leichtathletik.de-Analyse - Hürdensprint Männer
Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?Das Jahr begann für die Hürdensprinter sehr positiv. Thomas Blaschek (LAZ Leipzig) verkaufte sich in der Hallensaison prächtig und lief sogar eine neue Bestzeit (7,54 sec). Diese Stärke brachte ihn bis in das 60 Meter Hürden-Finale bei der Hallen-WM in Valencia (Spanien), wo er schließlich in 7,62 Sekunden Fünfter wurde. Auch sein Trainingspartner Willi Mathiszik konnte in Valencia weitere internationale Erfahrungen sammeln und erreichte das Halbfinale.
Der Meister im Hürdenwald, Thomas Blaschek, fand dann jedoch nicht gut in die Sommersaison. Um vier Hundertstel verpasste er die Norm für die Olympischen Spiele in Peking (China) und musste sich das Topereignis vor dem Fernseher anschauen.
Mit seiner Zeit von 13,49 Sekunden belegt der Vize-Europameister weltweit den 42. und kontinental den 14. Platz. Im Feld seiner deutschen Verfolger fiel jedoch eine Bestleistung nach der anderen. Die Leipziger Alexander John (50. weltweit und 19. kontinental) und Willi Mathiszik (54. weltweit und 22. kontinental) kletterten mit ihren 13,53 und 13,54 Sekunden weitere Positionen nach oben.
Der 22-jährige Alexander John sicherte sich im europaweiten U23-Vergleich sogar den fünften Rang, dicht gefolgt von dem erst 20 Jahre alten Erik Balnuweit (LAZ Leipzig), der mit seiner neuen Bestzeit von 13,61 Sekunden auf den siebten Rang lief. Im Männer-Bereich reihte er sich kontinental auf der Position 27 ein.
Ein weiterer Youngster ist der 22 Jahre alte Offenburger Matthias Bühler, der für Erik Balnuweit mit 13,65 Sekunden noch ein starker Konkurrent war und sich in der europäischen U23-Rangliste auf dem achten Rang wieder findet.
Bei den ganz jungen Hürdensprintern machte Richard Bienasch (1. LAV Rostock) bei der U20-WM im polnischen Bydgoszcz auf sich aufmerksam. Er eilte dort bis ins Halbfinale und im europaweiten U20-Vergleich findet man ihn mit 13,80 Sekunden bereits in den Top-Ten (Rang sechs).
Die Bilanz 2008
Die besten deutschen Hürdensprinter kommen wie im letzten Jahr wieder aus Leipzig. Angeführt wird die Gruppe vom Deutschen Meister Thomas Blaschek, der dieses Jahr aber nicht an die Leistungen der Vorjahre anknüpfen konnte. In der Halle noch sehr stark, musste er sich über die 50 Meter längere Distanz dann doch mit etwas weniger zufrieden geben. Konstante Zeiten um 13,50 Sekunden reichten für den internationalen Vergleich nicht aus.
Das Ergebnis waren Olympischen Spiele in Peking ohne deutsche Beteiligung im Hürdenwald - das erste Sommer-Großereignis ohne deutsche Hürdensprinter seit der WM in Rom (Italien) 1987. Bei den Olympischen Spielen in Athen (Griechenland) 2004 war der Wattenscheider Mike Fenner bereits ein Einzelkämpfer und kam mit 13,53 Sekunden auf den 17. Rang.
„Im Sommer haben wir Thomas' Leistungsniveau leider nicht so umsetzen können, wie wir uns das vorgestellt haben. Es spielte jedoch auch die sehr hohe Olympianorm von 13,45 Sekunden eine Rolle, wenn man bedenkt, dass der Finaleinzug in Peking mit 13,53 Sekunden realisiert werden konnte“, bilanziert DLV-Disziplintrainer Cheick-Idriss Gonschinska.
„Hinzu kommt, dass, im Rahmen der Vorbereitung im April, bei einem Trainingsunfall eine Irritation im Achillessehnenbereich aufgetreten war. Diese haben wir eigentlich innerhalb von 14 Tagen in den Griff bekommen, aber Thomas hat darauf in seinen ersten Wettkämpfen sehr unsicher reagiert. Im Prozess des Hinterherlaufens einer solchen Norm ist er im zweiten Teil der Saison deutlich verkrampft. Es kam also bei vielen Wettkämpfen zu individuellen Fehlern, die sehr untypisch für ihn sind“, sagt Cheik-Idriss Gonschinska, der Thomas Blaschek als Heimtrainer betreut.
Enttäuschung machte sich breit, es wurden Gründe gesucht. Der Tiefpunkt der Saison kam für Thomas Blaschek jedoch im französischen Annecy, wo er beim Europacup mit 13,87 Sekunden über den vorletzten Platz nicht hinaus kam. „In Annecy ist Thomas sehr verkrampft gelaufen, weil er viel erreichen wollte. Es kam sehr viel Druck auf und er hat mit Gewalt versucht, die Norm zu erreichen. Das funktioniert im Hürdensprint jedoch nicht. Hier geht es um Rhythmik und Körpergefühl und das hat er dort nicht gehabt“, schildert Cheik-Idriss Gonschinska das Problem.
