leichtathletik.de-Analyse – Diskus Frauen
Der Leichtathletik-Sommer 2006 ist Geschichte. Die deutsche Szene war dabei vor allem von einer erfolgreichen EM in Göteborg (Schweden) gekennzeichnet. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2006, blickt auf 2007 voraus und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.

"Franka Dietzsch ist die Weltspitze" (Foto: Kiefner)
Wo stehen die DLV-Asse international?„Mit dem zweiten Platz von Franka Dietzsch (SC Neubrandenburg) bei der EM in Göteborg haben wir nur ein Ziel erreicht“, zieht der DLV-Disziplintrainer Gerhard Böttcher ein Fazit. „Unser eigentliches Ziel war es dagegen, drei Athletinnen für diesen Höhepunkt zu qualifizieren. Das ist uns nicht gelungen. Aus unterschiedlichen Gründen konnten die dafür in Frage kommenden Jana Tucholke (LAZ Leipzig), Sabine Rumpf (LSG Goldener Grund), Ulrike Giesa (LAC Quelle Fürth/München/Würzburg) und Nadine Müller (Hallesche LAF) die positive Entwicklung der letzten Jahre nicht fortsetzen und scheiterten an der Norm von 61 Metern.“
Im Diskuswurf der Frauen gilt praktisch: Europas Spitze ist auch Weltspitze. Und deshalb gibt es auch keinen Zweifel am Satz: „Franka Dietzsch ist die Weltspitze“. Die anderen Athletinnen befinden sich zwar auch unter den ersten 20 der europäischen Bestenliste, „aber solche Plätze sind nicht unser Anspruch. Wir wollen, dass weitere Athletinnen ganz vorn mitmischen können“, setzt der Trainer höhere Maßstäbe.
Die Bilanz 2006
Franka Dietzsch fuhr als Goldfavoritin zur EM, nachdem sie zuvor den Europacup gewonnen und in Schönebeck bei besten äußeren Bedingungen mit 68,51 Metern Weltjahresbestweite geworfen hatte. In Göteborg aber musste sie sich mit einem zweiten Rang hinter der Russin Pishchalnikova bescheiden, die ihr Leistungsvermögen voll ausschöpfte und mit 65,55 Meter persönliche Bestweite warf. Franka Dietzsch war nach eigener Aussage doch vom Druck der Öffentlichkeit belastet, der ihr das Gold praktisch vorher schon als sicher offerierte. Aber die Silbermedaille war für die Neubrandenburgerin trotzdem ein Erfolg.
Jana Tucholke kam gut durch den Winter, holte sich dann aber wieder wie so oft einen Infekt und hatte einen schweren Einstand in die Freiluftsaison. Die ersten Normwettkämpfe in Wiesbaden, Halle und Dessau fanden unter ungünstigen Witterungsbedingungen statt, so dass die Zeit immer enger wurde, die Norm von 61,00 Meter zu werfen. Am Ende blieb sie bei einer Bestweite von 59,77 Meter hängen.
Ulrike Giesa wechselte den Trainer, ging von Gerhard Neubauer zu Gerhard Böttcher nach Halle/Saale. Das war verbunden nicht nur mit der Veränderung des Umfeldes, sondern auch der Trainingsmethodik. Wie bei Jana Tucholke gab es auch bei Ulrike Giesa eine Instabilität in der Wettkampfgestaltung, d.h. eine Diskrepanz zwischen Einwerfen und dem Wettkampf selbst. Bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm belegte sie hinter Franka Dietzsch mit der persönlichen Bestleistung von 59,61 Metern den zweiten Rang vor Nadine Müller mit 58,22 Metern.
Nadine Müller, die auch von Gerhard Böttcher trainiert wird, musste 2005 kurz vor der U23-EM in Erfurt wegen eines Adduktoreneinrisses operiert werden, die volle Belastbarkeit war erst im Dezember 2005 wiederhergestellt. Zudem schloss sie ihre Ausbildung bei der Bundespolizei in Cottbus ab und konnte erst ab März trainieren. Aber auch sie wies genauso wie Ulrike Giesa bei der DM in Ulm mit einem dritten Platz nach, dass sie auch bei nervlicher Anspannung weit werfen kann. Allerdings reichte es auch für sie nicht zur Normweite von 61,00 Meter.
Sabine Rumpf hatte mit ihren 57,00 Meter bei der Winterwurfchallenge im März in Israel Hoffnungen genährt, ihren Weg in Richtung 61,00 Meter fortsetzen zu können. Aber bereits zum Anfang der Wettkampfsaison in Deutschland stellten sich bei ihr Rückenprobleme ein. Die Saison wurde unterbrochen, um sich auszukurieren. Doch das misslang, und so war auch die schwache Vorstellung bei der DM mit einer Weite von 50,50 Meter zu erklären.
