| Pyeongchang

Leichtathleten machen den Olympia-Bobs Beine

Mehr als die Hälfte der kürzlich für die Olympischen Winterspiele 2018 nominierten deutschen Bob-Sportler haben ihre Wurzeln in der Leichtathletik. Die frühere Sprinterin Annika Drazek gilt aktuell sogar als eine der besten Anschieberinnen der Welt, Ex-Zehnkämpfer Thorsten Margis trainiert noch immer bei Siebenkampf-Bundestrainer Wolfgang Kühne.
Pamela Ruprecht

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) gab am Dienstag sein Aufgebot für die Olympischen Winterspiele bekannt. Im 22-köpfigen deutschen Bob-Team für Pyeongchang (Südkorea; 9. bis 25. Februar) kommt mehr als die Hälfte der nominierten Athleten ursprünglich aus der Leichtathletik. Die frühere Sprinterin vom TV Gladbeck Annika Drazek (Bob-Verein: BSC Winterberg) zählt zur Zeit sogar zu den besten Anschieberinnen der Welt.

Zum Bobsport kam die 22-Jährige durch ihren Coach Heiner Preute. Der Nachwuchs-Bundestrainer für die 400 Meter Hürden der weiblichen Jugend aus Gladbeck ist so etwas wie ein Experte für die Verbindung von Leichtathletik und Bobsport. Früher war er selbst Bobfahrer, dann um die Jahrtausendwende Athletik-Trainer in Winterberg, wo er den heutigen Bob-Bundestrainer Rene Spies betreute. Auch bei Annika Drazek sah er das Potenzial für den Wintersport.

In Pyeongchang um die Medaillen kämpfen

Nach zwei siebten Plätzen über 100 Meter bei der U18-WM 2011 und der U20-EM 2013 machte der einstigen Sprinterin vor der U20-WM 2014 in Eugene (USA) ein Muskelfaserriss einen Strich durch die Rechnung – einer der Gründe, warum es trotz anfänglicher Skepsis zur Orientierung in Richtung Bobsport kam. Der Umstieg wurde schon bald mit Erfolg gekrönt: "Annika ist mit der Technik, den Schlitten anzuschieben, gleich super zurechtgekommen und hat aufgrund ihrer Power und ihrer Schnelligkeit alles in Grund und Boden geschoben", erinnert sich Heiner Preute.

Gleich in ihrem ersten Jahr 2015 gewann sie in Winterberg den Vize-Weltmeistertitel. Nach EM- und WM-Gold 2016 im Zweierbob mit Pilotin Anja Schneiderheinze folgte nach deren Karriereende mit Mariama Jamanka (BRC Thüringen) – ehemalige Hammer- und Diskuswerferin der LG Nord Berlin, die auch für Pyeongchang nominiert ist – auch der EM-Titel 2017.

In Pyeongchang will Annika Drazek mit Pilotin Stephanie Schneider um die Medaillen kämpfen. Das Gespann holte zuletzt 2018 den EM-Titel. "Das Duo hat durch den starken Start ein Polster für die Fahrt, falls diese nicht hundertprozentig glatt läuft. Damit können sie in die Phalanx der Nordamerikanerinnen eindringen", meint Preute. Ein Platz auf dem Podest ist möglich, aber kein Selbstläufer: "Es sind für beide Athletinnen die ersten Olympischen Spiele und diese schreiben ihre eigenen Gesetze." Anders als beim Weltcup sind vier und nicht nur zwei saubere Fahrten gefordert.

Explositivität und Schnelligkeit von Vorteil

Insgesamt profitiert der Bobsport stark von der Beschleunigungsfähigkeit und Explosivkraft, die Sprinter, Mehrkämpfer und auch Werfer mitbringen. Für Sportler, denen in der Leichtathletik der internationale Durchbruch verwehrt blieb, eröffnet sich in dieser Wintersportart die Chance auf eine zweite Karriere.

Als Ersatz-Athleten reisen so Ex-Sprinterin Ann-Christin Strack (TuS Eintracht Wiesbaden), Ex-Weitspringerin Lisette Thöne (ESC Erfurt) und Ex-Kugelstoßer Alexander Rödiger (BRC Thüringen) mit nach Südkorea. Im olympischen Bob-Team der Männer steht auch der ehemalige 20-Meter-Drehstoßer Candy Bauer (BSC Sachsen Oberbärenburg), der einst Schützling von Kugelstoß-Bundestrainer Sven Lang war.

Thorsten Margis: Vom Zehnkampf zum Bobsport

Im Zehnkampf war früher Thorsten Margis (SV Halle) aktiv, er wird bis heute von Siebenkampf-Bundestrainer Wolfgang Kühne in Halle betreut – absolviert allerdings aufgrund der verschiedenen Wettkampf-Zyklen nur 20 Prozent seiner Trainingszeit mit den Leichtathleten gemeinsam. Für den 28-Jährigen sind es nach Sochi (Russland) bereits die zweiten Winterspiele. Der Doppel-Weltmeister von 2017 wird auch in Südkorea den Zweier- und Viererbob von Pilot Francesco Friedrich anschieben und um Gold kämpfen.

Die Ex-Sprinter Joshua Blum (Bob-Club Stuttgart Solitude), Kevin Kuske (SC Potsdam), Christian Poser (SC Potsdam) und Christian Rasp (WSV Königssee) machen den deutschen Olympia-Bobs ebenfalls Beine. Der Dortmunder Christoph Weber (BSC Winterberg) bringt mit einer 100-Meter-Bestzeit von 10,76 Sekunden ordentlich Speed mit. Anteil an seiner Nominierung hat auch LGO-Coach Manfred Richter, Ehemann von Doppel-Sprint-Olympiasiegerin Annegret Richter.

In seiner Zeit als Leichtathlet waren die 400 Meter die Spezialstrecke von Martin Grothkopp (BSC Sachsen Oberbärenburg), bei den Winterspielen ist die Beschleunigung dagegegen auf einem ganz kurzen Abschnitt gefragt, bevor es in den Eiskanal geht. Das bisher 153 Sportler umfassende Olympia-Team Deutschlands wird am 5. Februar am Münchner Flughafen offiziell verabschiedet. In Südkorea könnten dann in der Leichtathletik erlernte Fähigkeiten zu Medaillen verhelfen.

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