Noch ist er in Deutschland ganz vorne und darf sich sowohl Deutscher Hallenmeister als auch Deutscher Meister nennen. Doch die jungen Burschen scharren schon mit den Hufen und wollen endlich mehr.
Vier Hundertstel trennen Alexander John mit seiner neuen Bestzeit von der Jahresbestleistung Thomas Blascheks, bis auf fünf Hundertstel kam Willi Mathiszik heran. Beide steigerten sich nun jedes Jahr konstant und wollen den "Altmeister" langsam vom Thron schubsen. Bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg siegte Thomas Blaschek mit nur einen Wimpernschlag Vorsprung auf Alexander John, der es bei diesem Rennen fast geschafft hatte, den deutschen Hürdenwald zu erobern. Willi Mathiszik musste sich mit dem dritten Rang geschlagen geben.
Drei Asse sind den Leipzigern jedoch nicht genug und so haben sie mit Erik Balnuweit auch noch einen vielversprechenden Youngster in ihren Reihen. Er steigerte sich im Vergleich zum Vorjahr um drei Zehntel auf 13,61 Sekunden und sicherte sich damit den vierten Rang in den deutschen Top Ten. Bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften konnte er sogar mit Silber glänzen.
„Wer einen solchen Sprung realisieren kann, der kann sich auch noch enorm weiterentwickeln“, schätzt Cheik-Idriss Gonschinska das Potential des 20-Jährigen ein.
Insgesamt kann der DLV-Disziplintrainer folglich zufrieden sein mit seinen Jungs. Die Leistungsdichte hat sich weiter gesteigert und so liegt der Schnitt der zehn besten Hürdensprinter bereits bei guten 13,67 Sekunden.
Die Chancen 2009
„Wir haben viele junge Wilde im Kader“, merkt Cheik-Idriss Gonschinska an. „Deswegen gehen wir hoch motiviert in die nächste Saison, mit vielen Anwärtern für die WM in Berlin. Wir wissen auch, dass wir mit dem Hürdensprint eine lange Tradition in Deutschland vertreten und wir waren natürlich mit dem letzten Jahr nicht ganz zufrieden. Ich gehe im Moment davon aus, dass sich drei bis fünf Athleten im vermuteten Normbereich von 13,55 Sekunden und schneller bewegen werden. Thomas Blaschek wird auf Finalleistungsniveau vorbereitet, das heißt stabile Zeiten zwischen 13,25 Sekunden und 13,35 Sekunden müssen drin sein.“
Für die drei Startplätze bei der WM in Berlin stehen im nächsten Jahr im deutschen Kader also gleich mehrere Athleten bereit. Thomas Blaschek, der sich wieder beweisen will, die beiden Nachwuchsathleten Alexander John und Willi Mathiszik - vielleicht macht den dreien auch Erik Balnuweit noch einen Strich durch die Rechnung. Die Motivation wird bei allen Athleten unwahrscheinlich groß sein und so wird sich zeigen, wer am Schluss die Nerven behält - der Routinier oder die Angreifer?
„Alle wollen auf der blauen Bahn laufen. Wir nehmen die Herausforderung an und nutzen alle Möglichkeiten des konkurrenznahen Miteinanders. Thomas ist nach wie vor der Platzhirsch mit den besten internationalen Erfahrungen und kann sich jederzeit wieder im 13,30er Bereich stabilisieren. Ich gehe davon aus, dass nach den Deutschen Meisterschaften entschieden wird, wer mit zur WM nach Berlin darf, denn es wird mehr als drei Normerfüller geben“, ist der DLV-Coach optimistisch gestimmt.
Für Youngster Erik Balnuweit steht jedoch die U23-EM in Kaunas (Litauen) im Hauptfokus. Dort muss es ein Ziel von ihm sein, das Finale zu erreichen und dann kann es im Hürdensprint oft Überraschungen geben.
Außerdem steht für alle genannten Athleten auch die Hallen-EM in Turin (Italien) auf dem Plan, wo an die erfolgreiche Hallensaison des vergangenen Winters angeknüpft werden soll.
Medaillenträume könnte auch Richard Bienasch bei der U20-EM in Novi Sad (Serbien) verwirklichen, denn es wird auch weiterhin sehr viel auf den Nachwuchs gesetzt. Im Hauptfokus steht jedoch, die jungen Sprinter an die Männerhürden heranzuführen.
Die Hoffnungsträger
Mit Alexander John, Erik Balnuweit und Matthias Bühler finden sich gleich drei Nachwuchsathleten in den deutschen Top Ten wieder.
Es weht ein frischer Wind in Deutschland durch die Hürden und auch an ganz jungen Nachwuchstalenten fehlt es nicht. Richard Bienasch ist mit 13,80 Sekunden über die niedrigere Jugend-Hürde schon sehr schnell mit dabei und machte in dieser Saison auf sich aufmerksam.
„Richard hat einen Vorsprung: Er hat jetzt schon einmal eine WM erlebt, hat eine gute Jugendhürdenleistung, ist aber auch schon die Männerhürden sehr anspruchsvoll gelaufen. Wir erhoffen uns viel von ihm für die Zukunft“, schließt Cheik-Idriss Gonschinska ab.
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