leichtathletik.de-Analyse - 400 Meter Frauen
Das Leichtathletik-Jahr 2007 ist Geschichte. Die deutsche Szene war dabei vor allem von einer erfolgreichen WM in Osaka (Japan) gekennzeichnet. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2007, blickt auf 2008 voraus und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.

Claudia Hoffmann ist die stärkste deutsche Viertelmeilerin (Foto: Kiefner)
Wo stehen die DLV-Asse international?"Nach den positiven Entwicklungen des Jahres 2006 haben wir in diesem Jahr im 400-Meter-Bereich der Frauen einen herben Tiefschlag hinnehmen müssen." So fällt die realistische Einschätzung des DLV-Disziplintrainers Edgar Eisenkolb aus.
Das war vor allem der hohen Ausfallquote geschuldet. Mit der Erfurterin Claudia Marx und der Chemnitzerin Anja Pollmächer musste man auf zwei wesentliche Stützen der Staffel verzichten. "Das ist eine der Hauptursachen dafür, dass wir am Ende das Saisonziel nicht erreichten, bei der WM in Osaka mit einer Staffel an den Start zu gehen."
Dabei standen seitens des Weltverbandes IAAF die Türen weit offen, denn von dort wurden die 16 besten Nationalstaffeln eingeladen, darunter war auch das deutsche Quartett. Aber die eigene DLV-Norm wurde nicht erreicht. Und Edgar Eisenkolb stellt klar: "Wir haben einen eigenen Anspruch, dem wurden wir nicht gerecht. Dieser Anspruch ist, nur hinzufahren, wenn wir eine sichere Endlaufchance haben."
Dabei hatten die Athletinnen bis zum Rennen am 12. August in Wattenscheid noch die Chance, durch gute Leistungen zu überzeugen. Doch die Bilanz nach dem Lauf war ernüchternd.
Folgerichtig entschieden DLV-Cheftrainer Jürgen Mallow und Edgar Eisenkolb gemeinsam, dass kein Staffelquartett fahren wird. "Es war einfach kein Aufwärtstrend zu verzeichnen", kommentierte Edgar Eisenkolb die für ihn und die Athletinnen bittere Entscheidung.
Die Bilanz 2007
Claudia Hoffmann (SC Potsdam) hatte das erklärte Saisonziel, bei der WM nicht nur in der Staffel zu laufen, sondern auch auf der Einzelstrecke. Doch mit 51,92 Sekunden war sie zu langsam. DLV-Trainer Edgar Eisenkolb sieht bei der Deutschen Meisterin allerdings eine normale Entwicklung. "Claudia hat in den zurückliegenden Jahren immer wieder Schritte nach vorn getan. Nun muss die Leistung auf einem höheren Niveau erst mal stabilisiert werden." Und klar ist auch, dass es nicht jedes Jahr schneller gehen kann. Ihre Position als stärkste deutsche 400-Meter-Läuferin ist trotzdem nach wie vor unbestritten, was auch ihr neuerlicher nationaler Titelgewinn bewies.
Wie sie waren auch alle anderen Kaderathletinnen in den zwei Höhentrainingslagern in Südafrika und Namibia dabei. Die beiden Chemnitzerinnen Anja Pollmächer und Jana Neubert ließen besonders Anfang Mai in Namibia ein sehr gutes Leistungsniveau erkennen. Danach hatten alle, auch ihr Heimtrainer Peter Dost, die berechtigte Hoffnung, dass sich die guten Trainingsergebnisse in entsprechenden Wettkampfleistungen niederschlagen würden.
Doch diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Jana Neubert konnte ihr Niveau in den Wettkämpfen nicht bestätigen. Anja Pollmächer traf es noch härter, denn vier Tage nach der Rückkehr zog sie sich beim Krafttraining eine Verletzung zu. Das sah anfangs gar nicht so schlimm aus, konnte aber nicht behoben werden und zwang sie zum Abbruch der Saison.
Janin Lindenberg (LG Nike Berlin) absolvierte erstmals ein Höhentrainingslager gemeinsam mit den besten deutschen 400-Meter-Läuferinnen, hatte zwar kleinere Schwierigkeiten, aber bewältigte letztendlich doch alles wie gewünscht. Anfänglich hatte sie Probleme, in die Wettkampfsaison zu finden. Erst nach einer Forcierung des Trainings im Grundlagenbereich besserte sich ihre Form, und im zweiten Teil des Sommers lieferte sie dann ordentliche Ergebnisse ab. "Wir wollten bei ihr eine Stabilisierung der Leistungen des vergangenen Jahres erreichen, was dann auch gelang", meinte Edgar Eisenkolb. Mit 53,32 Sekunden kam sie noch dicht an die Bestzeit des Vorjahres von 53,19 Sekunden heran.
