Die leichtathletik.de-Analyse – Drei-/ Weitsprung
Der Leichtathletik-Sommer 2005 ist Geschichte. Die deutsche Szene war in den letzten Monaten nach dem Tief bei den Olympischen Spielen in Athen wieder von einem Aufwind ergriffen. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2005, blickt auf 2006 voraus und stellt die neuen Hoffnungsträger vor.
Charles Friedek sprang wieder vorne mit (Foto: Chai)
Dreisprung MännerSo stehen die DLV-Asse international:
Die deutschen Männer springen wieder im internationalen Vergleich vorne mit, auch wenn das Resümee der Weltmeisterschaft in Helsinki (Finnland) einen anderen Eindruck suggeriert. Charles Friedeck (TSV Bayer 04 Leverkusen) zählt mit Platz sieben in der Weltjahresbestenliste des Weltverbandes IAAF zur internationalen Dreisprungelite. Der Leverkusener bleibt mit seiner Saisonbestmarke von 17,39 Metern knapp einen halben Meter hinter dem Jahresbesten Marian Oprea (Rumänien; 17,81 m) zurück.
Die Bilanz 2005:
Die Erwartungen an die WM waren hoch. Das Ergebnis blieb jedoch hinter diesen zurück. Charles Friedeck schied verletzt in der Quali aus. "Dass Charles sich in Helsinki verletzt hat, war sehr schade", bilanziert die Dreisprung-Disziplintrainerin Elke Stahl die vergangene Sommer-Saison. Jedoch fällt ihr Resümee positiv aus, denn Charles Friedeck habe wieder zu alter Stärke zurückgefunden und hätte in Finnland, wenn er gesund gewesen wäre, "gut aussehen können."
"Gut präsentiert haben sich auch Rudolph Helpling (LT DSHS Köln) und Thomas Moede (Team Erfurt)", sagt die Bundestrainerin. Beide sprangen in dieser Saison auf einem Niveau von 16,50 Metern. "Die besseren Sprünge waren leider immer übergetreten", beschreibt Elke Stahl das typische Berufspech der Dreispringer. Aber im kommenden Jahr soll das besser werden.
Die Chancen 2006:
"Für die Hallen-WM in Moskau (Russland) wage ich für die Dreispringer noch keine Prognose abzugeben", hüllt sich Elke Stahl in Schweigen. Zu ungewiss sei der Zustand von Charles Friedeck, der sich noch von der Verletzung, die er sich in der Qualifikation der WM zuzog, erholen müsse.
Aber im Hinblick auf die Europameisterschaft in Göteborg stellt sich die Lage schon viel klarer dar. "Charles wird angreifen und hat auch beste Chancen", ist sich die Bundestrainerin sicher und auch Rudolph Helpling und Thomas Moede haben durchaus Aussichten, die Norm für Schweden zu packen.
Das sind die Hoffnungsträger:
Auch der Dreisprung-Nachwuchs hat sich in dieser Saison in einem guten Licht gezeigt. Konstantin Gens (TV Wattenscheid 01) verpasste nur um einen Zentimeter Bronze bei der U20-EM (15,83 m) und ist eindeutig ein Kandidat für die Zukunft. Mit Daniel Kohle (LG Ratio Münster) konnte der DLV einen Springer zur U23-EM nach Erfurt schicken, auch wenn dieser dort seine Bestform nicht abrufen konnte und, trotz Vorleistung von 16,18 Metern, in der Quali nicht über 15,48 Meter hinauskam.
Hoffnungen setzt Elke Stahl auch auf Nico Bayer. Der Wiesbadener kämpft sich nach seinem Motorradunfall im letzten Jahr wieder an die Spitze heran und brachte es in dieser Saison auf 15,42 Meter. "Seine Formkurve steigt weiterhin an", bescheinigt ihm die Bundestrainerin und macht deutlich, dass sie in Nico Bayer einen Springer mit ganz hohem Potential sieht. "Er kann es bis Peking schaffen", sagt sie mit Überzeugung in der Stimme.
Dreisprung Frauen
So stehen die DLV-Asse international:
Nach deutschen Dreispringerinnen muss man in den internationalen Listen lange suchen. Nur Silvia Otto (Team Erfurt), mit 13,93 Meter die mit Abstand beste nationale Dreispringerin, ist auf Platz 53 der IAAF-Weltbestenliste zu finden. Jedoch ist auch das zu wenig, wenn man bedenkt, dass die besten Dreispringerinnen, um Trecia Smith (Jamaika, 15,11 m) und Tatyana Lebedewa (Russland, 15,11 m), mittlerweile Weiten über 15 Metern anbieten können.
