leichtathletik.de-Analyse - Hammerwurf Männer
Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?„International haben wir zurzeit mit Markus Esser nur einen Kandidaten. Alle anderen müssen sich noch etablieren“, fasst DLV-Disziplintrainer Michael Deyhle den Stand der Dinge im deutschen Hammerwurf der Männer zusammen. Obwohl der Leverkusener Markus Esser die geforderte A-Norm von 78,50 Metern erst mit Verspätung anbieten konnte, wurde er vom DLV für die Olympischen Spiele vorgeschlagen, vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) dann auch nominiert und rechtfertigte diese Entscheidung in Peking mit dem Erreichen des Finales. Als Neunter verpasste er aber den Wurf unter die besten Acht der Welt.
Die beste Leistung der Saison gelang ihm Ende Juli vor heimischem Publikum in Leverkusen, wo er den Hammer auf 79,97 Meter schleuderte. Damit ließ er im vierten Jahr in Folge die nationale Konkurrenz hinter sich, zum ersten Mal allerdings mit einer Weite unter 80 Metern. In der von europäischen Werfern dominierten Disziplin belegt er weltweit Platz 15 und kontinental Platz 14 der Bestenlisten.
Zweieinhalb Meter kürzer flog der Hammer von Jens Rautenkranz (USC Mainz), dessen Bestweite von 77,35 Metern in Europa gerade noch zu den Top 30 reichte (Platz 28). In der U23-Altersklasse schaffte dagegen der 22-jährige Sergej Litvinov (LG Eintracht Frankfurt) europaweit den Sprung auf Platz zwei (75,35 m). Auf Rang zehn und elf findet man hier den gleichaltrigen Sven Möhsner (TSV Bayer Leverkusen; 71,12 m) sowie den 21-jährigen Alexander Ziegler (LG Staufen; 70,42 m).
Die Bilanz 2008
„Es war im Jahr 2008 ganz merkwürdig im deutschen Wurfbereich. Ich habe auch mit den anderen deutschen Wurftrainern zusammen gesessen und überlegt, woran das gelegen haben kann. Es gab viele individuelle Baustellen. Vielleicht spielte auch die Übermotivation eine Rolle“, bilanziert Michael Deyhle, und ein wenig schwingt Enttäuschung in seiner Stimme mit.
Der beste deutsche Hammerwerfer Markus Esser hatte zum Beispiel mit hartnäckigen Rückenschmerzen zu kämpfen, die ihn einige Trainingseinheiten kosteten. So fand der 28-Jährige, dessen privates Jahres-Highlight im April die Hochzeit mit seiner Verlobten Tanja war, erst spät zur Form. Ein ums andere Mal scheiterte er an der A-Norm für die Olympischen Spiele und setzte schließlich alle Hoffnungen auf die Deutschen Meisterschaften in Nürnberg.
Doch auch dort lief es nicht wie gewünscht. „Gewonnen und trotzdem verloren“, gab er enttäuscht zur Auskunft, nachdem er zwar den Deutschen Meistertitel errungen hatte, mit seiner Siegesweite von 76,75 Metern jedoch erneut nicht über die geforderten 78,50 Meter hinaus kam. Daraufhin buchte er mit Frau und Tochter den Sommerurlaub, doch es sollte anders kommen.
Nur eine Woche später schleuderte er das Wurfgerät bei einem Meeting im österreichischen Ried auf 79,04 Meter und konnte aufgrund einer Fristverlängerung in letzter Minute das Olympiaticket lösen. In Peking überstand er die Qualifikation, doch auch im „Vogelnest“ wollten die 80 Meter einfach nicht fallen. 77,10 Meter und Platz neun standen am Ende zu Buche – der laut eigenen Aussagen „undankbarste Platz, den man kriegen kann“. Auch der Disziplintrainer stimmt zu: „Für Markus lief es bei den Olympischen Spielen nicht ganz wie erhofft. Es fehlte einfach die Konstanz.“
Die weiteren deutschen Athleten konnten nicht in den Kampf um die Olympia-Startplätze eingreifen. Der Norm am nächsten kam noch der für den USC Mainz startende Spangenberger Jens Rautenkranz. Beim Schönebecker Sole Cup steigerte er Anfang Juni seine Bestleistung um knapp einen Meter auf 77,35 Meter.
In Nürnberg sicherte sich der 28-Jährige, der vom ehemaligen 82-Meter-Werfer Holger Klose trainiert wird, die Deutsche Vize-Meisterschaft und verbesserte sich damit zum Vorjahr um eine Position. Dabei ließ er keinen Geringeren hinter sich als Karsten Kobs, den Weltmeister von 1999 in Sevilla (Spanien).