Korinna Fink (LG Eintracht Frankfurt) stieg mit einer Zeit von 53,12 Sekunden normal in die Saison ein, doch der Trainerwechsel mitten in der Saison war naturgemäß recht problematisch für sie. Trotzdem entwickelte sie sich in der Fernbetreuung durch Frank Möller (SC Potsdam) noch ganz vernünftig, konnte aber an das Niveau des Vorjahres nicht anknüpfen. Zuletzt standen für sie kurz vor Ende der Saison wichtigere Dinge auf dem Plan. Sie und ihr Verlobter, der ebenfalls aus Frankfurt scheidende 800-Meter-Läufer Nils Schumann, erwarten in sechs Monaten Nachwuchs.
Schwerwiegend war der Ausfall von Claudia Marx (LAC Erfurt), die auch nach ihrem Wechsel auf die Hürdenstrecke zu den schnellsten deutschen 400-Meter-Läuferinnen zählt. Sie zog sich im ersten Trainingslager in Potschefstroom (Südafrika) eine Stressfraktur im Mittelfuß zu und fiel damit für die ganze Saison aus.
Eine gute Entwicklung hatten mit Ulrike Urbansky (Erfurter LAC) und Jonna Tilgner (Bremer LT) zwei weitere Hürdenläuferinnen zu verzeichnen. Beide waren in der Europacup-Staffel eingesetzt worden.
Bei den internationalen Meisterschaften der verschiedenen jüngeren Altersklassen gab es unterschiedliche Ergebnisse. Bei der U23-EM war keine deutsche Staffel am Start. Das lag vor allem daran, dass mit Janin Lindenberg und Anja Pollmächer zwei wichtige Athletinnen gerade zu Beginn der Wettkampfsaison, als die Norm-Zeiten gelaufen werden sollten, große Probleme hatten. Damit waren die Stützpfeiler der Staffel weggebrochen und die Aufstellung eines schlagkräftigen Teams nicht mehr möglich. Besser sah es aus bei der U20-EM, wo die Staffel in der Besetzung Wiebke Ullmann (TSV Friedberg-Fauerbach), Esther Cremer (TV Wattenscheid 01), Lena Schmidt (LG Hilden) und Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt) Dritter wurde.
Vorschau 2008
Vor drei Jahren, als Edgar Eisenkolb seine Tätigkeit als DLV-Disziplintrainer begann, hatte er das Ziel für 2008 bereits formuliert: " Wir wollen bei den Olympischen Spielen in Peking mit einer leistungsstarken Staffel im Endlauf sein." Für dieses Vorhaben stehen im nächsten Jahr mit den vier Flachspezialistinnen Claudia Hoffmann, Jana Neubert, Anja Pollmächer und Jana Lindenberg sowie mit den Hürdenläuferinnen Claudia Marx, Ulrike Urbansky, Tina Kron (SV schlau.com Saar 05) und Jonna Tilgner acht Kandidatinnen zur Verfügung. Aus diesem Kreis sollte sich eine schnelle Staffel bilden lassen.
Korinna Fink wird in der nächsten Saison aussetzen, weil sie Mutterfreuden entgegensieht. Nadine Balkow (LG Nike Berlin), die 2007 wegen Achillessehnenbeschwerden ausfiel, wird versuchen, sich wieder in den Vordergrund zu laufen und ihre Chance zu nutzen.
Sehr schwer sollte es für alle werden, die Olympia-Einzelnorm von 51,00 Sekunden zu packen. Da haben die Hürdenläuferinnen schon größere Chancen auf Einsätze in ihrer Einzelkonkurrenz. Doch das Hauptaugenmerk aller liegt auf der 4x400-Meter-Staffel.
"Für die U20-WM steht ein ähnlich starkes Potential wie im vergangenen Jahr zur Verfügung", blickt Edgar Eisenkolb auf den Nachwuchs. "Ich denke, dass wir mit der Staffel wieder um die Positionen vier bis sechs mitlaufen werden."
Die stärkste Athletin Fabienne Kohlmann (53,68 sec), die in Hengelo (Niederlande) Junioren-Europameisterin über die 400 Meter Hürden wurde, wird wahrscheinlich auf dieser Strecke den Einzelstart anpeilen, aber es gibt auch neben ihr einige "Flachläuferinnen", die sicher die geforderte Norm für die 400 Meter laufen können. "Doch das wird dann sicher nicht für den Einzug ins Finale reichen", dämpft Edgar Eisenkolb die Erwartungen.
Die Hoffnungsträgerinnen
"Sicherlich sind Anja Pollmächer und Janin Lindenberg die Athletinnen der Zukunft", meint Edgar Eisenkolb, wenn er nach den Hoffnungsträgerinnen gefragt wird. "Wenn Anja mit Hilfe von speziellen Therapien ihre Rückenprobleme im Griff behält, wird sie eine gute Entwicklung nehmen können. Gleiches gilt für Janin Lindenberg. Sie hat gezeigt, dass sie ein Trainingsjahr im Erwachsenenbereich durchstehen kann, und ihr ist auch klar geworden, dass sie ein kleines bisschen mehr in ihr Training investieren muss als bisher. Insofern ist sie auf einem guten Weg, ihr Denken in Richtung Hochleistungssport zu verändern."
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