Leszek Klima: Wettkampfplanung besser abstimmen
Nur der Kölner Tim Lobinger verhinderte mit seinem Finaleinzug ein deutsches Stabhochsprung-Desaster bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Paris. Dagegen blieben die beiden Leverkusener Richard Spiegelburg und Lars Börgeling am Dienstag überraschend auf der Strecke. Leichtathletik.de unterhielt sich mit deren Heimtrainer Leszek Klima, der zugleich auch Bundestrainer ist, über die Gründe für das Ausscheiden und die Final-Chancen von Tim Lobinger.
Leszek Klima (Foto: Kiefner)
leichtathletik.de:Leszek Klima, was war am Dienstag mit Lars Börgeling und Richard Spiegelburg los? Die beiden sind in der Qualifikation hängen geblieben und müssen heute Abend zuschauen.
Leszek Klima:
"Ich weiß auch nicht warum, vielleicht wegen der Aufregung, hat der Richard einen alten Fehler gemacht und bei den letzten Anlaufschritten nicht angegriffen, sondern versucht, schön abzuspringen. Dadurch kam er nicht hin, geriet in Rückenlage und konnte den Stab nicht bewegen. Vielleicht ist der Fehler aufgetreten, weil er sich so gut gefühlt hat und deshalb zu harte Stäbe genommen hat, die sonst für 5,60 oder 5,70 Meter reichen. Lars war sich dagegen zu sicher, dass ihm 5,60 Meter im zweiten Versuch fürs Finale reichen. Er hat die 5,70 Meter gar nicht mehr ernst genommen. Wenn er vor Augen gehabt hätte, dass er drüber muss, wäre er wahrscheinlich die Sache ganz anders angegangen. Dafür hat er gebüßt. 5,70 Meter muss er immer springen. Das weiß er auch."
leichtathletik.de:
Jetzt haben die Athleten immer gesagt, sie hatten mit der Anlage Probleme. Was ist an ihr so schwierig?
Leszek Klima:
"Die Rückwand des Einstichkastens ist zu steil. Dadurch können die Springer den Stab nicht bewegen und fallen auf die Latte drauf. Man hat es ja gesehen. Die Höhe hatten alle drin. Aber nichts desto trotz kann man hier springen und muss sich nur drauf einstellen."
leichtathletik.de:
Sie müssen sich also den Vorwurf gefallen lassen, im Vorfeld zu wenig unternommen zu haben? Die Tatsache, dass es eine schwer zu springende Anlage ist, war ja bekannt.
Leszek Klima:
"Es gibt nur noch eine Anlage, die ähnlich ist. In Heusden Zolder in Belgien. Deshalb hätte jeder zum dortigen Meeting Anfang August fahren müssen. Das hat Tim Lobinger gemacht. Genau um diese Erfahrung ist er reicher als Lars und Richard."
leichtathletik.de:
Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Abschneiden hier in Paris?
Leszek Klima:
"Wir lassen nicht den Kopf hängen. Wir wissen, dass wir das nächste Jahr anders angehen müssen. Die Vorbereitung muss besser werden, gezielter auf den Saisonhöhepunkt. Wir müssen vor Olympia schon viel höher springen als in diesem Jahr vor der WM, damit wir um eine Medaille mitkämpfen können."
leichtathletik.de:
Das WM-Ergebnis ist irgendwo auch ein Spiegelbild der Saison. Was ist denn anders gewesen als im Jahr 2002, wo Lars Börgeling noch Vize-Europameister wurde?
Leszek Klima:
"Oft hat es damit zu tun, wie man in die Saison reinkommt. Im letzten Jahr ist es bei allen gleich gut gelaufen. Deshalb war das Weitere viel lockerer zu bewältigen. Wenn es wie 2003 schlecht anfängt, dann kämpft man zu sehr und sucht krampfhaft nach Fehlern und bis man die findet, ist es meistens schon zu spät. Auf Wunsch der Athleten haben wir in diesem Jahr die Vorbereitung ein bisschen anders gemacht. Wir sind viel früher in die Wettkampfvorbereitung gegangen. Schon im März haben wir höchste Belastungen gemacht und sind schnellste Sprintzeiten gelaufen. Die Hoffnung war, dass das dann später noch weiter zu steigern ist. Dem war aber nicht so. Die Grundvorbereitung muss länger durchgezogen werden und dann die Wettkampfplanung besser auf den Saisonhöhepunkt abgestimmt werden. Da werde ich in Zukunft mehr eingreifen. Die Jungs haben das bisher fast selbstständig gemacht, doch das klappt nicht immer, wie hier zu sehen war."
leichtathletik.de:
Sergej Bubka hat gesagt, die derzeitige Stabhochsprung-Generation macht zu viele Wettkämpfe. Sehen Sie das auch so, oder sind viele Wettkämpfe aus Ihrer Meinung nach der Leistung zuträglich?
Leszek Klima:
"Wenn es zum Training passt, dann ja. Bubka konnte beispielsweise viele Wettkämpfe machen, weil er einen viel höheren Stand hatte. Gleichzeitig leistete er sich viele Nuller und hat zwischen den Wettkämpfen viel trainiert. Tim ist genauso. Er macht keinen Tag Pause vor und nach dem Wettkampf, steuert nur bei ganz wichtigen Wettkämpfen die Vorbereitung so, dass er ganz frisch reingeht. Wettkämpfe sind sicher das beste Training, aber sie müssen dann auch ins Training eingeplant werden. Diese Erfahrung haben wir in diesem Jahr gemacht."
leichtathletik.de:
Hat vielleicht auch ein bisschen der innerdeutsche Konkurrenzdruck gefehlt? Danny Ecker und Michael Stolle waren ja verletzt. Dadurch ist schnell relativ klar gewesen, wer nach Paris fährt.
Leszek Klima:
"Vielleicht auch. Aber letztendlich sind Stresssituation, in denen man bis zum Schluss nicht weiß, wer fährt, auch nicht befriedigend, weil dadurch schon vorher viel Pulver verschossen wird. Wir müssen die Wettkämpfe einfach besser steuern und uns auf die Höhepunkte wie nationale und internationale Meisterschaften konzentrieren."
leichtathletik.de:
Was können wir heute von Tim Lobinger erwarten? Wird er eine Medaille holen?
Leszek Klima:
"Ein klares Ja. Der schärfste Konkurrent, Alexander Averbukh, der immer Probleme in der Quali hatte, im Finale dann jedoch auftrumpfe, ist weg. Romain Mesnil, der in dieser Saison absolut souverän war, auch. Dimitri Markov wird man sicher nicht schlagen können. Er ist am besten von allen vorbereitet und hat am meisten drauf. Aber danach ist alles offen. Ich denke, Platz zwei ist für Tim möglich."
leichtathletik.de:
Die Stabhochspringer sind ja eine Clique. Werden Lars Börgeling und Richard Spiegelburg zusammen mit Ihnen und Manager Marc Osenberg im Stadion sein und Tim Lobinger unterstützen?
Leszek Klima:
"Ja klar. Wir wünschen uns für den deutschen Stabhochsprung eine Medaille. Das ist gute Publicity für uns. Davon profitieren wir als Gruppe."
Dann viel Glück und vielen Dank für das Gespräch!