Karsten Kobs, der zuletzt für den ASC 09 Dortmund an den Start ging, gab in Nürnberg für viele überraschend seinen Abschied von der Leichtathletik-Bühne bekannt. Michael Deyhle war jedoch von der Entscheidung informiert gewesen: „Ich wusste, dass er aufhören wird. Allerdings hatte ich persönlich gehofft, dass er noch bis zur WM 2009 in Berlin weitermacht und sich erst dort verabschiedet.“
Der mittlerweile 37-Jährige, dessen Bad im Wassergraben nach dem Gewinn der WM-Goldmedaille unvergessen bleiben wird, war recht gut in die Saison gestartet. Bereits im März erzielte er seine Jahres-Bestweite von 74,89 Metern, danach ließ er aber die ganz großen Weiten vermissen und musste den Traum von einer erneuten Olympia-Teilnahme schnell begraben. Sein langjähriger Weggefährte Markus Esser fand in Nürnberg persönliche Worte des Abschieds: „Wir werden einen großartigen Sportler verlieren.“
Und wie es immer so ist: Für die einen geht eine Karriere zu Ende, für die anderen beginnt sie gerade erst. Im Olympiajahr stieß mit Sergej Litvinov ein hoffnungsvoller Nachwuchs-Werfer zum deutschen Team hinzu und machte mit guten Leistungen auf sich aufmerksam. Der 22-Jährige besitzt sowohl die weißrussische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft und ist seit Juli dieses Jahres für den DLV startberechtigt. Im Frühjahr wechselte er von Bremen zur LG Eintracht Frankfurt.
Sergej Litvinov hat große Fußstapfen zu füllen, schließlich wurde sein gleichnamiger Vater für die ehemalige UdSSR in derselben Disziplin Olympiasieger und zweimal Weltmeister. Bei einem Wettkampf in Weißrussland übertraf er 2008 zum ersten Mal die 77-Meter-Marke, aber da diese Weite vom Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) nicht anerkannt wurde, gingen für ihn 75,35 Meter in die Bestenlisten ein.
Bei der DM in Nürnberg wurde er auf Anhieb Vierter, drei Wochen darauf konnte er in Recklinghausen mit 71,89 Metern als souveräner Deutscher Juniorenmeister seinen ersten nationalen Titel feiern. Auf die Plätze zwei und drei verwies er die ein Jahr jüngeren Alexander Ziegler (68,54 m) und Jerrit Lipske (LG Stadtwerke München; 65,54).
Der Leverkusener Sven Möhsner, den man hier eigentlich auf dem Podium erwartet hätte, schaffte es dagegen lediglich auf Rang fünf. Mit 61,55 Metern blieb er ganze zehn Meter hinter seiner Bestmarke von 71,12 Metern zurück, die er im Mai bei den Halleschen Werfertagen aufgestellt hatte.
Die Chancen 2009
Im kommenden Jahr stehen die Weltmeisterschaften in Berlin ganz oben auf dem Terminkalender der DLV-Athleten. Zieht man die Leistungen des Olympiajahres in Betracht, ist Markus Esser der einzige deutsche Hammerwerfer, der sich für eine Nominierung aufdrängt.
Zu den weiteren Kandidaten äußert sich DLV-Trainer Michael Deyhle vorsichtig: „Auch Jens Rautenkranz kann es schaffen. Dazu muss er sich aber noch weiterentwickeln. Bei Sergej Litvinov sieht es ähnlich aus. Bei ihm muss man erstmal abwarten, denn in seinem Leben hat sich viel verändert.“ Der Neu-Frankfurter hat nicht nur einen Orts- und Verbandswechsel hinter sich, sondern auch geheiratet und bei der Bundeswehr angefangen.
Einziger Werfer der deutschen Top Ten, der im kommenden Jahr bei den U23-Europameisterschaften in Kaunas (Litauen) startberechtigt ist, ist Alexander Ziegler. Wenn er an die Form des Olympiajahres anknüpfen kann, in dem er das erste Mal die 70-Meter-Marke übertraf und damit gleichzeitig einen neuen württembergischen Rekord aufstellte, sollte eine Finalteilnahme im Bereich des Möglichen liegen.
Die Hoffnungsträger
Neben den bereits genannten Sergej Litvinov, Sven Möhsner und Alexander Ziegler, die den Jahrgängen 1986 und 1987 angehören, zählt der Disziplintrainer noch einen weiteren jungen Hammerwerfer zu den Hoffnungsträgern: „Richard Olbrich hat ganz großes Potenzial. Von ihm verspreche ich mir für die Zukunft einiges.“
Der 18-Jährige von der SVG Grün-Weiß Bad Gandersheim hatte im Vorjahr bereits als B-Jugendlicher die deutsche A-Jugend-Bestenliste angeführt. 2008 steigerte sich mit dem 6-Kilogramm-Hammer um fünfeinhalb Meter auf 74,67 Meter und belegte damit in seiner Altersklasse weltweit Platz neun. Bei den U20-Weltmeisterschaften in Bydgoszcz (Polen) konnte er dieses Potenzial jedoch nicht abrufen und schied mit 69,02 Metern in der Qualifikation aus.
Mehr Analysen:
Sprint Männer
Sprint Frauen
400 Meter Männer
400 Meter Frauen
Mittelstrecke Männer
Mittelstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Hürdensprint Männer
Hürdensprint Frauen
Langhürde Männer
Langhürde Frauen
Hindernis Männer
Hindernis Frauen
Gehen Männer
Gehen Frauen
Weitsprung Männer
Weitsprung Frauen
Dreisprung Männer
Dreisprung Frauen
Hochsprung Männer
Hochsprung Frauen
Stabhochsprung Männer
Stabhochsprung Frauen
Kugelstoßen Männer
Kugelstoß Frauen
Diskuswurf Männer
Diskuswurf Frauen