Die Bilanz 2005:
"Im Dreisprung der Frauen sieht es einfach nicht gut aus", fällt DLV-Disziplintrainerin Elke Stahl ein vernichtendes Urteil. Silvia Otto sei derzeit die einzige Athletin, die an den 14-Metern kratzt, und auch sie könne keine konstanten Leistungen abrufen, führt sie weiter aus. Ein Zustand, der sich dringend ändern muss. "Ganz schwarz würde ich die Situation zwar nicht sehen, da bei den Deutschen Jugendmeisterschaften doch relativ viele Mädels am Start waren, aber die Decke ist zugegebenermaßen sehr dünn", startet die Bundestrainerin einen Versuch die Situation einzuordnen.
Probleme sieht Elke Stahl jedoch nicht nur in der Tatsache, dass es einfach nicht viele Dreispringerinnen auf hohen Niveau im DLV gibt, sondern dass zudem die Springerinnen mit Potential wie Henny Gastel (SV Halle; Achillessehnenprobleme) und Katja Demut (TuS Jena), die Elke Stahl als zu unbeständig beschreibt, ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen können. Katja Demut stand zwar im Finale der U23-EM, konnte dort aber mit 12,96 Metern (Platz 12) nicht überzeugen, wenn man bedenkt, dass sie diese Saison schon auf 13,67 Meter kam. "Aber vielleicht platzt ja im kommenden Jahr der Knoten", hofft die DLV-Trainerin inständig.
Die Chancen 2006:
Ebenso wie die Hallensaison, zumindest auf internationalem Niveau, für Charles Friedeck noch in den Sternen steht, so verhält es sich mit Silvia Otto. Bei ihrem letzten Wettkampf der Saison, beim Weitspringen hinterm Deich in Cuxhaven, zog sie sich eine Verletzung zu, die noch auskuriert werden will. "Zumindest was ihre Teilnahme bei der Hallen-WM angeht, vermag ich noch nichts zu sagen", sagt Elke Stahl.
Das sind die Hoffnungsträger:
Ein Hoffnungsschimmer in Deutschlands trister Dreisprung-Welt der Frauen ist die 18-jährige Katharina Schreck (TS Herzogenaurach). Sie konnte immerhin in diesem Jahr als einzige Springerin die Farben des DLV bei der U20-EM präsentieren (Platz 10) und knackte bei der Junioren-Gala in Mannheim erstmalig die 13-Meter-Marke. "Sie ist meine ganz große Hoffnung für Peking", unterstreicht die Bundestrainerin, Elke Stahl.
Weitsprung Männer
So stehen die DLV-Asse international:
Drei deutsche Weitspringer knackten in diesem Jahr die 8-Meter-Marke. Nils Winter (TSV Bayer 04 Leverkusen) gelang dieses Kunststück gleich fünfmal. Anders als in den vergangenen Jahren, konnte Nils Winter diese Saison erstmals ein gewisses Maß an Beständigkeit in seinen Sprüngen zeigen. Am wichtigsten Tag der Saison, dem WM-Finale, jedoch konnte er die 8-Meter nicht annähernd erreichen. Der weiteste Sprung glückte ihm in Bad Langensalza. 8,21 Meter bescherten ihm nicht nur die Quali zur WM, sondern beförderten ihn auch auf Platz 13 der IAAF-Weltbestenliste. Während Oliver König (LAZ Leipzig) und Peter Rapp (LAV Asics Tübingen) mit exakt 8,00 Metern Platz 23 und 24 in der EAA-Bestenliste belegen, gehört Nils Winter als Vierter zur europäischen Spitze.
Die Bilanz 2005:
Das Resultat bei der WM entsprach nicht den Erwartungen nach den Vorleistungen. Nils Winter schaffte zwar den Sprung ins Finale, blieb dort aber mit 7,72 Metern deutlich hinter seinem Potential zurück. "Die Finalteilnahme war für Nils Winter schon ein persönlicher Erfolg. Allerdings trat er dort nicht mehr in Bestform an", resümiert der Weitsprung Bundestrainer Rainer Pottel. Warum Deutschlands derzeit bester Weitspringer zum Saisonhöhepunkt nicht mehr zu Höchstleistungen auflaufen konnte und als 12. den Endkampf nur als Zuschauer beobachtete, das wird momentan noch analysiert, denn aus Fehlern will man lernen.
