Sport der prozentuale Anteil der Fettverbrennung gegenüber der Kohlenhydratverwertung besonders hoch ist, kommt dem Nachbrenneffekt im Hinblick auf eine Fett- und Gewichtsreduktion erhebliche Bedeutung zu. Da spielt es überhaupt keine Rolle, dass während der intensiven Kraftbelastung – im Gegensatz zum Ausdauersport – die Energieversorgung überwiegend durch den Kohlenhydratabbau erfolgt.
Zudem führt ein regelmäßiges Krafttraining zu einem Zuwachs an Muskelmasse. „Und damit ist eine dauerhafte Erhöhung des Grundumsatzes verbunden“, erklärt Dr. Stefan Graf. Muskeln haben eben auch im Ruhezustand einen deutlich höheren Energiebedarf als Fettgewebe. Diese bereits vor Jahrzehnten gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass Krafttraining einen guten Beitrag zur Körperfettreduktion leisten kann.
Natürlich muss auch die Ernährung stimmen. Ein Abbau von Fettdepots ist alleine durch eine negative Gesamtenergiebilanz erreichbar. Nur wer mehr Energie verbraucht, als er mit der Nahrung aufnimmt, kann Fett und Gewicht verlieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Energie für das Training aus Fetten oder Kohlenhydraten rekrutiert wird. Selbst bei ausschließlich hochintensivem Training mit überwiegender Kohlenhydratnutzung wird Fett verbrannt und dauerhaft abgebaut – sofern die Kalorienaufnahme den Verbrauch nicht übersteigt. Über den Fettabbau entscheidet also nicht, ob jemand ausdauernd mit niedriger Intensität trainiert oder sich kürzer hoch intensiv belastet. Der Fettverbrennungs-Puls, der optimales Abnehmen garantieren soll, gehört zu den ganz großen Sport-Irrtümern.