Eine positive Entwicklung hat Jessica Kolotzei (LG Nord Berlin) genommen, die bei Werner Goldmann trainiert und bei 56,06 Metern angekommen ist. Auch Sara Briesenick (LG Nike Berlin) konnte stabil werfen, was auch in ihrer Bestleistung von 55,90 Metern zum Ausdruck kommt und auch im Ergebnis bei den Junioren-DM, als sie hinter Nadine Müller Silber holte. Sie trainiert bei Jürgen Schult.
Heike Koderisch (SC Magdeburg) fiel durch eine Fußoperation das ganze Jahr über aus. Romy Logsch (LAZ Leipzig) ist nach zwei Jahren guter Entwicklung und einem fünften Rang in Ulm nun auf „Abwege“ gegangen. Sie versucht ihr sportliches Glück im Bob zu finden.
Bei der Junioren-WM in Peking waren die Junioreneuropameisterin von Kaunas (Weißrussland), Kristina Gehrig (LAC Quelle Fürth/München/Würzburg), und Anna-Katharina Weller (LG Olympia Dortmund) dabei. Kristina Gehrig wurde Zehnte, Anna-Katharina Weller schied in der Qualifikation aus. „Während Kristina Gehrig auch wegen der Abiturvorbereitungen ihre Entwicklung in dieser Saison nicht so fortsetzen konnte, wie wir uns das gedacht hatten, bot Anna-Katharina Weller mit 52,16 Meter im ersten A-Jugendjahr eine ansprechende Leistung“, schätzt der DLV-Trainer ein. „Beide konnten aber in Peking nicht ihr wahres Leistungsvermögen zeigen, auch wegen der äußeren Gegebenheiten.“
Hoffnungen für die Zukunft nährte Julia Fischer (SCC Berlin), die als B-Jugendliche 50,23 Meter warf. Sie wird von Werner Goldmann trainiert.
Die Chancen 2007
Das erklärte Ziel für die WM in Osaka besteht wieder darin, mit drei Athletinnen anzutreten. Die Qualifikationsnorm ist genauso wie im EM-Jahr wieder 61,00 Meter. Erneut bieten sich die fünf Athletinnen an, die auch 2006 die Kandidatinnen waren: Franka Dietzsch, Ulrike Giesa, Nadine Müller, Jana Tucholke und Sabine Rumpf.
Positiv ist, dass sich neben Franka Dietzsch, deren Spitzenposition weiterhin ungefährdet ist, vier Athletinnen um zwei Plätze bemühen. Doch Gerhard Böttcher schränkt ein: „Noch auf relativ niedrigem Niveau.“ Franka Dietzsch wird in Osaka wieder um Gold kämpfen wollen. „Die anderen beiden Werferinnen sollen die Quali überstehen und eine davon soll anschließend in den Endkampf kommen.“ So die gegenwärtigen Vorstellungen des DLV-Trainers.
Ein recht starkes Feld bietet sich für die U23-EM an: Nadine Müller, Jessica Kolotzei, Sara Briesenick, Kristian Gehrig und Heike Koderisch. Eine Medaille liegt im Bereich der Möglichkeiten. Anna-Katharina Weller, Julia Fischer, Florentine Hellmann (LAZ Leipzig) und Svenja Mauroff (LG Olympia Dortmund) kommen für die JEM in Frage. Auch hier ist eine Medaille möglich.
Die Hoffnungsträgerinnen
„Mehrere Athletinnen haben die Chance, sich in Richtung Anschluss an die Weltspitze zu entwickeln, vielleicht sogar mal direkt Weltspitze zu werden.“ Der DLV-Trainer ist dieser Meinung, wobei er zögert, Namen zu nennen. „Von den körperlichen Voraussetzungen her könnten Nadine Müller und Ulrike Giesa als Erste diesen Schritt gehen.
Sabine Rumpf hat nachgewiesen, dass sie die 60 Meter werfen kann. Auch sie könnte also weiter nach vorn kommen, genauso wie Jana Tucholke, die schon lange um einen großen Sprung nach vorn kämpft, nun vielleicht durch den Trainerwechsel zu Klaus Schneider nach Magdeburg neuen Schwung erhält.“ Limitierender Faktor für alle wird die Gesundheit sein. „Sie müssen belastbar sein, um größere Fortschritte machen zu können.“
Von den noch jüngeren Athletinnen schaut Böttcher vor allem auf Julia Fischer, die wegen ihrer Körpergröße und ihrer Armspanne für größere Weiten prädestiniert ist. Allerdings wird noch einige Zeit vergehen, in der sich herausstellen wird, was sie aus ihren körperlichen Vorzügen machen kann.