leichtathletik.de-Analyse - Gehen Männer
Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?„Wir haben seit den letzten drei Jahren nicht mehrere Asse, sondern eben nur eines mit André Höhne“, stellt der DLV-Disziplintrainer Ronald Weigel fest. „Leider ging für den Berliner bei Olympia nicht alles auf. Über 20 Kilometer hatte er sich eine Top-Platzierung unter den ersten Acht vorgenommen und wollte eventuell um eine Medaille mitkämpfen.“
Dabei hatte er sicherlich die WM 2007 in Osaka (Japan) in der Erinnerung, wo er bei schwierigen Witterungsbedingungen sehr stark war, bis ihn 200 Meter vor Schluss die Kräfte verließen. „Ähnliche Bedingungen hatten wir auch in Peking erwartet, aber leider ist das nicht aufgegangen.“ Am Ende landete er in 1:23:13 Stunden nur auf dem 25. Platz. Allerdings punktete er auf seiner „Nebenstrecke“, den 50 Kilometern: Er wurde Siebter beim Weltcup in Cheboksary (Russland) und in Peking Zwölfter.
Unzufrieden aber war der DLV- Trainer vor allem, weil sich eben nur ein Athlet für Olympia qualifizierte. „Ich hatte fest damit gerechnet, dass Andreas Erm dabei ist. Maik Berger hatte über 50 Kilometer ebenfalls eine Chance, hatte im Vorfeld sehr gut trainiert, konnte dann aber seine Leistung nicht abrufen. Es gab auch Anschlusskader-Athleten wie Carsten Schmidt, die eventuell die Quali-Norm auch hätten gehen können, aber am Ende war Andre Höhne allein auf sich gestellt.“
Entsprechend sieht auch das Bild in der Weltbestenliste aus. André Höhne nimmt dort über 20 Kilometer mit 1:20:19 Stunden den 23. Platz ein, über 50 Kilometer mit 3:49:03 Stunden den 19. Platz.
„Die Weltbestenliste gibt wider, wie sich die Weltspitze entwickelt hat. Es sind zwei Weltrekorde gefallen, auch wenn die Rekordhalter des Dopings überführt wurden. Aber die Dichte in der Weltspitze hat zugenommen, und wir müssen sehen, dass wir mit unseren Anschlusskadern wieder in diese Weltspitze hineinkommen“, meint Ronald Weigel.
„Ansonsten gebe ich nicht viel auf diese Weltbestenliste, weil bei uns im Gehen beispielsweise die Witterungsbedingungen und das Streckenprofil eine wichtige Rolle spielen. Zudem muss man sehen, dass über 20 Kilometer die ersten beiden Athleten des EPO-Dopings überführt wurden und eigentlich herausgestrichen werden müssen. Für mich zählen allein die Ergebnisse bei den Jahreshöhepunkten“, merkt der Coach, der früher selbst ein Weltklassegeher war, an.
Die Bilanz 2008
André Höhne ist gewissermaßen der Dauerbrenner, und Ronald Weigel des Lobes voll über dessen Engagement. „Er hat sich von Anfang des Trainingsjahres ab Oktober voll eingesetzt, hat die vom DLV angebotenen Kuren zur Regeneration in Anspruch genommen hat, das Skilager konsequent genutzt und professionell weiter trainiert. Alles so, wie man sich das von einem Top-Athleten wünscht.“ Und in das Lob schließt er auch Heimtrainer Peter Selzer ein, der seit langem mit André Höhne ein eingespieltes Team bildet. Für die 20 Kilometer kam dann allerdings nicht das erwünschte Ergebnis heraus.
Eine gute Entwicklung hat Hannes Tonat (Erfurter LAC) in diesem Jahr genommen, der sich auf 1:24:32 Stunden verbesserte. „Seine Schwächen liegen noch im mentalen Bereich“, schätzt Ronald Weigel ein. Ebenfalls positiv hat sich Christopher Linke (SC Potsdam) entwickelt, der von Roland Weigel trainiert wird und bei 1:25:25 Stunden angekommen ist. „Diese Zeit ist für einen 19-Jährigen in Ordnung.“ Etwas enttäuschend war die Leistungsentwicklung von Carsten Schmidt (SC Potsdam), der sich in diesem Jahr nicht weiter verbessern konnte.
Maik Berger (SC Potsdam) wollte sich über die 50 Kilometer für Peking qualifizieren und im Vorfeld sah es für ihn auch recht gut aus, doch er konnte dieses Niveau nicht im Wettkampf zeigen, blieb bei 4:02:14 Stunden hängen und schaffte damit nicht die Olympianorm.
Michael Krause (LG Offenburg), der weiterhin von Robert Ihly trainiert wird, konnte in diesem Jahr keine Wettkämpfe bestreiten, weil er sich voll auf seine Ausbildung bei der Bundespolizei konzentrieren musste. Jan Albrecht (Apoldaer LV), der jahrelang mit zur Geherspitze des DLV zählte, schaffte in diesem Jahr nicht die erhoffte Steigerung und hat nun seine Leistungssportkarriere beendet.
Ebenfalls aufgehört hat Andreas Erm (SC Potsdam), der die letzten Jahre von Ronald Weigel trainiert wurde und an den der Trainer bis zuletzt auch glaubte. „Er hatte gute Trainingsergebnisse, die in mir die Hoffnung weckten, dass er erfolgreich bei Olympia teilnehmen könnte. Leider hat er es dann verletzungsbedingt nicht geschafft.“ Was bleibt, ist die Erinnerung an einen Athleten, der in den letzten 10 bis 15 Jahren die deutsche Geherszene dominierte und mit seinem dritten WM-Rang von Paris (Frankreich) 2003 (50 km in 3:37:46 h) seinen größten Erfolg errang.
