leichtathletik.de-Analyse - Hürdensprint
Der Leichtathletik-Sommer 2006 ist Geschichte. Die deutsche Szene war dabei vor allem von einer erfolgreichen EM in Göteborg (Schweden) gekennzeichnet. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2006, blickt auf 2007 voraus und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Thomas Blaschek lief zu EM-Silber (Foto: Kiefner)
MÄNNERWo stehen die DLV-Asse international?
Mit dem Leipziger Thomas Blaschek und dem Zweibrücker Jens Werrmann haben sich gleich zwei deutsche Athleten gut in Szene gesetzt. Der Deutsche Meister Thomas Blaschek lief zu EM-Silber und auf Platz sechs bei der Hallen-WM. Jens Werrman überraschte zunächst mit Platz zwei bei den Deutschen Meisterschaften und dann Rang sechs bei der EM. In der Europäischen Jahresbestenliste liegen sie mit 13,33 bzw. 13,60 Sekunden auf Position drei bzw. 19, im internationalen Welt-Vergleich auf den Rängen 17 und 52. In der IAAF-Weltrangliste belegen sie die Plätze elf und 46.
Die Bilanz 2006
"Wir hatten zwar etwas Pech, aber trotzdem war es ein hervorragendes Jahr", bilanziert Ewald Kaufmann, DLV-Disziplintrainer für die 110 Meter Hürden. "Zwei Sprinter im EM-Finale, Thomas gewinnt Silber und Jens läuft Bestzeit, mehr kann man nicht erwarten." Und das obwohl beide in der Vorbereitung mit Verletzungen zu kämpfen hatten.
"Unsere anderen Top-Sprinter hatten dagegen Pech." Kai Doskoczynski (LAC Quelle/Fürth/München) fiel nach der Hallensaison mit Pfeifferschem Drüsenfieber aus und hat sich davon bis heute noch nicht vollkommen erholt. Und auch der Leipziger Willi Mathiszik war verletzt und konnte erst spät im Jahr wieder Wettkämpfe bestreiten, im Gegensatz zu Alexander John (TuS Jena), der nach einem Muskelfaserriss im Mai die Saison völlig abschreiben musste.
Erik Balnuweit (TuS Jena) und Paul Dittmer (MTV Hanstedt) qualifizierten sich zwar für die Junioren-Weltmeisterschaften in Peking (China), hatten dort aber mit gesundheitlichen Problemen und viel Gegenwind zu kämpfen, weswegen sie nicht über das Halbfinale hinauskamen.
Mike Fenner (TV Wattenscheid 01) qualifizierte sich in seinem letzten Jahr noch einmal für die Hallen-Weltmeisterschaften, blieb dort aber in Halbfinale hängen.
Die Chancen 2007
Die Zielsetzung für Ewald Kaufmann ist klar: "Wir möchten vier Hürdensprinter mit der Norm für die WM in Osaka." Dort sei Thomas Blaschek ein Endlaufkandidat und auch die anderen sollen nicht gleich in der ersten Runde die Segel streichen müssen. Für Jens Werrmann, Willi Mathiszik und Alexander John steht davor noch die U23-Europameisterschaften in Debrecen (Ungarn, 12. bis 15. Juli) an. "Dort sollen mindestens zwei der drei im Finale stehen und einer soll eine Medaille holen", gibt der Disziplintrainer die Marschroute vor.
Jens Werrmann traut er zusätzlich noch die Qualifikation für die WM in Osaka (Japan, 24. August bis 2. September) zu. Die Konkurrenz unter den Hürdensprintern ist jedenfalls groß, aber sie belebt ja bekanntlich auch das Geschäft.
Die Hoffnungsträger
Um die Zukunft im männlichen Hürdensprint ist Ewald Kaufmann nicht bange. "Wir haben zwar keine Masse, aber Klasse." Zu den größten Hoffnungsträgern, auch im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2008 in Peking (China), zählt er neben Thomas Blaschek, die bereits genannten Jens Werrmann, Willi Mathiszik, Kai Doskoczynski und Alexander John. Vor allem Jens Werrmann traut er noch einiges zu "wenn er seine Unbekümmertheit beibehalten kann."
Für Thomas Blaschek sei bei den Olympischen Spielen der Endlauf das Ziel. Und auch hinter den fünf Sprintern drängen Talente nach. Zwei davon sind Erik Balnuweit und Paul Dittmer, die in diesem Jahr bei der Junioren-WM in Peking beide noch Pech hatten, weil sie krank an den Start gingen und Erik Balnuweit zudem sehr viel Gegenwind hatte. Vor allem ihm traut Ewald Kaufmann noch einiges zu, da er beste Voraussetzungen mitbringt.
FRAUEN
Wo stehen die DLV-Asse international?
Die Mannheimerin Kirsten Bolm ist zur Zeit das Aushängeschild im weiblichen Hürdensprint der Frauen. Neben Silber bei der EM in Göteborg (Schweden) und Platz fünf bei der Hallen-WM in Moskau (Russland), positioniert sie sich auch in den internationalen Bestenlisten unter den Top-Ten.
