leichtathletik.de-Analyse - Diskuswurf Frauen
Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?Es hört sich wie ein bitterer Regelbruch an: Keine deutsche Diskuswerferin hat es zu den Olympischen Spielen geschafft. Das sind die Tatsachen nach der Saison 2008. Zweimal 61,00 Meter waren die Norm - zu weit für die DLV-Athletinnen. „Keine Werferin beim Saisonhöhepunkt gehabt zu haben, ist mein und unser bislang schlechtestes Ergebnis“, sagt selbstkritisch der DLV-Disziplintrainer Gerhard Böttcher, der seit sieben Jahren die Frauenriege im Diskuswurf führt und davor acht Jahre zusätzlich Männer-Trainer war. Die dreimalige Weltmeisterin Franka Dietzsch (SC Neubrandenburg) hatte zwar eine „Wildcard“ für die Sommerspiele bekommen, doch mehrere körperliche Blessuren - Bluthochdruck, Schilddrüsenprobleme und Schmerzen im linken Fuß - zwangen die 40-Jährige dazu, den Flug nach China zu stornieren. „Ich habe es nicht mehr nötig, dahin zu fahren, nur um bei Olympia dabei zu sein. Ich will um die Medaillen mitwerfen können“, wurde die Diskuswerferin im „Tagesspiegel“ zitiert. Es wären für Franka Dietzsch die fünften Sommerspiele ihrer Laufbahn gewesen.
Die beste deutsche Diskuswerferin 2008 war Sabine Rumpf (LSG Goldener Grund). Mit ihren 61,81 Metern, die sie im September in Wiesbaden warf, liegt sie in der Weltjahresbestenliste auf Rang 31. Dahinter folgen auf Platz 36 Nadine Müller (Hallesche LAF; 61,36 m), Jessica Kolotzei (LG Nord Berlin; 60,31 m) als 41. und eben Franka Dietzsch auf Rang 49, die in dieser Saison nicht über 59,47 Meter hinaus kam.
„Die Leistungen der Kaderathletinnen waren von starken Schwankungen geprägt. Unsere jungen Werferinnen haben den Anschluss an die Weltspitze nicht geschafft, allerdings haben dies auch die Athletinnen aus den anderen Nationen oft nicht gepackt“, sagt Gerhard Böttcher. Als einzige Ausnahme nennt der DLV-Coach die 23-jährige Russin Darya Pishchalnikova, die mit 67,28 Meter die zweitbeste Weite 2008 erzielte, aber auch in einem Verstoß gegen die Dopingregeln verwickelt war. Ansonsten habe es leider keine Bluterfrischung gegeben, wie Gerhard Böttcher sagt.
Die Bilanz 2008
„Es war ein schwerer Schlag, dass Franka die Teilnahme an den Olympischen Spielen absagen musste“, sagt Gerhard Böttcher. „Aber es war die richtige Entscheidung.“ Über die gesamte Saison konnte die Neubrandenburgerin nie beschwerdefrei trainieren, sie hatte häufig Probleme mit der Regeneration nach den Belastungen. Im Vergleich zu ihrer Bestweite aus dem Vorjahr (68,06 m) warf Franka Dietzsch 2008 nur bei einem offiziellen Wettkampf und dort fast zehn Meter kürzer. An ein Karriereende denkt sie trotzdem nicht - laut des Disziplintrainers habe sie das Aufbautraining schon wieder sehr progressiv begonnen.
Den DM-Titel in Nürnberg holte sich mit 57,50 Metern die 25-jährige Sabine Rumpf. „Im Anschluss verkrampfte Sabine leider total. Sie wollte die Norm für Peking unbedingt werfen und war unter enormem Zeitdruck. Dadurch wurde sie nervlich etwas instabil“, sagt der DLV-Trainer. Erst gegen Ende der Saison konnte die U23-Europameiserin von 2005 ihre Leistungen stabilisieren und eine persönliche Bestleistung aufstellen, die ihr ein paar Wochen früher das Olympiaticket gesichert hätte. „Wir wollen die Qualität des Trainings bei Sabine nun erhöhen und dabei gezielt Drucksituationen aufbauen“, erklärt Gerhard Böttcher und fängt bei dieser Gelegenheit gleich mal an: „Sie muss nachweisen, dass sie das Erbe von Franka antreten kann.“
Nadine Müller wird in der Analyse des Disziplintrainers auch nicht gerade geschont. „Ihr Entwicklung ist im Vergleich zu 2007 rückläufig“, sagt Gerhard Böttcher. Bei einem Blick auf die Weiten wird diese Einschätzung allerdings zur Tatsache: Über eineinhalb Meter kürzer als 2007 (62,93 m) war die Bestweite der 23-Jährigen in dieser Saison (61,36 m). Dabei war Nadine Müller am dichtesten dran an der Qualifikation für die Olympischen Spiele - sie hätte nur ein zweites Mal die 61,00 Meter knacken müssen. Bei der DM allerdings vergab sie ihre letzte Chance und wurde mit spärlichen 57,43 Metern Zweite. Bei der Dritten der Junioren-WM 2004 nennt der Disziplintrainer ebenso eine „psychische Instabilität“ als Grund für die missglückte Olympiaqualifikation.