Für den DLV-Geher-Nachwuchs ist seit drei Jahren Manja Berger verantwortlich. Sie, die in der Jugend in einer Trainingsgruppe mit Andreas Erm in Berlin ging, später bei dessen Vater Siegfried Erm und bei Peter Selzer als Übungsleiterin tätig war, und sich dort erste Sporen verdiente, versucht nun, neue Talente zu entdecken und zu formen, sowohl in Potsdam, als auch im gesamten Bundesgebiet. Dabei muss sie bei dem nicht eben großen Angebot an jugendlichen Gehern auch Rückschläge hinnehmen. So konnte sich in diesem Jahr erstmals kein männlicher Nachwuchsathlet für den internationalen Höhepunkt, die Junioren-WM in Bydgoszcz (Polen), qualifizieren.
Die besten Aussichten für eine Nominierung hatte noch Christoph Roschinsky (SCC Berlin), der von Peter Selzer trainiert wird. Er ging über 10 Kilometer 42:54 Minuten, verfehlte aber damit die Norm von 42:30 Minuten knapp. Da er auch nicht unter den besten 15 der Weltbestenliste war, konnte er nicht nominiert werden.
Mit Hagen Pohle (SC Potsdam) hat Manja Berger selbst ein Talent entdeckt, dass zu großen Hoffnungen berechtigt. Der 16-Jährige kommt vom Lauf, und trainiert seit Mai 2007 bei ihr. „Er brachte die notwendigen Ausdauerqualitäten mit und hat die Technik des Gehens ganz schnell begriffen. Mit Zeiten von 20:43 Minuten über 5 Kilometer und 43:33 Minuten über 10 Kilometer hat er einen guten Einstand gehabt.“ Vielleicht ist dieser Wechsel von Athleten vom Lauf zum Gehen auch für die Zukunft ein Mittel der Talentsuche, Christopher Linke ging den gleichen Weg.
Die Chancen 2009
Für das WM-Jahr hat Ronald Weigel eine klare Position: „Eine WM im eigenen Land, in Berlin und mit einer Superstrecke Unter den Linden mit dem Brandenburger Tor. Das wäre für mich, wenn ich Athlet wäre, die größte Motivation, um das Training jetzt zu beginnen und alles daran zu setzen, mich zu qualifizieren. Solch eine Möglichkeit, sich auf einer geschichtsträchtigen Strecke zu präsentieren, ist eine einmalige Chance.“
Die Qualifikationsnorm wird für die 20 Kilometer bei 1:22:30 Stunden liegen. „Darüber sollte man, um erfolgreich zu sein, nicht diskutieren.“ Zwei bis drei Athleten sollten das schaffen, natürlich in erster Linie André Höhne. „Dann hoffe ich auf Carsten Schmidt und Hannes Tonat“, meint der DLV-Trainer. „Das gilt auch für Michael Krause, wenn er wieder in ein normales Training einsteigen kann.“
Für Christopher Linke ist das erste Ziel, sich für die U23-EM in Kaunas (Litauen; 16. bis 19. Juli) zu qualifizieren. „Allerdings weiß man heute noch nicht, wie schnell seine Entwicklung vorwärts geht.“ Damit räumt Ronald Weigel ein, dass auch die WM in Berlin für seinen Schützling nicht ganz außer Sicht ist. Ein weiterer Kandidat für die U23-EM ist Christoph Roschinsky (SCC Berlin).
Zu den WM-Aussichten befragt, meint Ronald Weigel: „Wer schon mal in der Weltspitze war, hat sicherlich den Leistungsanspruch, dort wieder hineinzukommen, will nicht nur dabei sein.“ Für André Höhne sollte eine Top-Platzierung unter den ersten Acht angestrebt werden, und sicher will er auch wieder um eine Medaille kämpfen.
Im Nachwuchsbereich hat DLV-Trainerin Manja Berger gewissermaßen ein lachendes und ein weinendes Auge. Lachen kann sie, wenn sie an ihren Schützling Hagen Pohle denkt, dem sie für die U18-WM in Brixen (Italien; 8. bis 12. Juli) gute Chancen einräumt. Die Qualifikation für diesen Höhepunkt sollte für den ehrgeizigen jungen Geher kein Problem werden. „Ich traue ihm dann einen Platz zwischen drei und sechs zu“, äußert sich Manja Berger optimistisch. Nicht ganz so optimistisch ist sie, wenn sie an Kandidaten für die U20- EM in Novi Sad (Serbien; 23. bis 26. Juli) denkt. „ Es wird sicher schwer werden, die Norm von 42:30 Minuten zu packen. Aber unmöglich ist das nicht.“
Für die 50 Kilometer (Norm 3:50:00 h) kommen nach dem gegenwärtigen Stand André Höhne und Maik Berger als WM-Starter in Frage. Für einen möglichen Doppelstart von André Höhne sind dabei die gleichen zeitlichen Voraussetzungen, sprich Abstände zwischen beiden Wettbewerben, wie in Peking gegeben.
Die Hoffnungsträger
Zu den Hoffnungsträgern zählt Ronald Weigel eine Reihe von Athleten, deren Leistungsvermögen noch nicht ausgereizt erscheint. Dazu gehören Christopher Linke, Hannes Tonat, Carsten Schmidt und Michael Krause, alle im Alter zwischen 20 und 23. Natürlich nennt er auch den Namen des jungen Hagen Pohle für diese Rubrik.
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