Mit 12,65 Sekunden, gelaufen beim IAAF-Super-Grand-Prix-Meeting in Lausanne (Schweiz), rangiert sie hinter der schwedischen Europameisterin Susanna Kallur auf Position zwei der Europäischen Jahresbestenliste, im weltweiten Vergleich sortiert sie sich auf Position neun ein. In der IAAF-Weltrangliste, in die die besten sechs Ergebnisse einer Saison eingehen, belegt die 31-Jährige Platz sechs.
Die Bilanz 2006
Die deutsche Hürdenspitze bei den Frauen besteht zur Zeit aus Kirsten Bolm und mit ihr und ihrer Saison ist DLV-Disziplin- und auch Heimtrainer Rüdiger Harksen überaus zufrieden. "Kirsten hat bei der EM das Optimum herausgeholt und über die ganze Saison hinweg Leistungen auf hohem Niveau gezeigt."
Bei ihrem wohl besten Rennen in Stuttgart blieb sie an der siebten Hürde hängen. Biomechanische Auswertungen ergaben, dass ohne diesen Fehler eine Zeit um 12,54 bis 12,56 Sekunden möglich gewesen wäre. "Das stimmt uns optimistisch für die nächsten zwei bis drei Jahre, Kirsten kann in der Weltspitze vorne mitmischen."
Juliane Sprenger-Afflerbach (LG Kindelsberg Kreuztal) musste ihre Karriere wegen nicht in den Griff zu bekommenden Achillessehnen-Problemen beenden. Nadine Hentschke (MTG Mannheim) war nach einer Bandscheiben-Operation im vergangenen Dezember in diesem Jahr nur vereinzelt auf der Flachstrecke unterwegs und beendete die Saison frühzeitig, um alle Probleme vollkommen auszukurieren. "Nadine hat einen Porsche-Motor und eine Trabbi-Karosserie", stellt Rüdiger Harksen fest. Sollte sie wieder gesund sein, wird auf jeden Fall mit ihr zu rechnen sein.
Tina Klein (VfL Sindelfingen), die wie die zuvor genannten Hürdensprinterinnen bereits unter 13 Sekunden blieb, zeigte zwar gute Trainingsleistungen, konnte diese aber nicht im Wettkampf umsetzen.
Viele weitere Sprinterinnen wie die Leipzigerin Judith Ritz (13,18 sec), Stephanie Lichtl (LAZ Salamander Kornwestheim/ Ludwigsburg; 13,30 sec) und Carolin Nytra (Bremer LT; 13,32 sec) machten mit neuen Bestleistungen oder Zeiten, die nah an der Bestleistung waren, auf sich aufmerksam und näherten sich weiter der 13-Sekunden-Marke.
Die Chancen 2007
Für das nächste Jahr setzt Rüdiger Harksen vor allem wieder auf Kirsten Bolm. "Ihr Ziel bei der WM in Osaka ist der Endlauf mit Orientierung Richtung Medaille", will er sich ob der sehr hohen Leistungsdichte noch nicht weiter festlegen.
Allerdings würde er gerne noch mindestens eine weitere Athletin aus dem Kreis Judith Ritz, Stephanie Lichtl, Tina Klein, Nadine Hentschke mit nach Japan nehmen können. Zudem steht mit der U23-EM in Debrecen (Ungarn, 12. bis 15. Juli) ein weiteres Highlight an. "Wir haben aus Erfurt einen 2., 5. und 6. Platz zu verteidigen." Mindestens zwei deutsche Hürdensprinterinnen würde er gerne im Finale sehen. Als erste Anwärterinnen auf ein Ticket nach Ungarn sieht er Stephanie Lichtl, die Leverkusenerin Anne-Kathrin Elbe, Carolin Nytra, Carolin Bogenrieder (LAC Quelle Fürth/München/Würzburg) und Nadine Hildebrand (LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg).
Die Hoffnungsträger
Im engeren Kreis der Hürdensprinterinnen für die Olympischen Spiele 2008 in Peking (China) sieht Rüdiger Harksen neben den Mannheimerinnen Kirsten Bolm und Nadine Hentschke vor allem Stephanie Lichtl, Tina Klein und Judith Ritz. "Für alle anderen dürften sie wohl noch zu früh kommen, aber man soll es trotzdem nicht ausschließen." Zu den weiteren Hoffnungen zählt er vor allem Anne-Kathrin Elbe, Carolin Nytra, Carolin Bogenrieder und Nadine Hildebrand, die alle noch nicht älter als 20 Jahre alt sind. Besonders Anne-Kathrin Elbe hält er für ein sehr großes Talent. Die Schnelligkeit sei vorhanden, sie müsse aber vor allem noch an ihren elementaren technischen Defiziten arbeiten. "Die Jungen müssen heiß sein, die alte Dame anzugreifen", hofft er auf das nächste Jahr.