Laura Hottenrott nimmt Anlauf zur Spitze
Als am Donnerstag in Boston (USA) der U20-Hallen-Weltrekord über 1.000 Meter fiel, saß eine junge deutsche Läuferin im Publikum: Laura Hottenrott. Die Weltspitze, die ist noch weit weg für die Athletin des GSV Eintracht Baunatal. Die nationale Spitze aber, in die will sich die 21-Jährige nach vorne arbeiten. Im Boston College hat sie dafür ein starkes Team und einen Top-Trainer gefunden.
Die erfolgreichsten Rennen in der Karriere von Laura Hottenrott liegen nur einige Monate zurück. In der Heimat fast unbemerkt mischte sie in den Crossläufen der US-amerikanischen College-Serie Ende des vergangenen Jahres kräftig vorne mit. Ihr größer Erfolg: Platz zwei bei der West Coast Conference in Malibu (Kalifornien), eine Standort-Bestimmung der College-Teams für die US-College-Meisterschaften. „Das hat riesen Spaß gemacht, es waren richtig große Felder, richtig schnelle Rennen“, schwärmt sie.Zu diesem Zeitpunkt trug Laura Hottenrott noch das Trikot der Portland Pilots, dem Leichtathletik-Team einer Universität in Oregon im Westen der USA. Die heiß umkämpften Startplätze für die Nationals, die nur über die Mannschaftsleistung vergeben werden, verpasste das Team. Und auch ein weiteres Highlight der internationalen Cross-Saison fand ohne Laura Hottenrott statt: die Cross-Europameisterschaften in Belgrad (Serbien).
Qualifikationsrennen verpasst
Zu gerne wäre die 21-Jährige im deutschen U23-Team gestartet. Doch die Nominierungsrichtlinien sind eindeutig: Wer mit zur Cross-EM will, muss in den Nachwuchsklassen U23 und U20 an den Ausscheidungsrennen in Pforzheim oder Darmstadt teilnehmen. Das war für die US-Studentin nicht möglich. „Schade“, sagt sie, „ich hatte gehofft, dass es doch irgendwie klappt.“
Jetzt setzt Laura Hottenrott ihre Hoffnung auf die nächste Ausgabe der Cross-EM, die am 14. Dezember 2014 in Samokov (Bulgarien) stattfindet. Es wäre der erste Auftritt der jungen Hessin im Nationaltrikot. Wie sich das anfühlt, kann sie bei einer ihrer neuen Trainingspartnerinnen erfragen. Denn Hottenrott ist zum Jahresbeginn zum Boston College gewechselt, und hier studiert auch die Französin Liv Westphal – die im U23-Feld der Cross-EM Sechste wurde und damit noch drei Plätze vor der besten Deutschen Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg) lag.
Starker Auftritt in Bietigheim
Dass Laura Hottenrott schon jetzt mit der deutschen Spitze mithalten kann, bewies sie am 31. Dezember in Bietigheim. Dort machte sie der 16 Jahre alten Überfliegerin Alina Reh (TSV Erbach) das Leben überraschend schwer, auch wenn sie sich auf der 11,1 Kilometer langen Strecke – länger war sie im Wettkampf zuvor noch nie gelaufen - am Ende um fünf Sekunden geschlagen geben musste.
Immerhin: Mittelstrecklerin Annett Horna (LC Rehlingen), die Kenianerin Gladys Kiprotich und die Deutsche Marathonmeisterin Silke Optekamp (PSV Grün-Weiß Kassel) ließ sie deutlich hinter sich. Ein Fingerzeig in Richtung der nationalen Konkurrenz, gegen die sie zuletzt bei den Deutschen U23-Meisterschaften in Göttingen und den Deutschen Meisterschaften in Ulm gestartet war. Die Plätze sechs und zwölf über 5.000 Meter waren dabei herausgesprungen.
Seit Anfang 2012 in den USA
Die Besuche von Laura Hottenrott in der Heimat sind genau getaktet. Zweimal im Jahr reist sie zurück, während der College-Ferien, im Sommer dann gleich für mehrere Monate. Seit Anfang 2012 geht das nun so, damals hat sie angefangen, Biologie an der Universität von Portland zu studieren.