Die dritte 60-Meter-Werferin des Sommers war Jessica Kolotzei, die mit 60,31 Metern im Mai in Dessau eine neue persönliche Bestleistung aufstellte. „Jessica hat durchaus einen Fortschritt gemacht“, sagt Gerhard Böttcher über die 23 Jahre alte U23-EM-Achte. „Jetzt sollte sie sich von der Athletik her noch verbessern und mehr Stabilität in ihre Leistungen bringen, das heißt ihre Technik auch unter Stressbedingungen stabil halten.“
Ein Lob spricht der Disziplintrainer der 26-jährigen Julia Bremser (LSG Goldener Grund; Saisonbestleistung: 57,49 m) und der 23-jährigen Heike Koderisch (SC Magdeburg; 57,35 m) aus, die bei der DM Platz fünf und sechs belegten. „Julia hat in diesem Jahr ihre Technik auf einen Sprungabwurf umgestellt. Das hat gut geklappt, und ihre Entwicklung ist erfreulich“, sagt Gerhard Böttcher und fügt hinzu: „Auch Heike hatte eine gute Saison. Von ihren körperlichen Voraussetzungen her kann sie es sogar in die Weltspitze schaffen. Allerdings hat sie manchmal Motivationsprobleme.“
Die Chancen 2009
Für die Weltmeisterschaft in Berlin hat Franka Dietzsch als Titelverteidigerin eine Wildcard des Weltverbandes IAAF - somit könnten die DLV-Werferinnen theoretisch sogar vier Plätze besetzen. „Ich gehe davon aus, dass wir mit drei Starterinnen zur WM fahren und es neben Franka eine zweite Werferin ins Finale schafft“, sagt Gerhard Böttcher. Nach der jüngsten Abwesenheit der DLV-Diskusfrauen auf internationaler Bühne ist das eine optimistische Einschätzung. Für Franka Dietzsch soll die WM ein würdiger Abschluss ihrer langen und erfolgreichen Karriere im Ring werden. „Sie hat sich schon aus mehreren Löchern rausgebuddelt, die Saison 2008 wird sie wegstecken“, ist sich der Disziplintrainer sicher.
Für Sabine Rumpf, Nadine Müller und Jessica Kolotzei ist die WM-Norm von 62,00 Metern ebenfalls drin. Dabei liegt diese sogar um einen Meter über der Qualifikationsweite für die Olympischen Spiele. Damit will der Weltverband IAAF bei der WM selbst lange Qualifikationswettkämpfe vermeiden.
Von Dezember bis Februar treffen sich die DLV-Kaderathletinnen nun einmal monatlich zur Saisonvorbereitung bei der so genannten „Teamwoche Wurf“ in Kienbaum. Im Anschluss wird es die Ausscheidungswettkämpfe für den ersten Saisonhöhepunkt, die Winterwurf-Challenge auf Teneriffa (Spanien; 14. und 15. März), geben. „Das wird eine erste Standortbestimmung sein“, sagt Gerhard Böttcher.
Die Hoffnungsträgerinnen
Was die Frauen 2008 nicht geschafft haben, gelang den Nachwuchs-Diskuswerferinnen eindrucksvoll. Mit Platz zwei und vier bei der U20-WM in Bydgoszcz (Polen) durch Julia Fischer (SCC Berlin) und Anna-Katharina Weller (LG Olympia Dortmund) hat ein DLV-Duo ordentlich in der Weltspitze mitgemischt. Die 18-jährige Julia Fischer ist mit 55,92 Metern Dritte der Weltjahresbestenliste, die 19-jährige Anna-Katharina Weller rangiert auf Platz zehn (54,33 m). „Das sind sehr gute Leistungen, im Nachwuchsbereich sieht es prima aus“, sagt der Disziplintrainer und ergänzt: „Die Frage ist allerdings, ob die Werferinnen den Übergang in den Aktivenbereich schaffen, die Ausbildung mit dem Sport vereinbaren können und den Willen zum Leistungssport haben.“
Für die U20-EM in Novi Sad (Serbien, 23. bis 26. Juli) ist Julia Fischer eine Titelfavoritin. Gerhard Böttcher schätzt die Norm auf etwa 50,00 Meter. Daneben können sich auch Laura-Elisa Einert (LG Süd Berlin), Antje Bormann (LAC Berlin) und Shaunice Craft (MTG Mannheim) Hoffnungen auf die Europameisterschaft machen.
Anna-Katharina Weller wird die U23-EM in Kaunas (Litauen, 16. bis 19. Juli) im Blick haben, genauso wie Daniela Fink (TSV Bayer Leverkusen). Um die 54,00 Meter werden sie packen müssen, um dann dabei zu sein.
Mehr Analysen:
Sprint Männer
Sprint Frauen
400 Meter Männer
400 Meter Frauen
Mittelstrecke Männer
Mittelstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Hürdensprint Männer
Hürdensprint Frauen
Langhürde Männer
Langhürde Frauen
Hindernis Männer
Hindernis Frauen
Gehen Männer
Gehen Frauen
Weitsprung Männer
Weitsprung Frauen
Dreisprung Männer
Dreisprung Frauen
Hochsprung Männer
Hochsprung Frauen
Stabhochsprung Männer
Stabhochsprung Frauen
Kugelstoßen Männer
Kugelstoß Frauen
Diskuswurf Männer