Anders als Nils Winter war Peter Rapp zu seinem Saisonhöhepunkt in Top-Form. Bei der U23-EM in Erfurt sprang er 7,95 Meter, blieb damit nur um fünf Zentimeter hinter seiner persönlichen Bestleistung zurück und belegte damit Platz vier. "Eine Leistung, mit der man zufrieden sein kann", bestätigt auch Rainer Pottel.
Die Chancen 2006:
"Ich gehe fest davon aus, dass wir mit drei Weitspringern in Göteborg vertreten sind", lässt Rainer Pottel keinen Zweifel an seinem Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Schützlinge. Die Chancen stehen wahrhaftig sehr gut. 8,00 Meter sind die Norm, die der DLV fordert. Eine Weite, die dieses Jahr drei Athleten vorweisen konnten. "Nils Winter, Oliver König und Peter Rapp habe ich auf meiner Rechnung für Göteborg", bestätigt Rainer Pottel.
Doch für Nils Winter kann es nicht nur um die Teilnahme an der Europameisterschaft gehen. Behält man im Hinterkopf, dass er mit 8,21 Meter die vierbeste Weite Europas ablieferte und im WM-Finale sechstbester Europäer war, so kann man von seinem Auftritt in Göteborg mehr erwarten. "Nils hat mittlerweile genügend internationale Erfahrung gesammelt, so dass man ihm einen vorderen Platz bei der EM zutrauen kann", spekuliert der Disziplintrainer und ergänzt: "Die EM kommt für Nils zum richtigen Zeitpunkt."
Auch wenn diese Saison aufgrund von Verletzungen ein schwarzes Jahr für den Berliner Christian Kaczmarek war, so glaubt Rainer Pottel an das Potential des jungen Springers, der 2004 bereits 8,11 Meter in die Grube zauberte. "Er hat gute Zukunftsaussichten und auch für die EM ist er bereits ein ernstzunehmender Kandidat", spricht sich der Disziplintrainer für Christian Kaczmarek aus.
Das sind die Hoffnungsträger:
"Wir haben eine ganze Reihe junger Weitspringer, die den Sprung bis zu den Olympischen Spielen 2008 schaffen können", glaubt Bundestrainer Rainer Pottel und verweist auf die Hoffnungsträger um Christian Kaczmarek, Sebastian Bayer (TSV Bayer 04 Leverkusen), Christian Böhm (SG Kronshagen/Kiel) und Nils Sammert (LG Rüsselsheim).
Sebastian Bayers Silbermedaille bei der U20-EM in Kaunas (Litauen) stimmt zuversichtlich, dass in den kommenden Jahren deutsche Weitspringer in der Weltspitze mitspringen. Jedoch sucht das Verletzungspech die jungen deutschen Athleten in letzter Zeit immer öfter ein. Der Leverkusener zog sich im letzten Versuch der U20-Meisterschaften einen Mittelfußbruch im linken Fuß zu, von dem er sich nun langsam erholt und auch schon wieder das erste Athletik-Training absolvieren konnte.
Auch Nils Sammert wurde von Verletzungen heimgesucht. "Er hat sich in der Schule einen Kreuzbandriss geholt", überbringt Rainer Pottel keine guten Nachrichten, denn Nils Sammert ist ein Springer mit großem Potential, wie seine Bestweite von 7,76 Metern aus der Hallensaison 2005 beweist. Ebensoviel Talent weißt Christian Böhm auf, auch wenn er in diesem Jahr bei der U20-EM noch mit 7,22 Metern in der Quali hängen blieb.
Christian Kaczmarek, Mitglied des Top-Team-Kaders Peking, sah sich dieses Jahr von diversen Verletzungen verfolgt und brach die Saison schließlich ab. "Aber Christian hat nun vom Arzt wieder grünes Licht bekommen und das erste Trainingslager lief durchweg positiv", gibt Rainer Pottel Entwarnung und sieht in dem Berliner einen der vielversprechendsten Weitspringer, den es derzeit in Deutschland zu finden gibt.
Doch auch Nils Winter dürfe man im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2008 nicht vergessen, mahnt der Bundestrainer. "Dann ist er ja auch erst 31 Jahre und damit noch nicht zu alt zum Weitsprung."
"Wir haben viele junge Burschen, die gut weitspringen können", macht Rainer Pottel Hoffnung für die kommenden Jahre. Das einzige Problem sieht er in der Verletzungsanfälligkeit der Hoffnungsträger, doch "ich hoffe, dass sie mit ihrem jungen Jahren noch schneller über diese hinwegkommen."