„Ich wollte nach dem Abi ohnehin ins Ausland“, erklärt sie. Da kam das Angebot aus Portland gerade recht, denn dort konnte sie nicht nur ihr Wahlfach studieren, sondern auch das Studium mit dem Sport verbinden. „Oregon ist ein Läufermekka, das Wetter ist fast immer gut, dort trainieren viele internationale Athleten“, sagt sie.
Zwar hatte Laura Hottenrott damals den Sprung in den D-Kader des Hessischen Leichtathletik-Verbands (HLV) geschafft, rückblickend würde sie sich zu diesem Zeitpunkt aber eher als vielseitige Ausdauersportlerin bezeichnen. Dann steigerte sie sich 2012 über 5.000 Meter innerhalb weniger Monate von 17:44 Minuten auf 16:51,58 Minuten, holte Silber bei der U23-DM – und hatte Blut geleckt.
Neue Impulse in Boston
Mit dem Wechsel nach Boston geht Laura Hottenrott nun den nächsten Schritt in ihrer Uni- und Sportkarriere. „Ich wollte nach zwei Jahren noch mal eine Veränderung“, erklärt sie. „Hier ist alles viel, viel größer, das renommierte Boston College ist mitten in der Stadt, es gibt die Harvard University, das MIT, alle möglichen anderen Unis…“ Und einen Top-Trainer, bei dem sie jetzt täglich trainiert: Randy Thomas.
Randy Thomas war selbst ein erfolgreicher Langstreckler und belegte 1978 bei den Marathon-Weltmeisterschaften Rang fünf. Seit nunmehr 20 Jahren ist er am Boston College Chef des Leichtathletik-Teams der Frauen. Fünf Einheiten pro Woche absolviert Laura Hottenrott bei ihm, immer gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen – denn Einzeltraining gibt es nicht. „In der Gruppe fordert man sich mehr“, findet Laura Hottenrott. Konkurrenz untereinander gebe es aber kaum, der Team-Gedanke überwiege, besiegen wolle man vor allem die anderen College-Teams.
Jahresplanung gemeinsam mit dem Vater
Für die übergeordnete Jahresplanung hat Laura Hottenrott einen Experten in der eigenen Familie: ihren Vater. Prof. Dr. Kuno Hottenrott ist Leiter der Abteilung für Trainingswissenschaft und Sportmedizin an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Als ehemaliger Nationaltrainer der Triathlon-Junioren kennt er sich nicht nur in der Theorie des Ausdauersports aus, sondern auch in der Praxis.
Und dann gibt es da noch einen dritten Mann an der Seite von Laura Hottenrott: Siegfried Henning. Bei ihm machte sie als Mitglied der GSV Eintracht Baunatal ihre ersten Erfahrungen auf der Mittelstrecke, bei ihm ist sie noch immer im Training zu Gast, wenn sie aus den USA nach Hause kommt.
Kurve zeigt nach oben
Wo soll die Reise von Laura Hottenrott hingehen? Wenn man sie nach konkreten Zeiten fragt, fallen Prognosen schwer. Nimmt man die vergangenen drei Monate als Anhaltspunkt, dann sollte über 5.000 Meter deutlich mehr drin sein als die 16:40,98 Minuten, die die Hessin im April 2013 in den USA erzielte. Eine Zeit von unter 16 Minuten – von der träumt Laura Hottenrott. „Aber vielleicht nicht unbedingt schon im nächsten Jahr“, fügt sie hinzu und lacht.
Langfristig kann sie sich einen Wechsel auf die längeren Strecken durchaus vorstellen, 2014 werden aber weiterhin die 5.000 Meter im Mittelpunkt stehen. Nimmt man Laura Hottenrotts Leistungsentwicklung im Laufband-Test als Anhaltspunkt, den sie seit vielen Jahren bei ihrem Vater am Institut für Leistungsdiagnostik und Gesundheitsförderung (ILUG) absolviert, sind die Zeichen vielversprechend. Denn da zeigt die Kurve steil nach oben.