Leichtathletik soll weiter Vorreiter sein
Die Diskussionsteilnehmer waren sich in dieser Woche bei einem NADA-Workshop in Bonn einig - wo Geld regiert, sind die Möglichkeiten im Anti-Doping-Kampf begrenzt. Doch aufgegeben werden soll er freilich nicht - und die Leichtathletik soll einen großen Anteil daran haben.
Die Frage „Generation 2020 - alles sauber oder was?“ beantworteten Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius (TSV Bayer 04 Leverkusen), die beiden Fachjournalisten Dr. Christoph Fischer (Westdeutsche Zeitung) und Ralf Paniczek (ZDF) sowie die Gastgeber der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA, Chefjustiziarin Anja Berninger und Vorstand Armin Baumert, zwar durchweg mit „Nein“, doch es soll freilich weiter für einen sauberen Sport gekämpft werden.Steffi Nerius machte dabei deutlich, dass die Athleten kooperativ seien, sie könne aber auch das Schimpfen einiger in der aktuellen Diskussion um den Datenschutz nachvollziehen. „Es ist schon nervig, wenn es im eigenen Terminplan kurzfristige Änderungen gibt. Das ist ein ziemlicher Eingriff in die Persönlichkeit. Ich bin froh, dass es vorbei ist“, sagte sie und deutete an, dass es schon 21 Jahre früher hätte vorbei sein können.
Legal vorne sein können
„Ich habe damals darüber nachgedacht, mit dem Leistungssport aufzuhören. Mein Ziel war immer Platz eins. Ich dachte, das kann ich unter diesen Bedingungen niemals schaffen“, erzählte sie. Seither habe es eine tolle Entwicklung gegeben. „Es gab wieder mehr Spaß am Sport, weil man legal vorne sein konnte. Daher möchte ich mich bei dem Kontrollsystem bedanken.“ Sie werde weiterhin den Anti-Doping-Kampf unterstützen.
Armin Baumert griff das Statement der Leichtathletin auf und lobte in diesem Zusammenhang den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV). „Seit Dieter Baumann, Katrin Krabbe und Uta Pippig hat der DLV Strukturen aufgebaut. Die WM 2009 in Berlin hat gezeigt, dass für Deutsche dennoch international etwas drin ist“, sagte er und hob hervor, dass die Leichtathletik weiter Vorreiter im Anti-Doping-Kampf sein solle.
Die nun als Trainerin arbeitende Steffi Nerius zeigte auf, welche Probleme es für die Athleten aufgrund des strengen Abmeldesystems noch geben kann. „Wer kein Internet zuhause hat, ist schon mal klar im Nachteil. Es ist also auch indirekt eine Geldfrage, ob ich jederzeit meinen Aufenthaltsort aktualisieren kann.“
Harmonisierung des Anti-Doping-Kampfes
NADA-Chefjustiziarin Anja Berninger und Vorstand Armin Baumert machten deutlich, dass man in Zusammenarbeit mit der für das Abmeldesystem ADAMS verantwortlichen Welt-Anti-Doping-Agentur WADA an einer Harmonisierung des Anti-Doping-Kampfes arbeite.
„Wichtig ist für uns die Aufklärung, die meisten Verstöße sind nämlich unabsichtlich erfolgt. Desweiteren soll das System so sicher wie möglich sein. Es geht darum, so wenig wie möglich Daten zu erheben und Daten eventuell auch früher wieder zu löschen“, erklärte Anja Berninger. ADAMS solle einfacher, logischer und selbsterklärender werden. Daran werde bei der WADA fieberhaft gearbeitet, versicherte Anja Berninger. Beispielsweise soll es in naher Zukunft ein App für die Besitzer eines I-Phones geben.
Zusammenarbeit intensivieren
Unter Harmonisierung versteht Armin Baumert, dass drei Kontrollen durch drei verschiedene Institutionen an einem Tag keinen Sinn machen würden, es gebe ein solches Beispiel. Die Zusammenarbeit und Kooperation zwischen staatlichen Ermittlungsbehörden, der NADA, der WADA und der internationalen Verbände müsse dafür intensiviert werden. Ziel der NADA sei es auch, mehr Wettkampf-Kontrollen zu übernehmen (bislang rund 20 Prozent) und in den Schiedsverfahren die Rolle der Anklägerin zu übernehmen - bislang fällen größtenteils die Fachverbände das Urteil.
Für die Zukunft sahen die Diskussionsteilnehmer zwar stärkere Allianzen gegen Doping aufkommen, doch es werde auch Rückschritte geben. Probleme seien unter anderem der Druck und die Macht der Sportartikelhersteller durch hohe Prämien für Rekorde (Paniczek) und kommerzielle Interessen allgemein (Berninger), der Stellenwert des Sports als Exportgut insbesondere in den osteuropäischen Ländern (Baumert), die Interessen der Veranstalter und Verbände, die den skandalfreien - nicht den sauberen - Sport wollen würden (Paniczek) und die finanziellen Mittel („Wer bei uns etwas bestellt, muss Manpower und Geld mitbringen“, Baumert).
Urinprobe weiter notwendig
Prof. Dr. Wilhelm Schänzer hatte in einem der Eingangsreferate deutlich gemacht, dass die Nachweismethoden zwar deutlich schneller entwickelt werden als vor 20 Jahren, den Gegnern der Urinprobe und den damit verbundenen Unannehmlichkeiten erteilte er aber eine klare Absage. „Wir brauchen die Urinproben, ansonsten können wir den Dopingkampf einstellen.“ Der Vorteil: Durch Langzeitlagerung der Urinproben können neue Nachweismethoden rückwirkend angewendet werden.
Armin Baumert forderte unterdessen, dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) nur diejenigen starten lassen solle, die den WADA-Code anerkennen - ein schwieriges Unterfangen. Immerhin: Seit den jüngsten Olympischen Winterspielen in Vancouver (Kanada) sind die Abmeldesysteme wie ADAMS Pflicht für die teilnehmenden Länder - in Peking (China) zwei Jahre zuvor hatten nur knapp die Hälfte aller Nationen die Anwesenheiten ihrer Athleten im Olympischen Dorf korrekt und vollständig gemeldet.
Die NADA hat sich unterdessen mit einer neuen Struktur weg vom Ehren- hin zum Hauptamt auf die kommenden Aufgaben vorbereitet: Künftig wird ein zweiköpfiger hauptamtlicher Vorstand die Geschicke der Stiftung lenken, an die Stelle des bisherigen Kuratoriums tritt ein Aufsichtsrat. Die beiden Stellen für den hauptamtlichen Vorstand werden ausgeschrieben, der bisherige Kuratoriums-Vorsitzende Prof. Hanns Michael Hölz wird Aufsichtsratsvorsitzender und der derzeit ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende Armin Baumert wechselt in den Aufsichtsrat.