Weitsprung Frauen
So stehen die DLV-Asse international:
Die russischen Athletinnen um die Jahresbeste Irina Simagina springen in einer anderen Liga als die deutsche Elite. Dennoch brauchen sich die Weitspringerinnen um Bianca Kappler (LC Asics Rehlingen) und Urszula Gutowicz-Westhof (Berliner SC) nicht zu verstecken. Mit 6,66 Metern verpasst Bianca Kappler als 31. der IAAF-Weltbestenliste knapp den Sprung unter die Top 30. Urzsula Gutowicz-Westhof belegt Platz 47. mit ihrer Bestweite von 6,62 Metern. Wirft man einen Blick in die europäischen Listen, so findet man beide Springerinnen auf Plätzen unter den besten 30 (Kappler 20; Gutowicz-Westhof 29).
Zudem ist Bianca Kappler die einzige DLV-Athletin, die in dieser Saison eine Medaille erspringen konnte. Bei der Hallen-Europameisterschaft in Madrid wurde ihr, nach einem Messfehler eines Kampfrichters, Bronze zugesprochen. Nachdem sie kurzzeitig mit der Fabelweite von 6,96 Metern auf dem ersten Platz geführt wurde, machte die Athletin selber deutlich, dass diese Weite nicht korrekt sei und wurde wegen ihrem vorbildlichen und fairen Verhalten mit der Fair-Play Trophäe ausgezeichnet.
Die Bilanz 2005:
Bei den Weitspringerinnen fällt die Bilanz positiver aus als bei den Dreispringerinnen. Gleich bei zwei internationalen Großereignissen konnte Bianca Kappler auf sich aufmerksam machen. Nach Bronze in Madrid bei der Hallen-EM, glänzte sie am Ende der Saison allerdings nicht durch Beständigkeit und schied, auch durch eine Verletzung bedingt, in der Qualifikation zum WM-Finale in Helsinki aus. Dennoch kann sie mit einer Medaille und mit der Saisonbestmarke von 6,66 Metern, fünf Zentimeter unter ihrer Bestleistung ein zufriedenes Resümee der Saison ziehen.
Doch es gibt in Deutschland nicht nur eine Bianca Kappler. Auch Urszula Gutowicz-Westhof und Sofia Schulte (LG Staufen) zeigten dieses Jahr gute Sprünge und verwiesen die Rehlingerin das ein oder andere Mal in ihre Schranken. Anders als Bianca Kappler konnte die Berlinerin Urszula Gutowicz-Westhof am Ende der Saison noch zulegen und sprang in Cuxhaven mit 6,62 Metern zu einer neuen Bestmarke, die auch ganz nah an jene von Bianca Kappler herankommt.
Die Chancen 2006:
Die Europameisterschaft stellt eine Chance dar, die auch die Weitspringerinnen um Bianca Kappler nutzten wollen. Zwar werden es die Deutschen hier mit den starken Russinnen zu tun bekommen, doch wenn Bianca Kappler sich jenseits der 6,70 Meter stabilisiert und Urszula Gutowicz-Westhof noch ein paar Zentimeter drauflegen kann, so könnte 2006 ihr Jahr werden.
Das sind die Hoffnungsträger:
Um den Weitsprungnachwuchs in Deutschland, zumindest im Alter der 17- bis 20-Jährigen, muss man sich keine Sorgen machen. Dennoch fiebert Leichtathletik-Deutschland dem Comeback von Sophie Krauel (Tus Jena) entgegen und das mit Recht. Denn sie ist mit Abstand das größte Talent der Weitsprungszene, welches der DLV zurzeit vorweisen kann. Die als Nachfolgerin von Heike Drechsler gehandelte Springerin kann jedoch nach 19 Monaten Abstinenz vom Wettkampfsport und nach einer langwierigen Verletzung im linken Schienbein immer noch nur "nach Gefühl" trainieren. Sophie Krauel, die 2004 bereits 6,59 Meter sprang, ist augenblicklich die einzige Vertreterin der Weitsprunghoffnungen, die der DLV in seinen erlesenen Top Team Kader Peking 2008 aufgenommen hat.
Dabei gibt es mit Carina Nastvogel (LA Team Oberfranken, Platz 5) und Alexandra Ophey (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen; Platz 12) zwei hoffnungsvolle Talente, die bei der U18-Weltmeisterschaft in Marrakesch (Marokko) ins Finale vorstoßen konnten. Bei der U20-EM in Kaunas (Litauen) konnte man sogar alle drei Tickets vergeben und sich mit Nadine Jacobs (LAZ Rhede) über einen sechsten Platz freuen, nachdem Maie Onnen (LG Hannover) und Stephanie Unger (LAC Erdgas Chemnitz) den Sprung ins Finale verpasst hatten.
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